OGH 10Ob229/02b

OGH10Ob229/02b18.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Schaumüller, Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Britney E*, vertreten durch ihre obsorgeberechtigte Großmutter Ursula E*, letztere vertreten durch Dr. Hans‑Peter Ullmann und Dr. Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Elisabeth P*, vertreten durch Dr. Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, und 2. mj Patrick S*, vertreten durch seine Mutter Elisabeth S*, letztere vertreten durch Dr. Walter Kerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Zahlung von EUR 26.162,22 sA und Feststellung (Streitwert EUR 7.267,28), infolge außerordentlicher Revision der erstbeklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 22.528,58) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. Mai 2002, GZ 4 R 102/02k‑39, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2002:E66275

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kommt es bei der Frage, ob der Aufsichtspflichtige seiner Obsorgepflicht im Sinne des § 1309 ABGB genügt hat, auf das Alter, die Entwicklung und die Eigenart des Kindes, auf die Voraussehbarkeit eines schädigenden Verhaltens des zu Beaufsichtigenden, auf das Maß der von diesem ausgehenden, dritten Personen drohenden Gefahr sowie darauf an, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ihre Kinder zu verhindern, welchen Anlass sie zu bestimmten Aufsichtsmaßnahmen hatten (ZVR 1997/35, 1990/156, 1989/153 ua). Maßgebend für das Maß der Aufsichtspflicht sind aber immer die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles (ZVR 1990/156), weshalb insoweit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind (vgl 2 Ob 293/01d, 8 Ob 115/00w, 2 Ob 277/99w uva).

Wenn das Berufungsgericht, von diesen in ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vertretenen rechtlichen Grundsätzen ausgehend, unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles zum Ergebnis kam, dass die Erstbeklagte ihrer Aufsichtspflicht gegenüber ihrem Enkelkind nicht hinlänglich nachgekommen sei, liegt darin nicht die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erheblicher Bedeutung zukommt (§ 502 Abs 1 ZPO), weil diese in ihren Grundsätzen durch die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gedeckte rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes auf den vorliegenden Einzelfall beschränkt ist und ihre Bedeutung nicht über diesen hinausreicht. Eine - von der Revisionswerberin im Rahmen ihrer Zulässigkeitsbeschwerde offenbar gewünschte - gleichsam generalisierende Beantwortung der Frage des Umfanges der Aufsichtspflicht bei einem neunjährigen Kind im eigenen Haushalt im allgemeinen und bei der Zubereitung von Teewasser im Besonderen unter Berücksichtigung der Anwesenheit eines weiteren Kindes lässt sich nicht geben. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ereignete sich der Unfall entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin nicht beim "Überschwappen" von kochendem Wasser bei der Herabnahme eins Kochgeschirrs vom Herd. Der Zweitbeklagte kletterte nach den Feststellungen vielmehr auf die Spüle, weil er die Tasse oder den Teebeutel aus dem oberhalb der Spüle angebrachten Küchenkasten vom Boden aus nicht erreichen konnte. Als er den Teebeutel oder die Tasse entnommen hatte, sprang er von der Spüle auf den Boden und stieß dabei gegen den Henkel des auf den Gasherd stehenden Topfes mit dem bereits kochendem Wasser. Wenn die Erstbeklagte in der Küche anwesend gewesen wäre, hätte für den Zweitbeklagten keine Notwendigkeit bestanden, auf die Spüle zu klettern. In der Bejahung der Haftung der Erstbeklagten für die Unfallfolgen ist keine Fehlbeurteilung zu erblicken, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste. Die außerordentliche Revision zeigt insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Daraus folgt aber die Unzulässigkeit des außerordentlichen Rechtsmittels.

Stichworte