OGH 7Ob141/02i

OGH7Ob141/02i8.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Cielo Grace C*****, geboren am*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Rodel Jose C*****, vertreten durch Mag. Arthur Lambauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. April 2002, GZ 42 R 191/02b, 42 R 192/02z-29b, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Döbling vom 29. Jänner 2002 und vom 15. Februar 2002, GZ 7 P 29/02m-6 und -10, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Der außerordentliche Revisionsrekurs gegen den zweitangefochtenen Beschluss, GZ 42 R 192/02z-29, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 15. Februar 2002, GZ 7 P 29/02m-10, bestätigt wurde, wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Über Antrag der Mutter verpflichtete das Erstgericht den Vater mit einstweiliger Verfügung vom 29. 1. 2002 (ON 6), der Minderjährigen ab 29. 1. 2002 einen vorläufigen monatlichen Unterhalt von EUR 105,40 zu bezahlen.

Mit dem erstangefochtenen Beschluss (42 R 191/02b) gab das Rekursgericht (ua) dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei (wobei es in der gemeinsamen Ausfertigung dieser Entscheidung auch den erstgerichtlichen Beschlusses vom 15. 2. 2002, womit dem Vater vorläufig die Obsorge entzogen worden war, bestätigte).

Den dagegen gerichteten "außerordentlichen Revisionsrekurs" des Vaters, mit dem Antrag den (erst-)angefochtenen Beschluss (soweit er den einstweiligen Unterhalt betrifft), im antragsabweisenden Sinne abzuändern, legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorgangsweise widerspricht der seit In-Kraft-Treten der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle (WGN) 1997 BGBl I 1997/140 geltenden Rechtslage:

Nach § 14 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Falle des § 14a Abs 3 leg cit - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt EUR 20.000 nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen - hier gegebenen - Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 14a Abs 1 und 2 AußStrG einen - binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung beim Erstgericht einzubringenden (§ 14a Abs 2 AußStrG) - Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit dem ordentlichen Revisionsrekurs zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erachtet wird.

Im vorliegenden Fall übersteigt der Entscheidungsgegenstand nicht EUR 20.000. Unterhaltsansprüche sind gemäß § 58 Abs 1 JN mit der dreifachen Jahresleistung zu bewerten. Gegenstand des Rekursverfahrens (betreffend den erstangefochtenen Beschluss) war der - antragsgemäß festgelegte - vorläufige Unterhalt von EUR 105,40; nach der gesetzlichen Berechnungsregel des § 58 Abs 1 JN ergibt die Multiplikation der dreifachen Jahresleistung bei weitem nicht den genannten Schwellenwert für den Revisionsrekurs.

Der Vater hat das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und es als "außerordentlichen Revisionsrekurs" bezeichnet. Dem Revisionsrekurs fehlen die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruches durch das Rekursgericht (§ 14a Abs 1 AußStrG) gestellt werde, sowie Ausführungen darüber, warum der Vater dieses Rechtsmittel - entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts - für zulässig hält. Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage war der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen; sind doch im Streitwertbereich des § 14a AußStrG Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch gemäß § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist (§ 11 Abs 2 AußStrG) nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 16 Abs 2 Z 2 AußStrG idF WGN 1997). Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als "außerordentlicher Revisionsrekurs" bezeichnet und unmittelbar an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist, weil dieser Mangel verbesserungsfähig ist (RIS-Justiz RS0109505 [T22]).

Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Rekursgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, dann wird es einen - mit Fristsetzung verbundenen - Verbesserungsauftrag zu erteilen haben (7 Ob 227/01k mwH; RIS-Justiz RS0109505). Sollte der Rechtsmittelwerber die Verbesserung seines Schriftsatzes im Sinn des § 14a AußStrG verweigern, wäre der Revisionsrekurs gegen den erstangefochtenen Beschluss jedenfalls unzulässig (§ 14 Abs 3 AußStrG; RIS-Justiz RS0113296 [T1]).

Aus diesen Erwägungen war der Akt dem Erstgericht zurückzustellen. Das Erstgericht entzog dem Vater mit Beschluss vom 15. 2. 2002 (ON 10) vorläufig die Obsorge über die Minderjährige und sprach aus, dass die Mutter vorläufig allein obsorgeberechtigt sei. Mit dem zweitangefochtenen Beschluss (42 R 192/02z) bestätigte das Rekursgericht auch diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach der Aktenlage - nachvollziehbare Aussage der Mutter, mit welcher der Inhalt des Polizeiprotokolls übereinstimme, und auch ihr sonst wohl nicht vorgenommener Umzug in das Frauenhaus - sei die vom Erstgericht angenommene Gefährdung der Minderjährigen durch ihren Vater als bescheinigt anzusehen. Angesichts der bescheinigten, vom Vater ausgehenden gewalttätigen Auseinandersetzungen sei es gerechtfertigt, dass die vorläufige Obsorge iSd § 176 ABGB der Mutter übertragen werde. Zum Wohle der Minderjährigen sei daher die getroffene vorläufige Anordnung zu bestätigen und dem dagegen gerichteten Rekurs des Vaters ein Erfolg zu versagen.

Zum "Nachtrag" zum Rekurs des Vaters, wonach das Erstgericht örtlich unzuständig sei, da sich die Mutter mit der Minderjährigen im Frauenhaus in 1160 Wien aufhalte und es unerfindlich sei, woher die von der Mutter in ihrem Antrag angegebene Anschrift 1180 Wien, Staudgasse 35, herrühre, wies das Rekursgericht darauf hin, dass Nachträge zu einem Rekurs nicht zulässig seien. Darüber hinaus habe der Vater in seiner Übernahmebestätigung zum Betretungsverbot als seine Abgabestelle die Anschrift 1190 Wien, Obersteinergasse 18 (Milleniumseniorenheim) angegeben. Das Erstgericht als angerufenes Gericht sei daher im Provisorialverfahren örtlich zuständig, wobei sich der Vater in dieses Verfahren auch eingelassen habe. Auch wenn Nichtigkeitsgründe von Amts wegen aufzugreifen seien, müsse die unprorogable Unzuständigkeit (§ 477 Abs 1 Z 3 ZPO) rechtzeitig, d.h. schon mit Erhebung des Rechtsmittels und nicht erst im Nachtrag gerügt werden. Diesem Rekurs sei daher ebenfalls ein Erfolg zu versagen; das Erstgericht werde jedoch im weiteren Verfahren nach Abschluss des Provisorialverfahrens seine Zuständigkeit zu prüfen haben.

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.

Derartiges hat der Vater in seinem Revisionsrekurs nicht einmal behauptet; beruft er sich doch lediglich darauf, dass dem Erstgericht die örtliche Zuständigkeit fehle, weil der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in der gemeinsamen Ehewohnung der Eltern in Wien 3 gelegen sei, und dass es nicht angehen könne, dass die Mutter eine eigenmächtige Aufenthaltsverlegung in das Frauenhaus (egal ob im 16. oder 18. Bezirk) in einem anderen Gerichtssprengel vornehme und vom dortigen Gericht einstweilen die Obsorge übertragen erhalte, um dann rechtmäßig den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Es wird somit gar nicht in Zweifel gezogen, dass das Rekursgericht im Sinne der ständigen Rechtsprechung entschieden hat, wenn es die vorläufige Obsorgeentziehung bestätigte.

Aber auch was die Zuständigkeitsfrage betrifft, vermag der Rechtsmittelwerber nicht aufzuzeigen, worin im konkreten Fall eine Rechtsfrage von der in § 14 Abs 1 AußStrG genannten Bedeutung liegen soll. Eine vom Rekursgericht verneinte Nichtigkeit der Entscheidung erster Instanz - die der Rechtsmittelwerber hier darin erblickt, dass für das angerufene Gericht für das Pflegschaftsverfahren nicht zuständig sei (§ 477 Abs 1 Z 3 ZPO) - kann nämlich nach ständiger Rechtsprechung auch im außerstreitigen Verfahren im Revisionsrekurs nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0007232; 1 Ob 264/01g mwN; 6 Ob 227/01b; zuletzt: 2 Ob 46/02g).

Mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen ist der Revisionsrekurs gegen die zweitangefochtene Entscheidung daher unzulässig.

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