Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ab 1. 1. 2002 eine Entschädigung für Kriegsgefangene im Betrag von monatlich 21,80 EUR zu zahlen.
Das Mehrbegehren auf Gewährung einer Kriegsgefangenenentschädigung im gesetzlichen Ausmaß im Zeitraum vom 1. 1. 2001 bis 31. 12. 2001 wird abgewiesen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 333,12 EUR (darin 55,52 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 2. 11. 1936 in Prigrevica in der Vojvodina (im heutigen Serbien) geborene Klägerin, die der deutschen Gruppe der Donauschwaben angehörte, wurde am 15. 3. 1945 gemeinsam mit den übrigen Angehörigen der deutschen Volksgruppe von Partisanen festgenommen. Die Klägerin wurde zunächst in einem Lager in Philipowo und anschließend in Gakovo in Jugoslawien interniert. Dabei wurde die Klägerin zu verschiedenen Arbeiten wie etwa zum Transport von Brennmaterial herangezogen. Nach ihrer Flucht aus dem Lager Anfang Mai 1947 gelangte sie nach Österreich, wo ihr im Jahr 1957 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde. Die Klägerin stellte am 12. 3. 2001 bei der beklagten Partei den Antrag auf Gewährung der Kriegsgefangenenentschädigung. Mit Bescheid vom 14. 3. 2001 lehnte die beklagte Partei diesen Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht - wie vom Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (KGEG) in der Fassung Art 70 des Budgetbegleitgesetzes 2001 (BGBl I 2000/142) gefordert - während der Besetzung Österreichs durch die Alliierten Mächte von einer ausländischen Macht aus politischen oder militärischen Gründen in Österreich festgenommen und in mittelost- oder osteuropäischen Staaten angehalten worden.
Das Erstgericht wies das von der Klägerin gegen diesen Bescheid erhobene und auf die Gewährung der beantragten Leistung ab dem 1. 1. 2001 gerichtete Klagebegehren ab, weil die Klägerin nicht zu dem in § 1 KGEG näher umschriebenen anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes an. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
§ 1 des im Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 2000/142, als Art 70 enthaltenen Bundesgesetzes, mit dem eine Entschädigung für Kriegsgefangene eingeführt wird (Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz - KGEG), lautete in der Stammfassung wie folgt:
"§ 1. Österreichische Staatsbürger, die
1. im Verlauf des Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft mittelost- oder osteuropäischer Staaten (wie Albaniens, Bulgariens, Polens, der ehemaligen Sowjetunion, Rumäniens, der ehemaligen Tschechoslowakei, des ehemaligen Jugoslawiens) gerieten, oder
2. während der Besetzung Österreichs durch die Alliierten Mächte von einer ausländischen Macht aus politischen oder militärischen Gründen in Österreich festgenommen und durch mittelost- oder osteuropäische Staaten angehalten wurden, oder
3. sich aufgrund politischer Verfolgung oder drohender politischer Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947, außerhalb des Gebietes der Republik Österreich befanden und aus den in Z 2 angeführten Gründen von einer ausländischen Macht festgenommen und nach Beginn des Zweiten Weltkrieges durch mittelost- oder osteuropäische Staaten angehalten wurden,
haben Anspruch auf eine Leistung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes."
Wie schon die Vorinstanzen darstellten, fällt die Zivilinternierung der Klägerin bei wörtlicher Auslegung der Bestimmung nicht unter eine der drei aufgezählten Alternativen des § 1 KGEG idF BGBl I 2000/142, insbesondere nicht unter den Begriff der Kriegsgefangenschaft, mag die Klägerin auch unter vergleichbaren, wenn nicht schlechteren Bedingungen angehalten worden sein wie Kriegsgefangene. Im Hinblick auf den klaren Gesetzeswortlaut und die Gesetzesmaterialien, aus denen eine bewusst enge Abgrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises hervorgeht, versagt auch eine Ausdehnung des Begriffs durch Analogie. Dass zivilinternierte Personen, die - wie die Klägerin - außerhalb Österreichs festgenommen wurden, nach dem Willen des Gesetzgebers ursprünglich nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis des § 1 KGEG gehörten, zeigt auch der Umstand, dass sich der Gesetzgeber mittlerweile veranlasst sah, diese Personengruppe in den Kreis der anspruchsberechtigten Personen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz einzubeziehen (vgl Erläuternde Bemerkungen zur RV 944 BlgNR XXI. GP 2). Der Gesetzgeber hat § 1 KGEG durch das Bundesgesetz BGBl I 2002/40 dahin novelliert, dass § 1 (Personenkreis) seit 1. 1. 2002 lautet:
"§ 1. Österreichische Staatsbürger, die
1. im Verlauf des Ersten oder Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft gerieten, oder
2. im Verlauf des Zweiten Weltkrieges oder während der Besetzung Österreichs durch die Alliierten Mächte von einer ausländischen Macht aus politischen oder militärischen Gründen festgenommen und angehalten wurden, oder
3. sich aufgrund politischer Verfolgung oder drohender politischer Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes (BGBl Nr 183/1947) außerhalb des Gebietes der Republik Österreich befanden und aus den in Z 2 angeführten Gründen von einer ausländischen Macht festgenommen und nach Beginn des Zweiten Weltkrieges angehalten wurden, haben Anspruch auf eine Leistung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes."
Nach den bereits erwähnten maßgebenden Erläuternden Bemerkungen zur RV 944 BlgNR XXI. GP 3 sollen durch die vorgesehene Gesetzesänderung auch Kriegsgefangene der Westalliierten, zivilinternierte Personen, die außerhalb Österreichs festgenommen wurden, sowie Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, einen Entschädigungsanspruch nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz erhalten.
Die ursprünglich (bis 31. 12. 2001) in § 1 Z 1 KGEG vorgesehene Differenzierung zwischen Kriegsgefangenen der mittelost- und osteuropäischen Staaten einerseits und Kriegsgefangenen der Westalliierten andererseits wurde zwischenzeitig zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit an den Verfassungsgerichtshof herangetragen. In seinem Erkenntnis vom 8. 3. 2002, G 308, 312/01, wies der Verfassungsgerichtshof die entsprechenden Gesetzesprüfungsanträge des Oberlandesgerichtes Innsbruck ab. Der Gerichtshof führte im Wesentlichen aus, dem Gesetzgeber komme in der Frage, in welchem Umfang er die unterschiedlichen Erscheinungsformen kriegs- und verfolgungsbedingter Haft und Anhaltung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg als entschädigungswürdig erachte, ein weiter - letztlich wohl auch von politischen Bewertungen geprägter - Beurteilungsspielraum zu. In welchem Ausmaß die der zur Prüfung gestellten Entschädigungsregelung allenfalls zugrundeliegende politische Bewertung geteilt werde, sei jedenfalls keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm. Es könne dem Gesetzgeber daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er vorweg - mit Blick auf die Entschädigung für die Sklaven- und Zwangsarbeit des nationalsozialistischen Regimes (vgl hiezu AB 255 BlgNR 21. GP, Allgemeiner Teil, zum Versöhnungsfonds-Gesetz) - nur jenen Kriegsgefangenen eine Entschädigung zukommen lassen wollte, die typischerweise unter vergleichbaren menschenunwürdigen Bedingungen angehalten worden seien. Es lasse sich auch nicht sagen, dass der Gesetzgeber die historischen Gegebenheiten grob verkannt hätte, wenn er davon ausgegangen sei, dass eine derartige Vergleichbarkeit in erster Linie bei den ehemaligen Kriegsgefangenen der ost- und mittelosteuropäischen Staaten bestehe. Für welchen Zeitraum es dem Gesetzgeber unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten gestattet wäre, eine Begünstigung der hier zu beurteilenden Art für bloß eine Gruppe der ehemaligen Kriegsgefangenen zu gewähren, müsse aus Anlass dieses Verfahrens nicht abschließend geklärt werden, weil mittlerweile die Entschädigungszahlungen mit Wirkung vom 1. 1. 2002 auf alle Kriegsgefangenen ausgeweitet worden seien und der Gesetzgeber durch diese Art der stufenweisen Einführung seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum keinesfalls überschritten habe. Es begegne daher auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber eine Regelung getroffen habe, die - ohne Bedachtnahme auf die besonderen Bedingungen der Anhaltungen in jedem Einzelfall - nur daran anknüpfe, von welchem Staat der Betroffene als Kriegsgefangener angehalten worden sei, weil es nämlich mit dem Gleichheitssatz vereinbar sei, wenn der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehe und dabei auch eine pauschalierende Regelung treffe. Es werde ein solches Gesetz nicht schon deshalb gleichheitswidrig, weil dabei Härtefälle entstünden. Aus dieser durch den Verfassungsgerichtshof vorgenommenen Beurteilung, wonach dem Gesetzgeber in der Frage, in welchem Umfang er die unterschiedlichen Erscheinungsformen kriegs- und verfolgungsbedingter Haft und Anhaltung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg als entschädigungswürdig erachtet, ein weiter - letztlich auch von politischen Bewertungen geprägter - Beurteilungsspielraum zukommt, folgt, dass auch die bis 31. 12. 2001 bestandene Differenzierung zwischen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten keinen Bedenken hinsichtlich ihrer Verfassungsgemäßheit begegnet.
Im Sinne der dargelegten Ausführungen ist somit ein Anspruch der Klägerin auf Kriegsgefangenenentschädigung für den Zeitraum bis 31. 12. 2001 zu verneinen, während die Klägerin ab 1. 1. 2002 unter den anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 1 Z 2 KGEG idF BGBl I 2002/40 fällt. Die Klägerin wurde nämlich im Verlauf des Zweiten Weltkrieges von jugoslawischen Partisanen aus politischen Gründen (wegen ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe) festgenommen und angehalten. Das Gesetz lässt nicht erkennen, dass die Festnahme und Anhaltung durch formelle rechtsstaatliche Akte einer Staatsgewalt erfolgt sein muss. Voraussetzung ist lediglich, dass die Festnahme und Anhaltung im Verlauf des Zweiten Weltkrieges oder während der Zeit der Besetzung Österreichs durch die Alliierten Mächte von einer "ausländischen Macht" aus politischen oder militärischen Gründen erfolgt ist. Damit sind aber nicht nur Festnahmen und Anhaltungen durch fremde Staaten, sondern auch durch Organisationen von Partisanen, Aufständischen udgl erfasst (vgl dazu die Ausführungen von Marschall, Historische Haftzeiten als Ersatzzeiten 14 f in Tomandl [Hrsg], Wiener Beiträge zum Arbeits- und Sozialrecht Band 14 zum Begriff der "Freiheitsbeschränkung" in § 228 Abs 1 Z 4 ASVG). Es wäre im Sinne des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes auch höchst bedenklich, wenn man privilegierte und diskriminierte Gruppen von Betroffenen schüfe, indem man darauf abstellt, ob der Betreffende von jugoslawischen Partisanen oder von regulären russischen Truppen festgenommen und angehalten wurde. Es ist daher nicht entscheidungswesentlich, ob den Partisanen, die die Klägerin festgenommen haben, völkerrechtlich der Status von Kombattanten im Sinne der Haager Landkriegsordnung zukommt.
Nach der ständigen Rechtsprechung hat das Rechtsmittelgericht auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis anzuwenden sind (Kodek in Rechberger, ZPO² Rz 11 zu § 482 mwN uva; RIS-Justiz RS0031419). Insbesondere sind Änderungen des zwingenden Rechts, sofern nicht Übergangsrecht etwas anderes bestimmt, vom Rechtsmittelgericht ohne weiteres von Amts wegen seiner Entscheidung zugrundezulegen, auch wenn der zur beurteilende Sachverhalt bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht wurde (SZ 71/89; SZ 69/238 ua; RIS-Justiz RS0106868).
Nach § 23 Abs 3 KGEG tritt § 1 KGEG idF des Bundesgesetzes BGBl I 2002/40 mit 1. 1. 2002 in Kraft. Nach § 21 KGEG gebühren Leistungen nach dem KGEG frühestens mit dem Inkrafttreten. Gemäß § 21a KGEG idF der Z 3 BGBl I 2002/40 ist die Leistung nach diesem Bundesgesetz, wenn die durch die Novelle (BGBl I 2002/40) begünstigten Personen bis zum 31. 12. 2002 einen Antrag stellen, bei Vorliegen der Voraussetzungen frühestens ab 1. 1. 2002 zu erbringen. Dies gilt auch für Anträge, die vor dem 1. 1. 2002 eingebracht wurden, unabhängig davon, ob über sie bereits rechtskräftig entschieden wurde oder nicht.
Der Klägerin, die nach den Feststellungen von März 1945 bis Anfang Mai 1947 interniert war, gebührt daher ab 1. 1. 2002 eine monatliche Geldleistung in Höhe von 21,80 EUR (§ 4 Abs 1 KGEG), weil ihre Gefangenschaft mindestens zwei Jahre, aber weniger als vier Jahre andauerte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
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