OGH 5Ob127/02s

OGH5Ob127/02s28.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Suayip Ö*****, vertreten durch Robert Knoll, Mietervereinigung Österreichs, Bezirksorganisation Landstraße, Erdbergstraße 16-22, 1030 Wien, gegen die Antragsgegner 1.) Mag. Dr. Werner H*****, 2.) Mag. Barbara H*****, 3.) Brigitte M*****, vertreten durch Dr. Günter Schandor, Rechtsanwalt in Wien, 4.) Seki Türk Y*****, wegen § 37 Abs 1 Z 14 MRG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Jänner 2002, GZ 38 R 171/01f-32, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. Juni 2001, GZ 44 Msch 3/00w-27, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller begehrte von den vier Antragsgegnern die Rückzahlung des von ihm anlässlich des Mietvertragsabschlusses bezahlten Betrages von S 400.000,--, dem keine gleichwertige Gegenleistung entspreche.

Die Schlichtungsstelle verpflichtete die Drittantragsgegnerin zur Rückzahlung dieses Betrages und wies das gegen Erst-, Zweit- und Viertantragsgegner gerichtete Begehren ab. Die Drittantragsgegnerin beantragte daraufhin die Entscheidung des Gerichtes. Das Erstgericht verpflichtete die Drittantragsgegnerin zur Bezahlung von S 5.000,-- sA (Vertragserrichtungskosten) an den Antragsteller, während es das Mehrbegehren von S 395.000,-- sA abwies. Das Beweisverfahren habe ergeben, dass der (als Zeuge bezeichnete) Viertantragsgegner vom Antragsteller S 400.000,-- erhalten habe, wovon aber nur S 48.000,-- an die Drittantragsgegnerin weitergeleitet worden sei. Diese S 48.000,-- seien aber nicht für die Drittantragsgegnerin (Hausverwaltung) bestimmt gewesen, sondern für die Vermieter (Erst- und Zweitantragsgegner) und habe die Drittantragsgegnerin diesen Betrag auch an diese weitergeleitet. Zwar stelle die Bezahlung des Betrages von S 48.000,-- eine verbotene Ablöse dar, doch könne dieser Betrag nicht von der Drittantragsgegnerin zurückverlangt werden, während hinsichtlich der rückzahlungsverpflichteten Vermieter das Verfahren bereits rechtskräftig beendet sei. Hinsichtlich des Restbetrages von S 352.000,-- habe der Viertantragsgegner eine verbotene Ablöse erlangt, doch sei auch das Verfahren gegen diesen rechtskräftig beendet. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte ua aus, das Gericht sei ausschließlich von der (damaligen) Drittantragsgegnerin mit dem Antrag angerufen worden, die Entscheidung der Schlichtungsstelle, soweit sie die Drittantragsgegnerin betreffe, aufzuheben, und den Antrag auch gegen die Drittantragsgegnerin abzuweisen. Damit sei die Entscheidung der Schlichtungsstelle gegen die (damalige) Drittantragsgegnerin in diesem Umfang außer Kraft getreten und Gegenstand des Verfahrens vor dem Erstgericht. Hingegen sei die Sache hinsichtlich der damaligen Erst-, Zweit- und Viertantragsgegner bereits abschließend (abweislich) erledigt, ohne dass der Antragsteller dagegen die Entscheidung des Gerichtes begehrt hätte. Abschließend erledigte Streitpunkte könnten aber nicht neu aufgerollt werden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage vorliege, ob die zu MietSlg 49.336 vertretene Rechtsauffassung auch für den hier vorliegenden Fall vertreten werden könne, dass ausdrücklich spruchmäßig Teilabweisungen erfolgt seien, welche Rechtsansicht vom Rekursgericht nicht vertreten werde.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, "die Rekursabweisung durch das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien abzuweisen". Die Drittantragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, die Rekursentscheidung zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des darin implicite auch enthaltenen Aufhebungsantrages auch berechtigt. Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle sei hinsichtlich aller Antragsgegner auf das Gericht übergegangen; insbesondere der Viertantragsgegner wäre dem Verfahren als Partei beizuziehen gewesen.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 40 Abs 1 MRG kann die Partei, die sich mit der Entscheidung der Gemeinde (Schlichtungsstelle) nicht zufrieden gibt, die Sache bei Gericht anhängig machen; durch die Anrufung des Gerichtes tritt die Entscheidung der Gemeinde (Schlichtungsstelle) außer Kraft. Im Zweifel wird damit das gesamte bei der Schlichtungsstelle anhängige Verfahren bei Gericht anhängig; nur ausnahmsweise, bei ausdrücklicher Abziehung nur eines Teiles des Antrages oder aber bei ihrem Wesen nach voneinander unabhängigen Anträgen kommt eine Teilabziehung - und damit eine Teilrechtskraft der Schlichtungsstellenentscheidung - in Betracht (5 Ob 190/98x = MietSlg 50.513 = WoBl 1999/123; 5 Ob 185/99p = MietSlg 52.483 = WoBl 2001/113; RIS-Justiz RS0111174; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 40 MRG Rz 1; Mohr in Hausmann/Vonkilch § 40 MRG Rz 9 mwN). Wird von mehreren Antragsgegnern gemäß § 27 MRG die Rückzahlung eines Gesamtbetrages begehrt, von dem noch nicht feststeht, welcher Antragsgegner mit welchem Teilbetrag hiefür einzustehen hat, so geht die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle hinsichtlich aller Antragsgegner auf das Gericht über, wenn auch nur einer der Antragsgegner das Gericht

anruft (5 Ob 4/97t = MietSlg 49.336 = WoBl 1998/240 [Klicka]; 5 Ob

185/99p = MietSlg 52.483 = WoBl 2001/113 [auch dieses Verfahren

betraf entgegen der Darstellung des Rekursgerichtes ua eine Ablöserückforderung]; RIS-Justiz RS0106944). Ob die Schlichtungsstelle - wie im Fall von 5 Ob 4/97t - hinsichtlich der übrigen Antragsgegner noch gar keine Entscheidung gefällt hat oder - wie hier - schon, macht hiebei keinen Unterschied, weil es bei (grundsätzlich) vollständigem Zuständigkeitsübergang auch zu keiner Teilrechtskraft der Entscheidung der Schlichtungsstelle kommt. In der Fachliteratur wurde an der Entscheidung 5 Ob 4/97t Kritik geübt (Klicka zu WoBl 1998/240 und WoBl 1999/143; Mohr aaO Rz 10; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch § 27 MRG Rz 65). Auch wenn es sich bei mehreren auf Rückzahlung einer Ablöse in Anspruch genommenen Personen - mangels notwendigerweise gleichlautenden Entscheidungen gegen alle Parteien - nicht um eine einheitliche Streitpartei handelt, zwingt dies aber nicht dazu, von der Grundregel, dass das Verfahren durch die Anrufung des Gerichtes gemäß § 40 Abs 1 MRG zur Gänze bei Gericht anhängig wird, so wie es zuvor bei der Schlichtungsstelle anhängig war, eine Ausnahme zu machen. Wird von mehreren Antragsgegnern die Rückzahlung eines Ablösegesamtbetrages begehrt, von dem noch nicht feststeht, welcher Antragsgegner hiefür mit welchem Teilbetrag haftet, so handelt es sich eben nicht um "ihrem Wesen nach" voneinander vollständig unabhängige Anträge, die eine Teilabziehung erlauben würden.

Diese Lösung wird nach Ansicht des erkennenden Senates auch der Absicht des Gesetzgebers des 2. WÄG gerecht, der die Geltendmachung von Ansprüchen auf Rückzahlung der nach § 27 MRG verbotenen Leistungen und Entgelte nicht zuletzt deshalb in das außerstreitige Mietrechtsverfahren verwiesen hat (§ 37 Abs 1 Z 14 MRG), um bei mehreren alternativ in Betracht kommenden Empfängern der verbotenen Ablöse das Risiko des antragstellenden Mieters zu verringern, durch die Inanspruchnahme einer tatsächlich nicht legitimierten Person einen Nachteil zu erleiden. Statt jede einzelne in Betracht kommende Person klagen und Prozessverluste durch (Teil-)Abweisungen seiner Begehren hinnehmen zu müssen, sollte der Mieter durch die Neuregelung in die Lage versetzt werden, seinen Gesamtanspruch in einem Verfahren alternativ gegen alle möglichen Empfänger der verbotenen Ablöse geltend zu machen (5 Ob 189/98z = MietSlg 50.382 = WoBl 1999/143 [Klicka]; vgl Würth/Zingher, Wohnrecht 91, § 37 MRG Anm 2). In diesem Sinne soll auch die gerichtliche Prüfung hinsichtlich aller möglicherweise passiv legitimierten Personen erfolgen, selbst wenn sich nur eine von ihnen mit der Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht zufrieden gibt. Damit wird - wohl im Einklang mit den Intentionen des Gesetzgebers des 2. WÄG - das Aufstellen einer "Falle" vermieden, wie sie sich im vorliegenden, insoweit sehr illustrativen Fall aus der Rechtsansicht der Vorinstanzen ergeben würde. Ein (anwaltlich nicht vertretener) Mieter wird nämlich in der Regel nicht leicht darauf verfallen, vorsorglich selbst das Gericht anzurufen, obwohl er eben vor der Schlichtungsstelle ohnehin einen Vollsieg (wenn auch nur gegen einen von mehreren Antragsgegnern) errungen hat.

Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlasst, von seiner in 5 Ob 4/97t vertretenen Rechtsansicht wieder abzugehen. Das Erstgericht hätte somit alle Antragsgegner als solche in sein Verfahren einbeziehen müssen. Da dies unterblieben ist, war die Rechtssache unter Aufhebung der vorinstanzlichen Sachbeschlüsse an das Erstgericht zurückzuverweisen.

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