OGH 10ObS72/02i

OGH10ObS72/02i19.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Thomas Keppert (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Günther Degolt (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Richard René Z*****, Betriebselektriker, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. November 2001, GZ 8 Rs 199/01 y-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. August 2001, GZ 25 Cgs 24/00g-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 24. 6. 1946 geborene Kläger hat eine Betriebselektrikerlehre abgeschlossen. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. 6. 1999) war der Kläger überwiegend als Elektromonteur beschäftigt. Bei Elektromonteuren handelt es sich um Absolventen der dreieinhalbjährigen Lehrausbildung zum Elektroinstallateur oder zu verwandten Lehrberufen (Betriebselektriker, Elektroinstallateur, Starkstrommonteur, Elektromechaniker, Elektromaschinenbauer). Die Tätigkeit von Elektromonteuren umfasst die Errichtung, Installation, Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur von elektrischen Anlagen sowie von Elektromaschinen, elektrischen Geräten und Stromleitungen, die der Erzeugung, Verteilung und Anwendung von elektrischem Strom dienen.

Elektromonteure werden in der Regel von Stromversorgungsunternehmen beschäftigt. Die Arbeitskräfte sind in unterschiedlichen Bereichen wie im Bau von Erdkabeln, Baustromverteilern, Leitungswegen und Installationskanälen sowie von Energieerzeugungsanlagen (Generatoren, Transformatoren, Drosselspulen von Hoch- und Niederspannungsschaltanlagen sowie Hilfseinrichtungen wie Pumpen, Kompressoren etc) eingesetzt. Weiters arbeiten sie an Energieverteilungsanlagen (zB Schaltanlagen, Hochleistungsschalter) und Hochspannungs- und Installationsanlagen (zB Verteilerschränke, Verteilertafeln, E-Heizgeräte, Belüftungsanlagen, Pumpen, Heißwasserhitzer und dergleichen). Auch Sonderinstallationsanlagen (Personen- und Lastenaufzüge, Rolltreppen, Förderbänder, elektrische Produktionsanlagen), Blitzschutzanlagen und Antennenanlagen gehören zu ihrem Aufgabenbereich.

Im Bereich der Montage zeichnen Elektromonteure Leitungs- und Schaltpläne und erstellen Stücklisten, sofern diese nicht durch Planstellen gezeichnet und erstellt werden, stellen Material und Werkzeug bereit, transportieren alles zur Bau-/Montagestelle und richten diese ein. Sie installieren Stromleitungen, wobei gegebenenfalls auch Stemm- und Verputzarbeiten durchgeführt werden, errichten und warten Freileitungen und Erdkabelleitungen, montieren elektrische Maschinen, Geräte und Schaltkästen und schließen diese an. Zudem installieren sie Beleuchtungseinrichtungen, Mess-, Steuer-, Regel-, Erdungs-, Blitzschutzanlagen und dergleichen. Im Rahmen der Wartung und Reparatur zerlegen sie Geräte und Anlage, diagnostizieren Fehler, wechseln defekte Teile aus, wobei sie diese zum Teil selbst anfertigen, bauen Geräte und Anlagen wieder zusammen und überprüfen deren Funktionstüchtigkeit und Betriebssicherheit.

Der Kläger ist nicht mehr in der Lage, allen Anforderungen, die an einen Elektromonteur gestellt werden, gerecht zu werden. Das dem Kläger verbliebene Leistungskalkül übersteigt jedoch nicht die Anforderungen, die an Fachmarktberater im Elektrobereich gestellt werden. Hierbei handelt es sich entweder um kaufmännische oder um handwerklich ausgebildete Arbeitskräfte (beispielsweise auch um Elektroinstallateure), wobei letztere in durchschnittlich drei Monaten innerbetrieblich in das Bestell- und Lagerwesen, die interne Organisation sowie im Bereich der EDV-Anwendung eingeschult werden. Diese Arbeitskräfte werden in Baumärkten bzw speziellen Fachmärkten mit entsprechenden Abteilungen beschäftigt. Der Hauptaufgabenbereich liegt in der Beratung und im Verkauf der im Markt bzw der Abteilung (Elektroabteilung) angebotenen Waren und Artikel, wie verschiedenste Deckenleuchten, Stehlampen, Glühbirnen, Transformatoren, Sicherungen, Steckdosen, Kabel und dergleichen. Fachmarktberater haben aber auch Kommissionierungsarbeiten durchzuführen und die gelieferten Waren und Artikel fachgerecht zu lagern. Hierbei stehen Hebehilfen bzw Hubstapler zur Verfügung. Sie haben ihren Verkaufsbereich zu betreuen und dafür Sorge zu tragen, dass immer genügend Waren in den Regalen und Stellagen vorhanden sind. Nötigenfalls haben sie die erforderlichen Bestellungen (telefonisch oder schriftlich) durchzuführen. Weiters haben Fachmarktberater den Kunden beim Kauf Auskünfte zu erteilen und Hilfestellungen zu leisten sowie Beratungen durchzuführen. Zudem sind sie für Kundenreklamationen zuständig. In ihrer sozialen Wertigkeit ist die Tätigkeit eines Fachmarktberaters der bisherigen Berufsarbeit des Klägers gleichzuhalten.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 12. 11. 1999 wurde der Antrag des Klägers vom 19. 5. 1999 auf Zuerkennung der Invaliditätspension mangels Invalidität abgelehnt.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Zahlung der Invaliditätspension ab dem Stichtag 1. 6. 1999 gerichtete Klagebegehren ab. Unter Bedachtnahme auf den ihm zustehenden Berufsschutz sei der Kläger auf die Tätigkeiten eines Fachmarktberaters im Elektrobereich und eines Prüffeldtechnikers in der Elektro-/Elektronikindustrie verweisbar.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es verneinte die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens, übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und sah die Rechtsrüge als unbegründet an. Nach der ständigen Rechtsprechung könne ein gelernter Handwerker auf den Beruf eines Fachmarktberaters in der jeweiligen Branche verwiesen werden, zumal die durch die handwerkliche Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ein Anstellungs- und Ausübungskriterium des Verweisungsberufes bildeten und qualifizierte Facharbeiter auch tatsächlich als Kunden- und Verkaufsberater in Baumärkten Verwendung fänden. Der Wechsel eines qualifizierten Facharbeiters in eine Angestelltentätigkeit führe zu keinem Verlust des Berufsschutzes, wenn eine entsprechende Nahebeziehung zum bisher ausgeübten Beruf bestehe. Es bedürfe keiner näheren Erörterung, dass Beratungs- und Verkaufstätigkeiten von einem über eine abgeschlossene Berufsausbildung und mehrere Jahre Berufserfahrung verfügenden Elektromonteur in besonders qualifizierter Weise ausgeübt werden könnten. Die für die Tätigkeit erforderlichen kaufmännischen Kenntnisse könnten im Rahmen einer dreimonatigen Einschulung erworben werden, sodass auch insoweit kein Verweisungshindernis bestehe. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die in der Berufung nicht geltend gemacht worden waren, können im Revisionsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden. Dies gilt auch in sozialgerichtlichen Verfahren (SSV-NF 5/120; RIS-Justiz RS0043111).

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Die von den Vorinstanzen bejahte Verweisung des Klägers, dem Berufsschutz zukommt, auf die Tätigkeit eines Fachmarktberaters im Elektrobereich entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach gelernte Handwerker auf den Beruf eines Fachmarktberaters/Fachmarktverkäufers in der jeweiligen Branche verwiesen werden können. So wurde etwa die grundsätzliche Verweisbarkeit eines Tischlers auf Wohn- und Verkaufsberater in Einrichtungshäusern (SSV-NF 10/58; 10 ObS 76/98v; 10 ObS 258/98h), eines Maurers auf den Beruf eines Fachmarktberaters/Fachmarktverkäufers (SSV-NF 12/25, 12/139, 10 ObS 158/00h ua, jüngst 10 ObS 344/01p), eines Malers und Anstreichers auf den Beruf eines Fachberaters in einem Baumarkt (10 ObS 90/00h), eines Karosseurs auf die Tätigkeit eines Kundendienstberaters (SSV-NF 8/84), eines gelernten Installateurs auf die Tätigkeit eines Fachberaters/Verkaufsberaters für den Installationsbedarf in Groß- und Baumärkten (10 ObS 2339/96k; 10 ObS 369/97f) oder einer Fotolaborantin auf die Tätigkeit einer Kundenberaterin in Fotofachgeschäften (10 ObS 417/98s) ausdrücklich bejaht. Begründet wurde diese Rechtsauffassung vor allem damit, dass die handwerkliche Ausbildung und die dabei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ein Anstellungs- und Ausübungskriterium des Verweisungsberufes bilden und diese qualifizierten Facharbeiter als Kunden- und Verkaufsberater in Groß- und Baumärkten auch tatsächlich Verwendung finden. Auch wenn es sich bei der Verweisungstätigkeit um eine Angestelltentätigkeit handelt, wird diese doch wesentlich vom erlernten Handwerksberuf mitbestimmt, sodass es zu keinem Verlust des Berufsschutzes kommt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine solche Nahebeziehung des ausgeübten Berufes zu dem genannten Verweisungsberuf auch im vorliegenden Fall gegeben, weil nach den Feststellungen als Fachmarktberater im Elektrobereich neben kaufmännisch ausgebildeten Arbeitskräften in der Praxis auch handwerklich ausgebildete Arbeitskräfte verwendet werden. Die Verweisung erfolgt keineswegs auf einen "völlig fremden Beruf". Dass auch die Notwendigkeit einer betriebsinternen Einschulung eines qualifizierten Facharbeiters in die Tätigkeit als Fachmarktberater kein Verweisungshindernis darstellt, wurde ebenfalls bereits mehrfach ausgesprochen (vgl SSV-NF 12/25; 10 ObS 417/98s ua).

Die Revisionsausführungen machen keine neuen Gesichtspunkte geltend, die den erkennenden Senat veranlassen könnten, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen, dies auch nicht im Zusammenhang mit der Änderung der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Berufsausbildung im Lehrberuf Einzelhandel (Einzelhandel-Ausbildungsordnung, BGBl II 2000/186) und der Schaffung des Schwerpunkts "Baustoffhandel" im Lehrberuf Einzelhandel (10 ObS 365/01a und 10 ObS 397/01g).

Kann ein Versicherter eine Verweisungstätigkeit ausüben, ist eine Prüfung, ob weitere Verweisungstätigkeiten möglich sind, nicht mehr erforderlich (RIS-Justiz RS0084983). Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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