OGH 6Ob29/02m

OGH6Ob29/02m14.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rainer S*****, vertreten durch Mag. Martin Mennel, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Richard R*****, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 11.027,86 EUR (151.746,61 S), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. November 2001, GZ 1 R 194/01s-13, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 21. Juni 2001, GZ 6 Cg 85/01i-9, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger betrieb mit einem Partner eine Gastwirtschaft. Das Unternehmen wurde im Jahr 1995 vom Beklagten und einer Partnerin übernommen. Die Übernehmer verpflichteten sich zur Erfüllung des bestehenden Getränkebezugsvertrages, kamen dieser Verpflichtung allerdings nicht nach. Der Getränkelieferant klagte seine Vertragspartner, also den Kläger und seinen Partner auf Leistung aus dem Getränkebezugsvertrag. Am 21. 5. 1997 wurde ein Vergleich über die Zahlung von 330.000 S geschlossen (5 Cg 98/97k des LG Feldkirch). Im Wege der Lohnexekution bezahlte der Kläger 175.548,47 S, sein Partner 3.076,92 S an den Gläubiger.

In einem weiteren Rechtsstreit zwischen dem Kläger als Übergeber und dem Beklagten als Übernehmer der Gastwirtschaft wurde mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 29. 6. 2000, 6 Cg 26/99g-51, teilweise abgeändert durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 30. 1. 2001, 5 R 3/01g-69, einerseits festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die vom Kläger dem Getränkelieferanten geleisteten Zahlungen von 330.000 S zu ersetzen; andererseits der Beklagte zur Zahlung von 175.548,47 S an den Kläger und weiters zur Zahlung von 151.746,61 S an den Getränkelieferanten verurteilt. Mit der am 6. 4. 2001 eingebrachten Klage begehrt der Kläger Zahlung von 151.746,61 S. Er habe sich mit dem Getränkelieferanten geeinigt und weitere 130.000 S bezahlt (offenkundig gegen Verzicht auf die restliche Forderung aus dem Vergleich). Im Gegenzug sei dem Kläger die Forderung des Gläubigers aus dem Getränkebezugsvertrag sowie aus dem Verfahren 5 Cg 98/97k des LG Feldkirch abgetreten worden. Der Beklagte habe nunmehr nur an den Kläger zu leisten. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er erhob die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache. Über den Anspruch sei im Vorprozess schon entschieden worden. Dem Kläger fehle ein Rechtschutzbedürfnis an der Klageführung. Diese sei schikanös. Die Forderung des Klägers wäre im Wege des § 9 EO exequierbar gewesen. Die Klageforderung sei verjährt. Der Kläger könne höchstens 130.000 S fordern, weil er nicht mehr bezahlt habe.

Der Kläger replizierte, dass die Klageführung deswegen notwendig sei, damit er einen Titel auf Zahlung an sich selbst erhalte. Er stellte das Eventualbegehren auf Feststellung, dass der Beklagte schuldig sei, 151.746,61 S nicht an den Gläubiger, sondern nunmehr an den Kläger zu bezahlen.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren und das Eventualbegehren ab. Ein gegen den Erfüllungsübernehmer erwirktes Urteil auf Zahlung der Schuld an den Gläubiger sei nach den Bestimmungen der EO zu vollstrecken. Es liege ein Exekutionstitel vor. Wegen der Zahlung des Klägers sei es zu keinem Forderungsübergang gekommen. Es bedürfe keines neuen Exekutionstitels. Der Forderungsübergang hätte durch eine entsprechende öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden können. Beim Eventualbegehren handle es sich inhaltlich um eine Ergänzungsklage gemäß § 10 EO. Eine solche sei abzuweisen, wenn der nach den §§ 7 bis 9 EO geforderte urkundliche Nachweis tatsächlich erbracht hätte werden können. Dies sei hier der Fall. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das erstinstanzliche Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Es liege kein Fall der Rechtsnachfolge im Sinne des § 9 EO vor. Durch die Erfüllungsübernahme sei es zu keiner vertraglichen Beziehung zwischen dem Gläubiger und dem Erfüllungsübernehmer gekommen. Im Vorprozess sei über den Befreiungsanspruch des Klägers auf Zahlung der Schuld an den Gläubiger entschieden worden. Auf Grund dieses Titels wäre in einem Exekutionsverfahren der Kläger und nicht der Gläubiger betreibende Partei gewesen. Nach § 9 EO könne die Exekution zu Gunsten einer anderen als der im Exekutionstitel als berechtigt bezeichneten Person nur so weit stattfinden, als durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden bewiesen werde, dass der im Titel anerkannte Anspruch übergegangen sei. Daraus ergebe sich der allgemeine Grundsatz, dass der Exekutionstitel auch für bzw gegen den Rechtsnachfolger wirke. Hier habe aber keine Rechtsnachfolge stattgefunden. Zwischen dem Gläubiger und dem Übernehmer habe keine unmittelbare Rechtsbeziehung bestanden. Mangels Anwendbarkeit des § 9 EO lägen auch nicht die Voraussetzungen für eine Ergänzungsklage nach § 10 EO vor. Das Erstgericht habe sich mit der Höhe der geltend gemachten Forderung nicht auseinandergesetzt. Eine Verjährung der Klageforderung liege nicht vor. Es bestehe auch keine Identität der Ansprüche (des Zahlungsanspruchs und des Befreiungsanspruchs). Das Verfahren sei zur Höhe der Klageforderung ergänzungsbedürftig. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der "Revisionsrekurs" - in der Begründung die "ordentliche Revision" - (gemeint: der Rekurs an den Obersten Gerichtshof) zulässig sei, weil eine analoge Anwendung des § 9 EO nicht ganz ausgeschlossen scheine. Dazu fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung.

Mit seinem "Revisionsrekurs", richtig: Rekurs, beantragt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes, hilfsweise die Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht. Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zur Rechtskraft und Bindungswirkung des Urteils im Vorprozess 6 Cg 26/99g des LG Feldkirch:

Der Einwand der entschiedenen Sache setzt Identität der Parteien und des Streitgegenstandes voraus. Der Streitgegenstand ist nach herrschender Meinung ein zweigliedriger, der sich aus dem Klagebegehren (Urteilsantrag) und dem Klagegrund (dem rechtserzeugenden Sachverhalt) zusammensetzt (Rechberger/Frauenberger in Rechberger ZPO2 Rz 15 vor § 226). Auch bei fehlender Identität der Begehren kann ein Urteil eines Vorprozesses zu einer inhaltlichen Bindung des später entscheidenden Gerichtes führen (RS0041157). In der Frage des Umfanges der Bindungswirkung ist die oberstgerichtliche Judikatur nicht einheitlich (dazu 6 Ob 59/99s mwN; 6 Ob 295/00a). Einhellige Meinung ist es aber, dass das Folgegericht an die Entscheidung der Hauptfrage im Vorprozess gebunden ist. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall jedenfalls, dass der Beklagte nicht neuerlich die Frage der Erfüllungsübernahme der Verbindlichkeit aus dem Getränkebezugsvertrag relevieren kann. Ein identischer Streitgegenstand liegt aber nicht vor. Zwischen dem Begehren des Klägers auf Zahlung an den Gläubiger (also seinem Befreiungsanspruch) und dem Begehren auf Zahlung an den Kläger selbst besteht weder eine Identität der Urteilsanträge noch des anspruchsbegründenden Sachverhalts. Die Verpflichtung zur Zahlung an den Kläger setzt den weiteren Sachverhalt voraus, dass er selbst den Gläubiger bereits befriedigt hat. Der Klageführung steht weder die Rechtskraft noch die Bindungswirkung der Vorentscheidung entgegen.

2. Nach § 9 EO kann zu Gunsten einer anderen als der im Exekutionstitel als berechtigt bezeichneten Person die Exekution nur so weit stattfinden, als durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden bewiesen wird, dass der im Exekutionstitel anerkannte Anspruch von der dort benannten Person auf die Person übergegangen ist, welche die Exekution beantragt. Der Rekurswerber steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass der Kläger auf Grund des schon vorliegenden Exekutionstitels über seinen Befreiungsanspruch Exekution führen hätte können, dass eine Klageführung also entbehrlich und unzulässig sei. Der Gläubiger des Getränkebezugsvertrages habe auf Grund der Erfüllungsübernahme, eines Vertrages zugunsten Dritter, einen nach Meinung des Rekurswerbers auch exekutiv durchsetzbaren Anspruch gegen den Beklagten gehabt, der an den Kläger abgetreten habe werden können, worauf sich der Kläger auch stütze. Diesem Rekursvorbringen ist die zutreffende Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes entgegenzuhalten, dass die Exekutionsführung eines Rechtsnachfolgers nach § 9 EO die Existenz eines Exekutionstitels des Vormannes voraussetzt. Nur dann kann bei urkundlichem Nachweis der Rechtsnachfolge zugunsten einer anderen Person, als derjenigen, die im Titel genannt wird, die Exekution bewilligt werden. Dem Gläubiger erwächst aus der Erfüllungsübernahme (§ 1404 ABGB) unmittelbar kein Recht gegenüber dem Erfüllungsübernehmer (SZ 69/18; 1 Ob 364/99g). Er könnte gegen den Beklagten nicht direkt Exekution führen und müsste - gestützt auf den Vertrag zugunsten Dritter - selbst Klage einbringen. Es kann dem Rekurswerber zwar eingeräumt werden, dass der Kläger seinen Anspruch gegen den Beklagten aus der Erfüllungsübernahme, für den er auch schon einen Exekutionstitel erwirkt hatte, an den Gläubiger abtreten hätte können (1 Ob 364/99g). Der Gläubiger hätte in diesem Fall bei urkundlichem Nachweis der Zession allenfalls Exekution nach § 9 EO führen können. Eine solche Zession ist aber nicht erfolgt. Der beklagte Erfüllungsübernehmer hatte aber keinen Rechtsanspruch und auch kein erkennbares Interesse daran, dass der Kläger seinen titulierten Befreiungsanspruch an den Gläubiger abtritt. Die angestrebte Anwendung des § 9 EO muss daher schon daran scheitern, dass der Kläger nicht Rechtsnachfolger des Gläubigers, sondern selbst der im Exekutionstitel angeführte Berechtigte ist. Der Gläubiger hatte keinen Exekutionstitel gegen den Beklagten und war auch nicht Rechtsnachfolger des Klägers. Der Anwendungsbereich des § 9 EO ist auf die Rechtsnachfolge hinsichtlich titulierter Forderungen, die im Übrigen unverändert bleiben, beschränkt. § 9 EO lässt den Vollstreckungsanspruch auf den Rechtsnachfolger übergehen, wenn unbedenkliche Urkunden über die Rechtsnachfolge vorliegen. Nur in diesem Fall ist ein Zivilprozess über den Sachverhalt der Rechtsnachfolge entbehrlich.

Der Rekurswerber leitet aus der Bestimmung des § 3 Abs 2 EO ab, dass der Gläubiger auf Grund des Exekutionstitels, in dem er als Zahlungsempfänger aufscheint, selbst zur Exekutionsführung berechtigt sei. Die zitierte Gesetzessstelle normiert aber nur, dass die Exekutionsbewilligung auf Antrag der anspruchsberechtigten Partei (betreibender Gläubiger) erfolgt. Betreibender Gläubiger ist die aus dem Titel berechtigte Person oder diejenige, auf die der Anspruch im Wege der Rechtsnachfolge auf eine im § 9 EO genannte Art übergegangen ist (Feil EO4 Rz 2 zu § 9 EO mwN; Angst EO Rz 3 zu § 3 und Rz 1 zu § 9). Nach dem Exekutionstitel über den Befreiungsanspruch des Klägers ist nur dieser zum Exekutionsantrag legitimiert. § 3 Abs 2 EO normiert bloß, dass die Exekution nicht von Amts wegen einzuleiten ist. Wer antragsberechtigt ist, ergibt sich nach § 9 EO aus dem Exekutionstitel. § 3 Abs 2 EO ist keine Grundlage dafür, dass ein im Exekutionstitel angeführter Zahlungsempfänger selbst zur Exekutionsführung berechtigt wäre.

3. Die Bestimung des § 9 EO ist auch nicht analog anzuwenden. Analogie setzt eine planwidrige Gesetzeslücke voraus. Der Rekurswerber strebt zwar die mittelbare Anwendung des § 9 EO an, sein Rechtsmittel enthält aber keine Rechtsausführungen zu den Voraussetzungen einer Rechtsfindung im Wege der Analogie. Das Vorbringen erschöpft sich unter Hinweis auf die materielle Rechtslage darauf, dass der Gläubiger gegenüber dem Beklagten einen Zahlungsanspruch gehabt hätte, der auf den Kläger übergegangen sei. Der vorliegende Sachverhalt ist mit dem Fall der Rechtsnachfolge nach § 9 EO nur in der Frage der leichten Beweisbarkeit des anspruchsbegründenden Sachverhalts vergleichbar. Der Prozesserfolg des Klägers hängt im Bereich der behaupteten Zahlung nur von deren Nachweis ab. Dieser Nachweis könnte wie in den für die Rechtsnachfolge nach § 9 EO häufigen Fällen der Zahlung etwa eines Bürgen oder Mitschuldners (§ 1358 ABGB) oder der Zahlung einer fremden Schuld (§ 1422 ABGB) durch Urkunden erbracht werden. In der Frage des Vollstreckungsanspruchs (Exekutionstitel) ist eine Vergleichbarkeit aber nicht gegeben. § 9 EO lässt den Vollstreckungsanspruch auf den Rechtsnachfolger übergehen. Eine Rechtsnachfolge liegt dem Klageanspruch aber - wie schon ausgeführt - nicht zugrunde. Nicht der Gläubiger, sondern der Kläger selbst verfügt über einen Exekutionstitel. Dessen Befreiungsanspruch ist durch die eigene Zahlung untergegangen. Der Gläubiger hat nichts mehr zu fordern (§ 1412 ABGB). Der Kläger hat nunmehr - gestützt auf einen neuen Sachverhalt - einen direkten Zahlungsanspruch, der gegenüber dem Befreiungsanspruch ein aliud darstellt. Die Änderung der rechtlichen Qualität des materiellen Anspruchs macht den Kläger nicht zu seinem "eigenen Rechtsnachfolger", womit eine analoge Anwendung des § 9 EO gerechtfertigt werden könnte. Dies würde über den Grundgedanken des § 9 EO hinausgehen, der von einem nicht geänderten Bestand der Titelforderung ausgeht und nur den Übergang des Vollstreckungsanspruchs auf eine andere Person für ausreichend ansieht, die Exekutionsführung zu gestatten. Die angestrebte Analogie wäre mit der Bestimmung des § 368 EO nicht in Einklang zu bringen. Bei Nichterfüllung der Verbindlichkeit des Verpflichteten sind dadurch entstandene Ansprüche des Betreibenden im Rechtsweg geltend zu machen. Die Nichterfüllung des titulierten Befreiungsanspruches durch den Beklagten führt im Zusammenhang mit der untergegangenen Forderung des Gläubigers infolge der Zahlung des Klägers zu einem geänderten Anspruch, der eine Titelschöpfung erforderlich macht. Der bekämpfte Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes beruht nicht auf einer falschen rechtlichen Beurteilung. Wenn es das Verfahren über die Höhe der Klageforderung noch für ergänzungsbedürftig erachtet, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten. Der Aufhebungsbeschluss ist zu bestätigen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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