OGH 1Ob147/01a

OGH1Ob147/01a26.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz P*****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen EUR 28.018,28 (Revisionsinteresse EUR 12.225,17), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. März 2001, GZ 14 R 216/00p-93, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. August 2000, GZ 31 Cg 16/94-87, idF des in das angefochtene Urteil des Oberlandesgerichts Wien aufgenommenen Berichtigungsbeschlusses, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Zuspruch von EUR 15.793,11 sA als unangefochten unberührt bleiben, werden unter Ausschaltung der im angefochtenen Urteil des Oberlandesgerichts Wien enthaltenen Entscheidung über den Kostenrekurs der beklagten Partei in ihrem abweisenden Teil dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 28.018,28 samt 4 % Zinsen ab 1. 2. 2000 sowie weiteren 4 % Zinsen aus EUR 1.918,85 vom 4. 11. 1988 bis 31. 1. 2000, aus EUR 974,25 vom 1. 2. 1991 bis 31. 1. 2000, aus EUR 2.456,34 vom 1. 2. 1992 bis 31. 1. 2000, aus EUR 3.116,36 vom 1. 2. 1993 bis 31. 1. 2000, aus EUR 1.026,94 vom 1. 2. 1994 bis 31. 1. 2000, aus EUR 1.031,15 vom 1. 2. 1995 bis 31. 1. 2000, aus EUR 955,65 vom 1. 2. 1996 bis 31. 1. 2000, aus EUR 2.974,64 vom 1. 2. 1997 bis 31. 1. 2000, aus EUR 2.391,81 vom 1. 12. 1998 bis 31. 1. 2000 und aus EUR 6.292,81 vom 1. 2. 1999 bis 31. 1. 2000 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 30.862,87 (darin EUR 4.594,84 USt und EUR 3.841,17 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.692,33 (darin EUR 153,67 USt und EUR 770,33 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz sowie die mit EUR 663,87 (darin EUR 110,64 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der dem nunmehr im 5. Rechtsgang befindlichen Verfahren zu Grunde liegende Sachverhalt kann ebenso wie dass bisherige Parteienvorbringen (jeweils zusammengefasst wiedergegeben insbesondere in den Entscheidungen des erkennenden Senats 1 Ob 45/95 [ON 53] und 1 Ob 17/99b [ON 73]) als bekannt vorausgesetzt werden, sodass es ausreicht, den Akteninhalt nur insoweit wiederzugeben, als es für das Verständnis der hier vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung erforderlich ist (§ 510 Abs 3 erster Satz ZPO):

Mit seiner am 4. 11. 1988 beim Erstgericht eingelangten Amtshaftungsklage machte der Kläger geltend, er sei trotz bester Eignung und Reihung als bestqualifizierter Bewerber auf Grund ausschließlich gesetzwidriger Erwägungen nicht auf den Posten des Inspizierenden der Zollämter ernannt worden. Der ihm schon jetzt "laufend entstehende Verdienstentgang" betrage "monatlich S 328 und daher bis einschließlich November 1988 unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen S 26.404. Dies durch niedrigere Einstufung gegenüber dem Fall der Ernennung auf den bezeichneten Posten." Er begehre daher die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von ATS 26.404 und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstehe, dass er tatsächlich geringere Bezüge, Zulagen, Nebengebühren oder sonstwie immer Namen habende Entgelte aus seinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich, sowie in weiterer Folge in seinem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zur Republik Österreich erhält, als er in dem Falle erhalten würde, dass er mit 1. 1. 1988 zum Inspizierenden der Zollämter für den Bereich einer bestimmten Finanzlandesdirektion ernannt worden wäre.

Die Beklagte wendete dagegen ein, dass die Beurteilung durch die Begutachtungskommission für die Entscheidung des Bundesministers nicht bindend und dass die Ernennung des zweitgereihten Amtsdirektors sachlich gerechtfertigt gewesen sei.

Im vierten Rechtsgang sprach das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung mit Zwischen- und Teilurteil aus, dass das Zahlungsbegehren des Klägers dem Grunde nach zu Recht bestehe. Des Weiteren gab es dem Feststellungsbegehren des Klägers uneingeschränkt Folge. Diese Entscheidung bestätigte der erkennende Senat mit seinem Urteil vom 27. 8. 1999, 1 Ob 17/99b, das dem Klagevertreter am 17. 9. 1999 zugestellt wurde.

Mit Schriftsatz, der bei Gericht am 13. 12. 1999 einlangte (ON 75), dehnte der Kläger sein ursprüngliches Leistungsbegehren von ATS

26.404 um ATS 941.096 auf ATS 967.500 sA aus und brachte dazu vor, dass dies die Summe seiner Ersatzansprüche für die Jahre 1988 bis einschließlich 1999 sei.

Die Beklagte wendete die Verjährung jener - von ihr auch der Höhe nach bestrittenen - Ansprüche ein, um die das ursprüngliche Leistungsbegehren ausgedehnt worden war. In der Verhandlungstagsatzung vom 14. 6. 2000 (ON 86) schränkte der Kläger das Leistungsbegehren auf ATS 385.540 samt gestaffelten Zinsen ein. Die Beklagte stellte die diesem Leistungsbegehren zu Grunde liegenden "Nettodifferenzen samt den darauf entfallenden Einkommensteuerlasten" für die einzelnen Jahre der Höhe nach außer Streit, hielt jedoch den Verjährungseinwand weiterhin aufrecht.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger den Betrag von ATS 217.318 samt 4 % Zinsen seit 1. 2. 2000 und weitere 4 % Zinsen aus ATS 26.404 seit 4. 11. 1988 bis 31. 1. 2000, aus ATS

32.912 vom 1. 12. 1998 bis 31. 1. 2000 und aus ATS 86.591 vom 1. 2. 1999 bis 31. 1. 2000 zu zahlen, und wies das Mehrbegehren von ATS

168.222 sA ab. Der Inhalt des hier zu beurteilenden Leistungsbegehrens sei ein Verdienstentgangsanspruch, der Jahr für Jahr entstehe. Es handle sich dabei um wiederkehrende Leistungen, die innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis verjährten. Auf Grund der außer Streit gestellten Aufstellung über den Verdienstentgang könnten lediglich das ursprüngliche Leistungsbegehren in der Höhe von ATS

26.404 sowie die Verdienstentgangsansprüche aus den Jahren 1997 bis 1999 als nicht verjährt betrachtet werden. Die zehnjährige Verjährungsfrist des § 6 AHG komme nicht zur Anwendung, weil bei keinem der beteiligten Organe die subjektive Tatseite eines Vorsatzdelikts habe festgestellt werden können. Die Erhebung des Verjährungseinwands sei auch nicht als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sich die Beklagte niemals den Anschein gegeben habe, sie werde das Leistungsbegehren ausschließlich mit "sachlichen Einwendungen" bekämpfen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. In dem Umstand, dass die Beklagte nicht früher die Verjährungseinrede erhoben habe, könne kein sittenwidriges Verhalten liegen, weil der Kläger sein Leistungsbegehren erst in diesem späten Verfahrensstadium ausgedehnt habe. Der Anspruch auf Verdienstentgang verjähre nach völlig unbestrittener jüngerer Rechtsprechung drei Jahre nach Ablauf jenes Monats, in dem die einzelnen Verdienstentgangsrenten fällig geworden sind. Es handle sich um die Forderung regelmäßig wiederkehrender Leistungen, die auch nach einem Feststellungsurteil der dreijährigen Verjährungsfrist unterlägen. Nur für nicht wiederkehrende Leistungen schließe ein die Schadenersatzpflicht des Beklagten bejahendes Feststellungsurteil die Verjährung von Folgeschäden für die Dauer von 30 Jahren aus. Dass die Höhe des Verdienstausfalls schwanken und für einzelne Perioden gänzlich entfallen könne, stehe der Annahme eines Anspruchs auf wiederkehrende Leistungen nicht entgegen, weshalb von der (kurzen) Verjährungszeit des § 1480 ABGB iVm § 6 Abs 1 AHG auszugehen sei. Dass das Feststellungsurteil erst später rechtskräftig geworden sei, ändere nichts, könne doch ein Feststellungsbegehren jedenfalls keine weiterreichenden Folgen haben als ein Feststellungsurteil. Für die Anwendbarkeit der 10-jährigen Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 zweiter Satz AHG sei kein Raum. Der für die Verwirklichung des Tatbilds des § 302 Abs 1 StGB erforderliche wissentliche Befugnismissbrauch sei schon deshalb zweifelhaft, weil die Äußerung: "Wenn es der 'Rote' nicht wird, soll es auch der 'Schwarze' nicht werden", auf die sich das stattgebende Zwischenurteil stütze, nicht eindeutig dem Minister selbst zugerechnet werden könne. Auch das Vorliegen des Schädigungsvorsatzes sei äußerst zweifelhaft, weil nach den Verfahrensergebnissen ohnedies ein ausgezeichnet geeigneter Bewerber zum Zug gekommen sei. Dass dem Staat durch dessen Ernennung Schaden zugefügt worden sei, lasse sich daher nicht sagen. Selbst bei Annahme des Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Handlung gemäß § 302 StGB wäre der erste Schaden bereits früher als 10 Jahre vor Klagsausdehnung eingetreten, woraus sich ergebe, dass der Kläger auch diese Frist habe ungenützt verstreichen lassen.

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 Abs 1 erster Satz AHG verjähren Ersatzansprüche nach § 1 AHG in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist. Mit positiver Kenntnis vom Eintritt der Rechtsgutverletzung wird die Verjährungsfrist nach allgemeinen Grundsätzen schon dann in Gang gesetzt, wenn der Geschädigte die Höhe seines Schadens noch nicht beziffern kann, weil ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt bzw diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind (JBl 1996, 315; 1 Ob 134/00p). Durch die Einbringung einer Feststellungsklage wird die Verjährung aller in diesem Zeitpunkt noch nicht fälligen und daher zukünftigen Schadenersatzansprüche unterbrochen, weshalb eine Klagsausdehnung auf später fällig werdende Beträge entgegen der Meinung der Vorinstanzen nicht erforderlich ist. Die Unterbrechung der Verjährung endet erst mit Zustellung des dem Feststellungsbegehren stattgebenden Urteils (SZ 43/222; RIS-Justiz RS0034771; 3 Ob 33/00z; 5 Ob 16/01s; Mader in Schwimann ABGB2 § 1497 Rz 21). Dies gilt auch für alle im Zeitpunkt der Einbringung der Klage noch nicht fälligen und daher zukünftigen Rentenansprüche (RIS-Justiz RS0034371). Dass auf Grund eines Feststellungsurteils künftig fällig werdende Rentenbeträge innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist geltend zu machen sind (RIS-Justiz RS0034202), folgt aus dem Wegfall der im § 1497 ABGB angeordneten Unterbrechungswirkung und kann nicht als Argument dafür ins Treffen geführt werden, dass die während eines über die Feststellungsklage anhängigen Verfahrens wirksame Unterbrechung der Verjährung unbeachtet bleibt.

Der geltend gemachte Verdienstentgang ist daher, soweit es um die im Zeitpunkt der Klagseinbringung am 4. 11. 1988 noch nicht fälligen Beträge geht, keinesfalls verjährt. Die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche hat der Kläger zum Gegenstand eines Leistungsbegehrens gemacht, das zwar rechnerisch nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist (vgl S 6 der Klagebeantwortung ON 2), jedoch jedenfalls die zuletzt für das Jahr 1988 geltend gemachte Forderung von ATS 11.492 abdeckt, sodass auch für die bis November 1988 aufgelaufene Verdienstentgangsrente die Verjährung unterbrochen war. Da die vom Kläger zuletzt geltend gemachten Beträge der Höhe nach unbestritten sind, kann der Oberste Gerichtshof in Stattgebung der Revision in der Sache selbst erkennen. Hiebei ist er an die Rechtskraft des auf dem Betrag von ATS 26.404 (= EUR 1.918,85) basierenden Zinsenzuspruchs gebunden, obwohl damit das vom Kläger zuletzt erhobene Begehren (S 1 des Protokolls vom 14. 6. 2000, ON 86) überschritten wurde.

Infolge Abänderung der Urteile der Vorinstanzen hat der Oberste Gerichtshof auch über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz neu zu erkennen. Damit wird auch die einen Teil der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen bildende Erledigung des Kostenrekurses der Beklagten und der daraus resultierende Zuspruch von Rekurskosten hinfällig, weil insoweit ein vom Erfolg in der Hauptsache gesondert zu beurteilender Zwischenstreit nicht vorliegt (vgl 3 Ob 27/95). Im Verfahren bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ON 73 hat der Kläger zur Gänze obsiegt, sodass ihm gemäß §§ 50, 41 ZPO die tarifmäßigen Kosten ungekürzt zuzusprechen sind. Da der Kläger jedoch sein Begehren auf ATS 967.500 ausdehnte (ON 75), drang er ab diesem Verfahrensschritt, da ihm lediglich ATS 385.540 zuerkannt wurden, nur mehr mit 40 % seines Begehrens durch, sodass er gemäß den §§ 50 und 43 Abs 1 ZPO der Beklagten bis zur Tagsatzung vom 14. 6. 2000 (ON 86) 20 % von deren Kosten zu ersetzen hat. Ihm sind hingegen nach dem letzten Satz der letzteren Gesetzesstelle die für diesen Zeitraum verzeichneten Barauslagen im Ausmaß seines Obsiegens zuzusprechen. Die Klagseinschränkung auf ATS 623.784 mit Schriftsatz ON 83 führt zur Aufhebung der Kosten dieses Schriftsatzes mit jenen der Replik der Beklagten ON 84. In der Verhandlung vom 14. 6. 2000 (ON 86) hat der Kläger sein Begehren auf den ihm schließlich zugesprochenen Betrag eingeschränkt, sodass ihm insoweit wieder voller Kostenersatz gebührt (§ 12 Abs 3 letzter Satz RATG). Gemäß § 3 Abs 2 Z 2 des Euro-Gesetzes (BGBl I 2000/72) sind ab 1. 1. 2002, auch wenn die Klage vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde, Geldbeträge in Euro auszudrücken.

Stichworte