OGH 3Ob27/95

OGH3Ob27/9513.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Mag.Geraldine K*****, vertreten durch Dr.Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien, wider die verpflichtete Partei S*****, vertreten durch Dr.Winfried Sattlegger ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen Erwirkung unvertretbarer Handlungen, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Steyr als Rekursgerichtes vom 21. November 1994, GZ 1 R 175, 176,189/94-146, womit infolge Rekurses der betreibenden Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Grünburg vom 7.Oktober 1994, E 945/92-135, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes mit Ausnahme der Entscheidung über die Sicherheitsleistung wieder hergestellt wird; die von der verpflichteten Partei zu leistende Sicherheit wird mit S 100.000,-- bestimmt.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rekurse gegen den erstgerichtlichen Beschluß selbst zu tragen.

Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der betreibenden Partei wurde gegen die verpflichtete Partei mit Beschluß des Kreisgerichtes (nunmehr Landesgerichtes) Steyr vom 15.10.1992 in der rechtskräftig gewordenen Fassung aufgrund des Beschlusses dieses Gerichtes vom 16.6.1992 zur Erwirkung der Mitteilung einer Bilanz und bestimmter näher bezeichneter Aufklärungen sowie im Zusammenhang damit der Einsicht in Bücher und Papiere und der Vorlage der Bücher die Exekution durch Androhung einer Geldstrafe von S 30.000,-- bewilligt. Im Exekutionsantrag wurde der Wert des Streitgegenstandes unter Hinweis auf § 14 RatG mit S 100.000,-- angegeben. In der Folge wurde über die verpflichtete Partei die angedrohte Geldstrafe von S 30.000,-- und nach vorausgehender Androhung eine Geldstrafe von S 40.000,-- verhängt. Schließlich wurde der verpflichteten Partei unter Setzung einer weiteren Frist für die Vornahme der den Gegenstand der Exekution bildenden Handlungen die Verhängung der Haft angedroht. Mit Beschluß vom 1.4.1993 verhängte das Erstgericht als Exekutionsgericht über den persönlich haftenden Gesellschafter der verpflichteten Partei die Haft in der Dauer von einem Monat und drohte für den Fall des weiteren Säumnisses die Verhängung der Haft in der Dauer von sechs Wochen an. Die verhängte Haft wurde bisher nicht vollzogen.

Den im Akt einliegenden Schriftsätzen der Parteien ist zu entnehmen, daß es sich bei der verpflichteten Partei um eine Kommanditgesellschaft handelt, an der die betreibende Partei als Kommanditistin beteiligt ist, und daß die der verpflichteten Partei erteilten Aufträge in § 166 Abs 3 HGB ihre gesetzliche Grundlage haben.

Am 19.8.1994 brachte die verpflichtete Partei beim Landesgericht Steyr eine Klage ein, in der sie Einwendungen nach § 35 EO erhob und mit der sie den Antrag auf Aufschiebung der Exekution verband. Sie brachte darin unter Aufzählung verschiedener Maßnahmen vor, daß sie die ihr aufgetragenen Handlungen vorgenommen habe. Aus dem Vorbringen geht hervor, daß dies zum Großteil erst nach Verhängung der Haft geschah. Zum Beweis des Vorbringens wurde neben der Vorlage von Urkunden die Vernehmung eines Zeugen und die Vernehmung der Parteien angeboten.

Die betreibende Partei sprach sich in einer ihr aufgetragenen Äußerung und auch in der Klagebeantwortung gegen die beantragte Aufschiebung im wesentlichen mit der Begründung aus, daß die Klage aussichtslos sei und bloß der Verschleppung diene; die verpflichtete Partei habe dem ihr erteilten Auftrag noch nicht entsprochen. Als Beweis wird neben der Vorlage von Urkunden die Vernehmung eines Zeugen und die Vernehmung der Parteien angeboten. Hilfsweise beantragt die betreibende Partei, der verpflichteten Partei eine Sicherheitsleistung von S 500.000,-- aufzutragen. Die Oppositionsklage diene nur der Verschleppung. Für die verpflichtete Partei, die sich seit vielen Jahren in Liquidation befinde, handle nicht deren persönlich haftender Gesellschafter, sondern dessen Ehefrau, die auch die "Malversationen" der vergangenen Jahre, die durch die Bucheinsicht offenkundig würden, begangen habe.

Das Erstgericht schob die Exekution gegen eine Sicherheitsleistung von S 500.000,-- bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der verpflichteten Partei eingebrachte Klage auf. Der Aufschiebungsgrund nach § 42 Abs 1 Z 5 EO sei gegeben. Die Aufschiebung sei zur Verhinderung des Vollzuges der über den persönlich haftenden Gesellschafter der verpflichteten Partei verhängten Haft erforderlich. Als Sicherheit sei der Betrag von S 500.000,-- angemessen, weil sich die verpflichtete Partei unabhängig davon, ob nunmehr erfüllt worden sei, ihrer Leistungspflicht durch längere Zeit entzogen habe. Dies habe bei der betreibenden Partei den Verdacht auf Malversationen erweckt.

Das Rekursgericht gab dem von der verpflichteten Partei gegen diesen Beschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurs nicht Folge und änderte ihn infolge des Rekurses der betreibenden Partei dahin ab, daß der Aufschiebungsantrag der verpflichteten Partei abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Bei der Entscheidung über den Aufschiebungsantrag seien die Interessen der Parteien des Exekutionsverfahrens gegeneinander abzuwiegen. Hier könne aufgrund des Akteninhalts eine Verschleppungsabsicht der verpflichteten Partei angenommen werden. Das Interesse der betreibenden Partei an der Durchsetzung ihres Anspruchs sei in Anbetracht aller Umstände höher anzusetzen als das Interesse der verpflichteten Partei an der Aufschiebung, zumal nicht angenommen werden könne, daß die verpflichtete Partei durch den Vollzug der über ihren persönlich haftenden Gesellschafter verhängten Haft handlungsunfähig werde. Die mit dem Vollzug der Haft verbundene Nachteile seien außerdem nicht solche der verpflichteten Partei. Der Vollzug der verhängten Geldstrafen bedeute keinen unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteil.

Rechtliche Beurteilung

Der von der verpflichteten Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung nicht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht; er ist auch teilweise berechtigt.

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes ist der Nachteil, der mit dem Vollzug der über den persönlich haftenden Gesellschafter der verpflichteten Partei verhängten Haft verbunden ist, für die Frage der Aufschiebung zu berücksichtigen. Die Haft wurde über ihn als Komplementär der verpflichteten Partei und wegen eines dieser zuzurechnenden Verhaltens verhängt. Es geht nicht an, den Komplementär einer Gesellschaft zwar wegen eines der Gesellschaft zuzurechnenden Verhaltens in Anspruch zu nehmen, die damit verbundenen Nachteile aber als seine persönlichen Nachteile anzusehen.

Die mit dem Vollzug der Haft verbundene Einschränkung der persönlichen Freiheit ist ein Nachteil, der die Aufschiebung der Exekution rechtfertigt (RdW 1989, 160). Es muß nicht weiter begründet werden, daß dieser Nachteil schwerer wiegt als ein Vermögensnachteil, der für die betreibende Partei mit der Aufschiebung der Exekution verbunden sein könnte. Die vom Rekursgericht im Sinn der Rechtsprechung (MGA EO13 § 42/2) vorgenommene Interessensabwägung fällt daher zugunsten der verpflichteten Partei aus.

Die Exekution darf allerdings nicht aufgeschoben werden, wenn die Verfahrenshandlung, auf die der Aufschiebungsantrag gestützt wird, als mit hoher Wahrscheinlichkeit aussichtslos anzusehen ist (Miet 42.547; SZ 63/49; RdW 1989, 160 ua). Dies kann aber im allgemeinen nicht gesagt werden, wenn der Erfolg von erst zu treffenden Tatsachenfeststellungen abhängt. Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten darf dem Ergebnis von Beweisaufnahmen und der Würdigung der aufgenommenen Beweise durch die Tatsacheninstanzen in der Regel nicht vorgegriffen werden (vgl Miet 40.837). Ein solcher Fall liegt hier aber vor, weil der Erfolg der von der verpflichteten Partei eingebrachten Klage von den Tatsachenfeststellungen abhängt, die in dem über die Klage eingeleiteten Verfahren aufgrund der noch aufzunehmenden Beweise zu treffen sind. Es kann daher derzeit nicht gesagt werden, daß die von der verpflichteten Partei eingebrachte Klage als mit hoher Wahrscheinlichkeit aussichtslos anzusehen ist und daher aufgrund dieser Klage die Aufschiebung der Exekution nicht bewilligt werden darf.

Da auch alle anderen Voraussetzungen für die Aufschiebung der Exekution erfüllt sind (vgl hiezu Miet 40.837), hat das Erstgericht die Exekution zu Recht aufgeschoben und es hat die Aufschiebung auch zu Recht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Dies erfordert nicht nur § 44 Abs 2 Z 1 EO, sondern auch die nachfolgende Z 3. Nach dieser Bestimmung ist die Aufschiebung der Exekution von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig zu machen, wenn sie die Befriedigung des betreibenden Gläubigers zu gefährden geeignet ist. Dabei ist nicht nur an den betriebenen Anspruch zu denken, sondern an jede Art von Anspruch, der mit der Aufschiebung im Zusammenhang steht. Es sind alle nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls möglichen Nachteile des betreibenden Gläubigers zu berücksichtigen (RPflE 1990/32; Heller-Berger-Stix I 551), also bei einer Räumungsexekution etwa auch ein Entgang an Entgelt (Miet 38.832) oder bei der Unterlassungsexekution der bei Fortsetzung des verbotenen Verhaltens drohende Schaden. Auch für solche Nachteile haftet die Sicherheitsleistung.

Hier kommen Ansprüche in Betracht, welche die betreibende Partei gegen die verpflichtete Partei geltend machen könnte, wenn diese dem an sie gerichteten Auftrag nachkäme. Die betreibende Partei hat die Möglichkeit solcher Ansprüche auch behauptet, indem sie sich auf den Verdacht von Malversationen berufen hat, die der verpflichteten Partei zuzurechnen sein könnten.

Bei der Festsetzung der Höhe der zu leistenden Sicherheit muß davon ausgegangen werden, daß die Verfahrenshandlung, auf die der Aufschiebungsantrag gestützt wird, erfolglos bleibt, weil die Sicherheit nur für die den betreibenden Gläubiger durch eine ungerechtfertigte Aufschiebung verursachten Nachteile haftet. Legen Umstände die Annahme nahe, daß die Verfahrenshandlung zwar nicht mit der für die Abweisung des Aufschiebungsantrags erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit, aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit aussichtslos sein wird, so ist eine höhere Sicherheitsleistung aufzutragen, weil dann der Eintritt von dem betreibenden Gläubiger zu ersetzenden Nachteilen wahrscheinlicher ist. Unter diesem Gesichtspunkt wird auch zu berücksichtigen sein, wenn der Verpflichtete schon längere Zeit dem Exekutionstitel nicht entsprochen hat, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Dies legt die Annahme nahe, daß auch der Aufschiebungsantrag nur dazu dient, die Durchsetzung des Anspruchs des betreibenden Gläubigers weiter zu verzögern.

Die Höhe der zu leistenden Sicherheit richtet sich also nach der Wahrscheinlichkeit, mit der dem betreibenden Gläubiger durch die Aufschiebung Nachteile entstehen werden, die vom Aufschiebungswerber zu ersetzen sind, und nach dem Ausmaß dieser Nachteile. Die betreibende Partei hat zu den ihr drohenden Nachteilen konkret nichts vorgebracht. Den einzigen Anhaltspunkt bilde der Betrag, den sie für den betriebenen Anspruch angegeben hat, mag es sich dabei auch um den gemäß § 14 lit b RatG für die Bemessung der Entlohnung eines Rechtsanwalts heranzuziehenden Betrag handeln. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann davon ausgegangen werden, daß dieser Betrag das Interesse der betreibenden Partei an der Erfüllung des von ihr betriebenen Anspruchs darstellt. Nun können zwar die Nachteile, die bei der Aufschiebung einer geführten Exekution drohen, höher sein als der Wert des betriebenen Anspruchs. Liegen aber gegenteilige Verfahrensergebnisse, wozu auch glaubwürdige Behauptungen einer Partei gehören, nicht vor, so genügt es, wenn die auferlegte Sicherheit den Wert des betriebenen Anspruchs erreicht. Der Oberste Gerichtshof hält es daher für gerechtfertigt, die von der verpflichteten Partei zu leistende Sicherheit mit dem Betrag von S 100.000,-- festzusetzen, zumal im Hinblick auf den bisherigen Verlauf des Exekutionsverfahrens nach dem Gesagten auch in Betracht gezogen werden muß, daß die Oppositionsklage des Verpflichteten erfolglos bleibt. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes kann hingegen nicht auf Nachteile Bedacht genommen werden, die der betreibenden Partei durch die vor der Aufschiebung liegende Verzögerung des Exekutionsverfahrens entstanden sind, weil die geleistete Sicherheit nur für die durch die Aufschiebung entstandenen Nachteile haftet.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf § 78 EO iVm den §§ 41 und 50 ZPO, jener über die Kosten der gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobenen Rekurse auf § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO. Die verpflichtete Partei hat trotz der Herabsetzung der zu leistenden Sicherheit keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten ihres Rekurses, weil die Sicherheit von Amts wegen festzusetzen ist und hierüber daher kein Zwischenstreit mit der betreibenden Partei, der Voraussetzungen für den Anspruch auf Kostenersatz wäre (EvBl 1967/68 ua), entstanden ist.

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