OGH 6Ob2/02s

OGH6Ob2/02s31.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der beim Landesgericht Linz zu FN ***** eingetragenen D***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Linz, über die Revisionsrekurse der Geschäftsführer 1.) Manfred D***** und 2.) Hannelore D*****, beide vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Verhängung von Zwangsstrafen, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 14. November 2001, GZ 6 R 176/01x, 6 R 225/01b-19 (idF des Berichtigungsbeschlusses des Oberlandesgerichtes Linz vom 30. November 2001, ON 20), mit dem die Beschlüsse des Landesgerichtes Linz vom 29. August 2001, GZ 13 Fr 4335/99t-16 und 13 Fr 2009/00y-16, bestätigt wurden, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die beiden Geschäftsführer der Gesellschaft sind trotz wiederholter Aufforderungen und Verhängung von Geldstrafen bis heute ihrer Pflicht zur Vorlage der Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 1997/98, 1998/99 und 1999/00 nicht nachgekommen. Mit zwei Beschlüssen je vom 24. 7. 2000 verhängte das Erstgericht über jeden Geschäftsführer Zwangsstrafen, und zwar - wie angedroht - von jeweils je 20.000 S infolge Nichtvorlage einerseits des Jahresabschlusses 1997/98 (13 Fr 4335/99t) und andererseits des Jahresabschlusses 1998/99 (13 Fr 2009/00y). Den dagegen erhobenen Vorstellungen der Geschäftsführer gab das Erstgericht mit Beschlüssen vom 29. 8. 2001 nicht Folge. Das Rekursgericht verwarf die Rekurse der Geschäftsführer, soweit damit Nichtigkeit geltend gemacht wurde, gab ihnen im Übrigen nicht Folge und wies die Anträge, das Verfahren infolge eines Vorlagebeschlusses des Landesgerichtes Wels bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu unterbrechen, zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Durchsetzung der Vorlage (mehrfach) überholter Jahresabschlüsse nicht vorliege.

Die Revisionsrekurse der Geschäftsführer sind aus diesem Grund zulässig, sie sind aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses geltend gemacht wird, weil über die Vorstellungen ein Rechtspfleger anstatt ein Richter entschieden habe, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung auch im Außerstreitverfahren behauptete Nichtigkeiten erster Instanz, deren Vorliegen das Rekursgericht verneint hat, im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden können (RIS-Justiz RS0007232).

Der Oberste Gerichtshof beurteilt in ständiger Rechtsprechung - deren Kenntnis auch bei den Rechtsmittelwerbern infolge der vorangehenden, sie betreffenden Zwangsstrafenverfahren vorausgesetzt werden kann (6 Ob 94/00t; 6 Ob 305/00x) - die handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als dem Gemeinschaftsrecht entsprechend und erblickt in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. 3. 1968 - Publizitätsrichtlinie; Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 - Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (vor allem der Entscheidung vom 4. 12. 1997, Slg 1997 I-6843 - Daihatsu) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft (RIS-Justiz RS0113282).

Der Oberste Gerichtshof hat sich auch bereits mehrfach mit dem Argument, die Offenlegungsvorschriften verstießen gegen das Sachlichkeitsgebot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip, befasst und

dieses als nicht zutreffend abgelehnt (6 Ob 5/00b = GesRZ 2000, 173;

6 Ob 14/00b = WBl 2000, 286 [Gruber 251] ua). Die in Umsetzung der Richtlinien vom österreichischen Gesetzgeber getroffene Regelung ist auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn die Zwangsstrafe zufolge fortgesetzter Nichteinhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen mehrfach gegen die (gegen alle) Geschäftsführer verhängt wird. Erst diese für die Betroffenen empfindliche Sanktion stellt die Befolgung des gesetzlichen Auftrages zur Offenlegung einigermaßen sicher (6 Ob 5/00d). Warum dies gerade dann nicht gelten sollte, wenn im Zeitpunkt der Fälligkeit der Vorlage des nächstfolgenden Jahresabschlusses oder gar - wie hier - mehrerer folgender Jahresabschlüsse dem Auftrag zur Vorlage des vorangehenden Jahresabschlusses - der vorangehenden Jahresabschlüsse - immer noch nicht entsprochen wurde, ist nicht einsichtig. § 283 HGB, der gegenüber § 24 FBG die anzuwendende Spezialnorm darstellt (6 Ob 306/00v; 6 Ob 251/00f ua), sieht insoweit keine Einschränkung vor. Vielmehr ist die Verhängung von Zwangsstrafen solange zu wiederholen, bis die zu erzwingende Handlung vorgenommen ist. Gäbe es nach innerstaatlichem Recht keine derartige Möglichkeit, wären im Sinn der "Daihatsu" - Entscheidungen des EuGH keine geeigneten Sanktionen für den Fall vorgesehen, dass Kapitalgesellschaften gegen die sie treffenden Offenlegungspflichten nachhaltig verstoßen (Zehetner, ecolex 2001, 280). Das Argument der Rechtsmittelwerber, dass die Vorlage eines Jahresabschlusses aus einer Vorperiode zur "Zielerreichung" nicht mehr geeignet sei und umso eher gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoße, geht hier schon deshalb fehl, weil die Gesellschaft bisher überhaupt noch keinen Jahresabschluss vorgelegt hat. Die Vorlage des Jahresabschlusses dient insbesondere der Information Dritter, vor allem Gläubigern oder Vertragspartnern der Gesellschaft, um ihnen die in aller Regel sonst nicht zugängliche Information über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu ermöglichen (RIS-Justiz RS0113090; EuGH 4. 12. 1997 Slg 1997 I-6843-Daihatsu). Diesem Ziel dient aber auch ein Jahresabschluss, der nicht den neuesten Stand wiedergibt, und zwar gerade dann, wenn sonst überhaupt keine Geschäftsunterlagen greifbar sind. Der Gefahr, dass dadurch für Dritte ein irreführender und den aktuellen Tatsachen nicht mehr entsprechender negativer Eindruck entsteht, kann die Gesellschaft auf einfache Weise dadurch entgegenwirken, dass sie den aktuellen Jahresabschluss vorlegt, wozu sie ohnehin verpflichtet ist. Aber selbst die Vorlage eines aktuellen Jahresabschlusses macht die Vorlage vorangehender Jahresabschlüsse nicht obsolet, wird doch dem Informationsbedürfnis Dritter umso eher entsprochen, je kontinuierlicher Wirtschaftsdaten zur Verfügung stehen. Die Ansicht der Rechtsmittelwerber, "überholte" Jahresabschlüsse seien nicht mehr vorzulegen, würde in letzter Konsequenz dazu führen, dass bei einer sich über Jahre erstreckenden Vorlageverweigerung die Vorlagepflicht überhaupt entfiele und nur die Nichtvorlage des zeitlich letzten Jahresabschlusses durch die Verhängung von Zwangsstrafen erzwungen werden könnte. Diese Folge kann aber nicht mit dem "Verhältnismäßigkeitsprinzip" gerechtfertigt werden. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof bereits in zahlreichen Entscheidungen die Verhängung von Zwangsstrafen infolge Nichtvorlage von Jahresabschlüssen auch für bereits länger zurückliegende Geschäftsjahre gebilligt (vgl etwa die die auch hier rekurrierenden Gesellschafter betreffende Entscheidung 6 Ob 304/00z). Der Umstand, dass einer der Vertreter der Rechtsmittelwerber seine bereits in den Vorstellungen und den Rekursen enthaltenen Darlegungen zu "überholten" Jahresabschlüssen inzwischen weitgehend inhaltsgleich in einer Fachzeitschrift publizierte (P. Burgstaller, RdW 2001, 327), vermag dieser - naturgemäß vom Parteiinteresse getragenen - Ansicht kein größeres Gewicht zu verschaffen.

Die neben dem Rekursantrag im Rechtsmittel enthaltene Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung gemäß § 234 EG durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird nicht aufgegriffen.

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