OGH 10ObS414/01g

OGH10ObS414/01g29.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Johannes Zahrl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Milanko B*****, vertreten durch Dr. Reinhard Neureiter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. August 2001, GZ 9 Rs 256/01k-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26. März 2001, GZ 23 Cgs 209/00v-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 7. 11. 2000 den Antrag des am 10. 7. 1964 geborenen Klägers vom 9. 6. 2000 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab, weil der Kläger nicht invalid sei. Dagegen richtet sich die Klage mit dem Vorbringen, der Kläger sei auf Grund seiner Leidenszustände nicht mehr imstande, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Er habe den erlernten Beruf eines Kellners insgesamt sieben Jahre in Bosnien und Österreich ausgeübt. Im Jahr 1999 habe er 10 Monate als Bürokraft gearbeitet.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht wies die Klage ab. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:

Unter Berücksichtigung sämtlicher Leidenszustände des Klägers können von ihm leichte und mittelschwere Arbeiten in der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen geleistet werden, sofern keine raschen extremen Drehbewegungen des Kopfes erforderlich sind. Normale Bewegungen mit dem Kopf sind möglich. Arbeiten unter dauerndem besonderen Zeitdruck (Band- und Akkordarbeiten) sind nicht mehr möglich. Der Kläger ist unterweisbar und kann eingeordnet werden. Die Fingerfertigkeit ist außer Feinstmanipulationen mit der rechten Hand erhalten. Das Zurücklegen der Anmarschwege ist gewährleistet. Dieser Zustand besteht seit Antragstellung ohne Leidenspotenzierung. Krankenstände sind bei Einhaltung des Kalküls nicht zu erwarten. In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, selbst wenn die Behauptung des Klägers, er habe überwiegend den Kellnerberuf ausgeübt, richtig wäre, sei seine Invalidität im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG zu verneinen. Der Kläger könne nämlich - ausgehend vom medizinischen Leistungskalkül - weiterhin die Tätigkeit eines Kellners ausüben.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es verneinte das Vorliegen der gerügten Verfahrensmängel, übernahm die Feststellungen und billigte auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts. Es sei offenkundig, dass das Berufsanforderungsprofil eines Kellners jedenfalls in Kaffeehäusern, Konditoreien und Bars nicht über mittelschwere Tätigkeiten hinausgehe und eine besondere Beweglichkeit des Kopfes nicht erfordere. Die Verweisung auf Teiltätigkeiten eines Lehrberufes sei zulässig. Es sei offenkundig, dass das medizinische Leistungskalkül des Klägers die Ausübung der Tätigkeit eines Kellners in Kaffeehäusern, Konditoreien und Bars zulasse, weil die Anforderungen in diesem Beruf über eine mittelschwere Belastung nicht hinausgehe und auch keine extreme Kopfbeweglichkeit erfordere. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, in der als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache, aber auch Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Aktenwidrigkeit geltend gemacht werden.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO und jener der Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO liegen nicht vor. Diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner Begründung. Den Revisionsausführungen sei nur in Kürze entgegengehalten, dass das Berufungsgericht eine Mangelhaftigkeit durch Nichtbeiziehung eines berufskundlichen Sachverständigen zu den in erster Instanz erfolgten Untersuchungen durch die ärztlichen Sachverständigen mit dem Hinweis auf die Offenkundigkeit der Anforderungen an die Tätigkeit eines Kellners in Kaffeehäusern, Konditoreien und Bars verneinte. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, können nicht neuerlich mit Revision geltend gemacht werden (SSV-NF 7/74 mwN ua). Soweit der Kläger geltend macht, bei richtiger Bewertung seiner gesundheitlichen Einschränkungen seien die Feststellungen der Tatsacheninstanzen, insbesondere jener des Berufungsgerichtes über die Anforderungen an die Tätigkeit eines Kellners in Kaffeehäusern, Konditoreien und Bars, unrichtig, ist ihm zu entgegnen, dass die Feststellungen der Vorinstanzen nicht überprüfbar sind, mögen auch die Feststellungen des Berufungsgerichtes unter Anwendung des § 269 ZPO getroffen worden sein (SSV-NF 14/7 mwN).

In seiner Rechtsrüge macht der Revisionswerber geltend, es möge schon sein, dass eine Tätigkeit in einem Kaffeehaus oder in einer Konditorei den Berufsschutz erhalte, wenn ein Betrieb willig sei, die entsprechende Kraft als solche einzustellen. "Entsprechendes Personal in einem Kaffeehaus oder in einer Konditorei" werde jedoch nie als Kellner (Zahlkellner), sondern bestenfalls als Hilfskraft eingestellt. Der Kläger verlöre daher seinen Berufsschutz. Auch die Rechtsrüge des Klägers ist nicht berechtigt. Selbst bei Annahme eines Berufsschutzes des Klägers als Kellner (Restaurant-Fachmann) ist er nicht invalid im Sinn des § 255 Abs 1

ASVG.

Ein Versicherter, der überwiegend in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig war, darf auf Teiltätigkeiten seiner Berufsgruppe verwiesen werden, durch die er den bereits erworbenen Berufsschutz nicht verliert (stRsp, zB SSV-NF 3/119, 7/6; ARD 4440/15/93; 10 ObS 154/01x ua). Dies wäre bei einer Teiltätigkeit der Fall, die sich qualitativ nicht hervorhebt und bloß untergeordnet ist (SSV-NF 9/40 mwN; 10 ObS 154/01x mwN). Ob es sich allerdings bei der Verweisungstätigkeit um eine berufsschutzerhaltende Teiltätigkeit des bisher ausgeübten erlernten oder angelernten Berufes handelt, ist eine Rechtsfrage, die - sofern nicht offenkundig - in jedem Einzelfall besonders zu prüfen ist (SSV-NF 11/21 = ARD 4845/14/97; 10 ObS 344/00m; 10 ObS 154/01x). Für die Erhaltung des Berufsschutzes ist nur der Inhalt, die Qualifikation der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der Teiltätigkeit maßgeblich (SSV-NF 4/2, 7/88; 10 ObS 114/98g). Daher ist entscheidend, ob ein Kernbereich der Ausbildung bei Ausübung der Teiltätigkeit verwertet werden muss (SSV-NF 4/2; 10 ObS 114/98g), sodass diese Tätigkeit noch als Ausübung eines erlernten Berufes im Sinne des § 255 Abs 1 und 2 ASVG anzusehen ist (SSV-NF 3/29; 10 ObS 114/98g). Die Tätigkeit eines Kellners etwa in Kaffeehäusern, Konditoreien und Bars, von dem erwartet wird, dass er die angebotenen Speisen und ihre Zubereitung sowie alle Getränke kennen und die Gäste beraten muss, erhält beispielsweise den Berufsschutz (SSV-NF 7/88; 10 ObS 114/98g). Von einer unqualifizierten Tätigkeit kann dann nicht gesprochen werden, wenn die weiteren üblicherweise dazugehörigen Kenntnisse und Fähigkeiten, wie beispielsweise die Vorbereitungsarbeiten, die Gästebetreuung und Gästeberatung, das Aufnehmen der Bestellung, das Ausstellen von Rechnungen und das Kassieren usw auf Grund der Erlernung des Berufes vorhanden und nur infolge der Abhängigkeit vom jeweiligen Arbeitsort im Einzelfall nicht in vollem Umfang gefragt sind (10 ObS 114/98g).

Da Invalidität erst dann vorliegt, wenn der Versicherte außerstande ist, irgend eine auf dem Arbeitsmarkt gefragte Teiltätigkeit seines erlernten oder angelernten Berufes auszuüben (10 ObS 344/00m), der Kläger aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes auf Grund seines medizinischen Leistungskalküls und der bei einer Teiltätigkeit als Kellner in Konditoreien, Kaffeehäusern oder Bars gegebenen Anforderungen auf solche Teiltätigkeiten eines Kellners verwiesen werden kann, ist er nicht invalid im Sinne des Gesetzes. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG, Gründe für den Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich.

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