OGH 10ObS154/01x

OGH10ObS154/01x12.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Viktor B*****, Schweißer, ***** vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2001, GZ 8 Rs 11/01y-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. November 2000, GZ 7 Cgs 243/98h-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 28. 12. 1946 geborene Kläger ist qualifizierter Schweißer.

Der Kläger ist noch im Stande, leichte Arbeiten zu den üblichen Zeiten mit den üblichen Pausen ohne Einschränkung der Körperhaltung durchzuführen. Arbeiten an exponierten und absturzgefährdeten Stellen sind auszuschließen, ebenso Arbeiten unter ständigem und besonderem Zeitdruck. Der Kläger kann auch keine Arbeiten mehr ausführen, die überwiegend im ruhigen Stehen zu verrichten wären.

Mit Bescheid vom 11. 8. 1998 hat die beklagte Partei den am 23. 2. 1998 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung einer Invaliditätspension abgelehnt.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren ab. Der Kläger, der Berufsschutz als Universalschweißer genieße und diesen Beruf nicht mehr ausüben könne, könne noch als Fertigungsprüfer oder Reparateur qualifiziert verwendet werden. Hiebei handle es sich um gängige Verweisungsberufe für erlernte und angelernte Metallfacharbeiter. Der Fertigungsprüfer, der eine Ausbildung in einem Metall-, Elektro- oder Elektronikberuf nachweisen soll, prüfe Bauteile optisch und mittels diverser Instrumente. Reparateure reparieren schadhafte Bauteile und führen Aufzeichnungen. Nachgefragt würden ausgebildete Facharbeiter in Metall-, Elektro- und Elektronikberufen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sah die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht als gegeben an, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und verwarf die Rechtsrüge. Selbst wenn der vom Erstgericht angenommene Verweisungsberuf eines Fertigungsprüfers außer Betracht gelassen werde, so hindere doch der Verweisungsberuf eines Reparateurs das Vorliegen von Invalidität. Die Tätigkeit eins Reparateurs beinhalte auch das Reparieren schadhafter Bauteile sowie das Führen von Aufzeichnungen, und es sei die Ausbildung in einem Metallberuf erwünscht. All dies decke sich mit der Tätigkeit eines Universalschweißers. Auch der Universalschweißer bereite die zu verschweißenden Metallteile vor, montiere Einzelteile und führe die Kontrolle und Nachbearbeitung durch. Außerdem gehöre zur Tätigkeit des Universalschweißers die Kenntnis der mechanischen Beanspruchung des Materials und das Arbeiten nach Konstruktions- und Bauplänen. All dies decke sich mit der Tätigkeit des Reparateurs; dieser übe keine Tätigkeiten aus, die in keinem Zusammenhang mit dem erlernten oder angelernten Beruf stünden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Berufungsurteil erhobene, auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte und von der beklagten Partei nicht beantwortete Revision des Klägers ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Ein Versicherter, der überwiegend in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig war, darf nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch auf Teiltätigkeiten seiner Berufsgruppe verwiesen werden, durch die er den bereits erworbenen Berufsschutz nicht verliert (SSV-NF 3/119, 3/122, 5/40, 7/6, ARD 4440/15/93 ua). Dies wäre bei einer Teiltätigkeit der Fall, die sich qualitativ nicht hervorhebt und bloß untergeordnet ist (SSV-NF 9/40 mwN; RIS-Justiz RS0084642/T4, RS0084471, RS0084541/T5). Ob es sich allerdings bei der Verweisungstätigkeit um eine berufsschutzerhaltende Teiltätigkeit des bisher ausgeübten erlernten oder angelernten Berufes handelt, ist eine Rechtsfrage, die - sofern nicht offenkundig - in jedem

Einzelfall besonders zu prüfen ist (10 ObS 344/00m; 10 ObS 36/97k =

SSV-NF 11/21 = ARD 4885/14/97). Dabei kommt bei der Abgrenzung von

bloßen Hilfsarbeiten und -verrichtungen insbesondere dem Umstand Bedeutung zu, inwieweit die berufliche Qualifikation des Klägers als qualifizierter Schweißer in möglichen Verweisungsberufen verwertet werden kann.

Die Feststellungen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Kläger als Universalschweißer auf qualifizierte Teiltätigkeiten dieses Berufes in Form des Fertigungsprüfers und des Reparateurs verwiesen werden kann, wie das Gericht erster Instanz angenommen hat. Es fällt auf, dass nach dem berufskundlichen Gutachten ON 23 in den genannten Verweisungsberufen eine Ausbildung in einem Metall-, Elektro- oder Elektronikberuf "erwünscht" ist, woraus allenfalls der Schluss gezogen werden könnte, dass für die Ausübung dieser Tätigkeiten ein qualifiziertes Wissen nicht zwingend erforderlich wäre. Bei bloß untergeordneten Teiltätigkeiten, die sich qualitativ nicht hervorheben, würde der Kläger jedoch seinen Berufsschutz verlieren.

Daher werden genaue Feststellungen dazu zu treffen sein, inwieweit in den genannten Verweisungsberufen das berufliche Wissen eines Universalschweißers verwertet werden kann, weil die auszuführenden Tätigkeiten über bloß untergeordnete, sich qualitativ nicht hervorhebende Teiltätigkeiten hinausgehen. Dabei sind die "berufsschutzerhaltenden" Teiltätigkeiten in den Verweisungsberufen konkret anzuführen. Weiters ist festzustellen, welche Anforderungen an solche Ausprägungen der Verweisungsberufe gestellt werden, in denen die erworbene berufliche Qualifikation verwertet werden kann, damit beurteilt werden kann, ob sie mit dem dem Kläger verbliebenen Leistungskalkül in Einklang stehen; insbesondere wird zu klären sein, welche fachspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Universalschweißers bei einer Tätigkeit als Reparateur im Elektro- und Elektronikbereich umgesetzt werden können, zumal die Anforderungen in diesen Berufen doch sehr unterschiedlich sein dürften.

Der Ausschluss des Klägers von seinem bisherigen Beruf als Universalschweißer ist vor allem in der eingeschränkten Leistungsfähigkeit bezüglich des Hebens von Lasten begründet. In diesem Zusammenhang erscheint aufklärungsbedürftig, ob mit der Tätigkeit als Reparateur (oder auch Fertigungsprüfer) im Bereich der Metallindustrie oder des Metallgewerbes ebenfalls solche Belastungen verbunden sind, zumal angenommen werden könnte, dass ein dort eingesetzter Arbeitnehmer mit ähnlichen Werkstücken zu tun hat, die ein Schweißer bearbeitet.

Schließlich ist auch die Zahl der auf dem österreichischen Arbeitsmarkt vorhandenen Arbeitsplätze für derartige Verweisungstätigkeiten, in denen die berufliche Qualifikation des Universalschweißers im angeführten Sinn verwertet werden kann, festzustellen, wobei als Mindestzahl grundsätzlich österreichweit 100 derartige Arbeitsplätze in einem Verweisungsberuf zur Verfügung stehen müssen (SSV-NF 7/37).

Da diese für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Fragen ungeklärt blieben, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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