OGH 1Ob3/02a

OGH1Ob3/02a29.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr. Michael E*****, vertreten durch Dr. Otfried Fresacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte und gefährdete Partei Mag. Werner P*****, vertreten durch Mag. Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in Wien, wegen Übergabe und Abgabe einer Erklärung (Streitwert EUR 66.859,- -) infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 29. Oktober 2001, GZ 2 R 181/01g-17, mit dem der Rekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. September 2001, GZ 28 Cg 209/00x-11, teilweise zurückgewiesen und ihm im Übrigen nicht Folge gegeben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten und gefährdenden Partei die mit EUR 1.836,72 (darin EUR 306,12 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gleichzeitig mit ihrer am 17. 11. 2000 beim Erstgericht eingelangten, auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts für den Kläger an der Liegenschaft EZ 2117 Grundbuch ***** und deren Übergabe an ihn gerichteten Klage beantragte die klagende und gefährdete Partei (im Folgenden: Kläger) die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der beklagten und gefährdenden Partei (im Folgenden: Beklagter) die Veräußerung, Belastung und Verpfändung der Liegenschaft so lange verboten werde, bis der Kläger seinen Anspruch durch Zwangsvollstreckung geltend machen könne. Darüber hinaus wurde beantragt, dieses Verbot im Lastenblatt der Liegenschaft anzumerken und im Eigentumsblatt ersichtlich zu machen. Zwischen den Streitteilen sei am 16. 8. 2000 ein (mündlicher) Kaufvertrag über die dem Beklagten gehörige Liegenschaft zustande gekommen. Der Beklagte habe sich jedoch geweigert, eine Vertragsurkunde darüber zu errichten, und die Liegenschaft offenbar an Ehegatten verkauft. Der Prozessvertreter des Klägers habe am 21.9. 2000 die Käufer von der Tatsache eines Erwerbs durch diesen informiert.

Der Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung aus. Ein Kaufanbot des Klägers habe er nie angenommen; die Vertragsgespräche seien spätestens im Juni 2000 beendet gewesen. In der Folge hätten Ehegatten die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 29. 8. 2000 erworben. Eine einstweilige Verfügung sei auch deshalb nicht zu erlassen, weil er nicht mehr Eigentümer der Liegenschaft sei. Die Käufer hätten bereits um die Einverleibung ihres Eigentumsrechts angesucht.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Gänze ab. Es stellte fest, der Beklagte sei als Eigentümer der Liegenschaft einverleibt; im Range TZ 11.925/00 sei die Rangordnung für die Veräußerung bis 18. 12. 2001 angemerkt. Mit Vertrag vom 29./30. 8. 2000 habe der Beklagte die Liegenschaft an die schon erwähnten Ehegatten verkauft. Da das beantragte Veräußerungsverbot schon auf Grund der zeitlich vorgelagerten Anmerkung der beabsichtigten Veräußerung den mit der Klage beabsichtigten Zweck, das Eigentum an der Liegenschaft zu erlangen, nicht sicherstellen könne, sei eine einstweilige Verfügung nicht zu erlassen; die Wirkung eines nachträglich eingetragenen Veräußerungsverbots könne die rangwahrende Rangordnungsanmerkung nicht beeinträchtigen.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Rekurs, soweit er sich gegen die im estinstanzlichen Beschluss "enthaltene Abweisung des Antrags auf Anmerkung des Belastungs- und Veräußerungsverbots" richtet, zurück und gab ihm im "im Übrigen" in der Hauptsache nicht Folge; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht ging - entsprechend den in der Entscheidung 7 Ob 313/98z angestellten Erwägungen - davon aus, dass der Kläger mit der von ihm beantragten einstweiligen Verfügung sowohl die Erlassung eines (dinglich wirkenden) Belastungs- und Veräußerungsverbots nach § 382 Abs 1 Z 6 EO als auch eines (obligatorischen) Verfügungsverbots im Sinne des § 382 Abs 1 Z 5 EO begehrt habe. Da sich aus dem aktuellen Grundbuchsstand ergebe, dass der Kaufvertrag zwischen dem Beklagten und den Ehegatten bereits im Rang 11.925/00 verbüchert und das Eigentumsrecht je zur Hälfte für die beiden Käufer einverleibt worden ist, sei das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einem Belastungsverbot nach § 382 Abs 1 Z 6 EO - und damit auch seine Beschwer im Rechtsmittelverfahren - weggefallen. Die bücherliche Anmerkung eines derartigen Verbots könnte nämlich nicht vollzogen werden, weil gemäß § 21 GBG eine gegen den nicht mehr als Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Beklagten wirkende Verbotsanmerkung nicht in Betracht komme. Es sei somit insoweit "Unmöglichkeit, den Sicherungszweck zu erreichen, eingetreten". Soweit sich der Rekurs gegen die Abweisung des Antrags auf Erlassung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots gemäß § 382 Abs 1 Z 6 EO im Provisorialverfahren richtet, sei er wegen Wegfalls der Beschwer zurückzuweisen.

Anderes gelte hingegen für den im Sicherungsbegehren "inkludierten" Antrag auf Erlassung eines obligatorischen Verfügungsverbots im Sinne des § 382 Abs 1 Z 5 EO. Ein solches sei trotz der bereits verbücherten Eigentumsübertragung an Dritte (theoretisch) noch nicht zwecklos geworden, weil, erlange der Beklagte die Liegenschaft wieder, der mit dem Verbot bezweckte Schutz des Klägers wirksam werde. Der Erfüllungsanspruch des Käufers bestehe auch im Falle der Doppelveräußerung so lange weiter, als dem Verkäufer die Wiederbeschaffung der Liegenschaft möglich und zumutbar sei. Durch das Verbot könne immerhin verhindert werden, dass der Beklagte über die Liegenschaft abermals zum Nachteil des Klägers verfügt, sofern er daran in Zukunft wieder Eigentum erwerben sollte. Ungeachtet dieser Erwägungen schließe sich der Berufungssenat der vom Obersten Gerichtshof zu 4 Ob 597/88 (= EvBl 1989/85 = NZ 1989, 128) vertretenen Auffassung an, dass ein solches Verbot dann inhaltsleer sei, wenn die Übertragung des Eigentumsrechts an einen Dritten bereits erfolgt ist und nur mehr die bloße theoretische (abstrakte) Möglichkeit einer Rückübertragung des Eigentums an den Verkäufer besteht. Im vorliegenden Fall sei - anders als in den zu 7 Ob 313/98z und 5 Ob 129/95 entschiedenen speziellen Fällen - von einer bloß theoretischen Möglichkeit einer Rückerlangung des Eigentums durch den Beklagten auszugehen. Insbesondere könne keineswegs von einer solchen Schlechtgläubigkeit der Erwerber gesprochen werden, dass sie uU verpflichtet wären, dem Kläger als Erstkäufer zu weichen; sie hätten erst nach Abschluss des Kaufvertrags mit dem Beklagten davon erfahren, dass der Kläger nach seiner Auffassung bereits vorher einen (formlosen) Kaufvertrag über die Liegenschaft abgeschlossen haben könnte. Dass ihnen diese Behauptung vor der Einverleibung ihres Eigentumsrechts zur Kenntnis gebracht worden ist, sei nicht entscheidend. Auch nach den Prozessbehauptungen des Klägers wären die Erwerber zur Rückübertragung des Eigentums an den Beklagten nicht verpflichtet, sodass das vom Kläger begehrte obligatorische Verfügungsgebot gegenüber dem Beklagten von keiner praktischen Bedeutung sei.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Zurückweisung:

Da die rechtlichen Ausführungen des Rekursgerichts im Hinblick auf die Sinnlosigkeit eines Veräußerungs- und Belastungsverbots gemäß § 382 Abs 1 Z 6 EO nach Übertragung des Eigentums durch den Beklagten an Dritte zutreffend sind und mit der einhelligen Judikatur übereinstimmen, reicht es aus, dazu auf die Begründung des Rekursgerichts zu verweisen (§§ 528a iVm 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ob das begehrte dingliche Belastungs- und Veräußerungsverbot allenfalls in einem früheren Verfahrensstadium noch in Betracht gekommen wäre, ist ohne Bedeutung. Es hätte jedenfalls zur Zeit der Entscheidung durch das Rekursgericht angesichts des aktuellen Grundbuchsstands nicht mehr grundbücherlich eingetragen werden können (§ 21 GBG), weil dafür ein Titel gegen den zum Eintragungszeitpunkt einverleibten Eigentümer erforderlich wäre (SZ 67/226 ua). Zu Recht ist das Rekursgericht daher davon ausgegangen, dass das Rechtsschutzinteresse des Klägers an der Erlassung eines solchen Verbots weggefallen ist. Eine erhebliche Rechtsfrage (§ 528 Abs 1 ZPO) ist nicht zu beantworten.

2. Zur Entscheidung in der Sache:

Es entspricht ganz herrschender Judikatur des Obersten Gerichtshofs (Nachweise etwa in RIS-Justiz RS0005034, zuletzt 1 Ob 162/00f), dass eine von vornherein zwecklose einstweilige Verfügung nicht zu bewilligen sei, weil wie jeder Anspruch auch ein solcher auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung eines Rechtsschutzinteresses bedürfe. Dieser Grundsatz wird auch in der vom Rekursgericht für seine Entscheidungsbegründung herangezogenen, zu 4 Ob 597/88 (NZ 1989, 128; nur teilweise veröffentlicht in EvBl 1989/95) ergangenen Entscheidung herangezogen und auf die Fälle der Doppelveräußerung angewendet. Auch hier ist ganz entscheidend darauf abzustellen, ob dem begehrten Verbot - angesichts der im konkreten Einzelfall zu berücksichtigenden Umstände - überhaupt jemals praktische Bedeutung zukommen kann, oder ob vielmehr angenommen werden muss, dass ihm insoweit nur theoretisch-abstrakte Bedeutung zukommen würde, als es nur im Falle ganz außergewöhnlicher Umstände zum Tragen käme.

Auch die vom Rekursgericht als in gewisser Hinsicht "gegenläufig" interpretierten Entscheidungen 5 Ob 129/95 und 7 Ob 313/98z treten der in NZ 1989, 128 wiedergegebenen Judikatur nicht entgegen, sondern geben diese Vorjudikatur, dass die bloß abstrakte Möglichkeit einer Wiedererlangung des Eigentumsrechts durch den Verkäufer im Sicherungsverfahren nicht von Bedeutung sei, als zutreffend wieder. In beiden Entscheidungen wurde angesichts der konkreten Umstände der zu beurteilenden Fälle allerdings angenommen, dass nach den diesen Entscheidungen zu Grunde liegenden Sachverhalten nicht nur eine "bloß abstrakte" Möglichkeit der Rückerlangung vorliege, sondern eine erheblich größere Wahrscheinlichkeit bestehe, weil in einem Fall die bücherliche Eigentumsübertragung anfechtbar (7 Ob 313/98z) und im anderen Fall eine Wiederbeschaffung vor allem auf Grund des Naheverhältnisses des Verkäufers zur Erwerberin in Betracht zu ziehen war (5 Ob 129/95).

Im hier zu beurteilenden Fall liegt jedoch keine derartige Sonderkonstellation vor. Nach den Prozessbehauptungen des Klägers hat dieser (spätestens) am 16. 8. 2000 formlos einen Kaufvertrag über die Liegenschaft mit dem Beklagten abgeschlossen und die späteren Erwerber davon mit Schreiben vom 21. 9. 2000 in Kenntnis gesetzt. Diese hatten aber bereits am 29./30. 8. 2000 einen (offenbar beglaubigt unterfertigten) schriftlichen Kaufvertrag abgeschlossen, auf Grund dessen in der Folge ihr Eigentumsrecht (im Rang 11.925/00) je zur Hälfte verbüchert wurde. Das vom Kläger gegenüber dem Beklagten begehrte (nur obligatorisch wirkende) Verbot musste daher schon zum Zeitpunkt der Antragstellung (17. 11. 2000) ins Leere gehen, weil der Beklagte den Erwerbern nicht nur bereits vertraglich gebunden war, sondern in Anbetracht des Vorliegens einer verbücherungsfähigen Urkunde deren Eigentumserwerb auch durch verfahrensrechtliche Maßnahmen nicht mehr hätte verhindern können.

Im Übrigen legt der Kläger auch in seinem Revisionsrekurs gar nicht dar, dass - und auf welche Weise - der Beklagte in der Lage sein könnte, das Eigentum an der Liegenschaft zurückzuerlangen; er meint vielmehr, dass die Wahrscheinlichkeit eines Rückerwerbs durch den Beklagten nicht ausschlaggebend sei. Der Hinweis darauf, dass die Erwerber - offenbar auf Grund des Schreibens vom 21. 9. 2000 - zum Zeitpunkt der Eigentumseinverleibung "schlechtgläubig" gewesen seien, ist schon deshalb irrelevant, weil es grundsätzlich auf die Umstände bei Vertragsabschluss ankommt; zu diesem Zeitpunkt wussten die Erwerber aber nach der hier maßgeblichen Sachlage noch nichts davon, dass der Kläger der Ansicht ist, bereits früher (obligatorische) Rechte auf Eigentumsübertragung an dieser Liegenschaft erworben zu haben. Soweit sich der Revisionsrekurswerber darauf beruft, dass der gute Glaube "nach ständiger Rechtsprechung" auch im Zeitpunkt der Einverleibung des Eigentumsrechts gegeben sein müsse, bezieht er sich offenbar auf die Judikatur zu den §§ 431, 440 ABGB, die jedoch die vorliegende Problematik schon deshalb nicht betrifft, weil es dort nicht darum geht, dass der Erwerber sein Eigentum unter bestimmten Umständen an den Veräußerer zurückübertragen müsste; vielmehr wird dem ersten Käufer einer Liegenschaft unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Zweiterwerber ein Schadenersatzanspruch mit dem Ziel der Übergabe der gekauften Liegenschaft gewährt (JBl 1981, 535 = EvBl 1981/144).

Da somit kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, der eine Wiedererlangung des Eigentumsrechts an der Liegenschaft durch den Beklagten mehr als nur abstrakt möglich erscheinen ließe, weicht der vorliegende Sachverhalt in keiner Weise von jenen Fällen ab, in denen die bisherige Judikatur des Obersten Gerichtshofs die Sicherungseignung einer beantragten einstweiligen Verfügung verneint hat. Der Fall liegt somit nicht anders als bei einem Verkäufer, der eine weder in seinem Eigentum noch in seiner Gewahrsame stehende Sache verkauft, die der tatsächliche Eigentümer aber behalten will. Auch dort wäre ein Belastungs- und Veräußerungsverbot an den Verkäufer, das nur in dem abstrakten Fall eines (ganz unwahrscheinlichen) späteren Eigentumserwerbs Bedeutung erlangen kann, nicht zu erlassen.

Da sich somit die Judikatur des Obersten Gerichtshofs in der entscheidenden Frage entgegen der Auffassung des Rekursgerichts nicht als uneinheitlich erweist, war das Rechtsmittel mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

3. Kosten:

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 78 EO, 41, 50 ZPO. Dem Beklagten, der in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage - und damit auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels - hingewiesen hat, steht für seinen insoweit zweckmäßigen Schriftsatz Kostenersatz zu.

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