OGH 5Ob237/01s

OGH5Ob237/01s29.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Luise R*****, gegen die Antragsgegnerin N***** GesmbH, ***** wegen Ersatz von Baukosten sowie Gewährung von Verfahrenshilfe, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 20. August 2001, GZ 3 Nc 13/01x-1, womit die Ablehnung sämtlicher Richter des Landesgerichtes Innsbruck in der Rechtssache des Bezirksgerichtes Lienz, AZ 4 Msch 5/01v, als nicht berechtigt erkannt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrte die Rückerstattung der Errichtungskosten der Wohnung und Kostenersatz für die einvernehmlich mit der Vermieterin durchgeführte Haussanierung. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe. Das Bezirksgericht Lienz wies den Verfahrenshilfeantrag ab und das Kostenersatzbegehren zurück. Im Hinblick auf den Verzicht auf sämtliche Ansprüche aus dem Bestandverhältnis gegenüber der Antragsgegnerin im Rahmen der Verfahren vor dem Bezirksgericht Lienz 4 Msch 11/98v und 4 Msch 13/98p (die Antragstellerin sei durch einen Sachwalter vertreten gewesen) seien sämtliche Ansprüche erloschen und der Verfahrenshilfeantrag als aussichtslos anzusehen.

In dem an das Landesgericht Innsbruck erhobenen Rekurs lehnte die Antragstellerin gleichzeitig sämtliche Richter des Landesgerichtes Innsbruck als befangen ab. Sie behauptete im Wesentlichen die Gesetzwidrigkeit und Unwirksamkeit ihrer (Verzichts)Erklärungen vom 7./8. 9. 1999 und berief sich auf einen beigelegten "Virusakt", in dem mehrere "Tiroler Juristen" namentlich angeführt seien, die offenbar vom "Virus der Parteilichkeit zugunsten der Antragsgegnerin befallen" sein sollen. Es werden mehrere Richter des Oberlandesgerichtssprengels Innsbruck und Staatsanwälte des Oberlandesgerichtsprengels Innsbruck aufgezählt, die in diversen Causen zwischen 1987 und 1998 offenbar für die Antragstellerin nachteilige oder abschlägige Entscheidungen gefällt haben sollen. Ein allenfalls daraus resultierender Befangenheitsgrund wurde konkret zu den einzelnen Richtern nicht angeführt. In einer weiteren Aufstellung werden verschiedene Liegenschaften angeführt, die von den "Besitzern" (Inhabern) von der Antragsgegnerin erworben worden seien. Diese Personen hätten im Rekursweg ausschließlich zugunsten der Antragsgegnerin entschieden, oder aber begründete Anzeigen der Antragstellerin zurückgewiesen.

Das Oberlandesgericht Innsbruck erkannte den Antrag als nicht berechtigt und führte dazu im Wesentlichen aus, dass die Ablehnung eines ganzen Gerichtes nur möglich sei, wenn für jede einzelne Person detaillierte Ablehnungsgründe angegeben werden. Selbst (bei pflichtgemäßer Ausübung des Richterberufes) unrichtige Entscheidungen zwischen den gleichen Parteien begründen keine Befangenheit. Der Ablehnungsantrag der Antragstellerin sei weder in formaler noch inhaltlicher Hinsicht gerechtfertigt. Die Liste der Antragstellerin enthalte nur zwei dem Aktivstand angehörige Richter des zur Entscheidung über den Rekurs berufenen Landesgerichtes Innsbruck, wobei ein konkreter Befangenheitsgrund in keinem Fall dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht worden sei. In der Liste jener Personen, die Immobilien von der Antragsgegnerin erworben haben, sei nur ein aktiver Richter des Landesgerichtes Innsbruck enthalten. Der Umstand eines Liegenschaftserwerbes für sich allein begründe aber in keiner Weise die Befürchtung bzw begründete Annahme, der betroffene Richter könne sich bei der Entscheidung von unsachlichen Motiven leiten lassen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der Rekurs der Ablehnungswerberin. Dieser ist zulässig (vgl RIS-Justiz RS0046010, 7 Ob 258/99p, 6 Ob 192/00d), aber nicht berechtigt.

Ein Richter ist als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Es genügt die Besorgnis, dass bei der Entscheidung dieses Richters andere als rein sachliche Motive eine Rolle spielen könnten (7 Ob 258/99p, 1 Ob 42/99d uva). Die Beantwortung der Frage, ob der abgelehnte Richter befangen ist, ist stets in Bezug auf die Rechtssache zu prüfen, in welcher er wegen Befangenheit abgelehnt wurde (8 Ob 3/89, 6 Ob 15/89, 7 Ob 258/99p uva).

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Ablehnung eines ganzen Gerichtes unzulässig ist (RIS-Justiz RS0046005, RS0045983). Pauschalablehnungen oder substanzlose Verdächtigungen und Beschuldigungen, die wegen ihres mangelnden Tatsachengehaltes nicht auf ihre abstrakte Berechtigung überprüft werden können und die ihren Grund offenbar in der Missbilligung vorangegangener Entscheidungen haben, sind nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RIS-Justiz RS0046011). Die Ablehnungswerberin präzisiert in ihrem Rekurs, dass sie nur die Richter ablehne, die einmal in "Sachen Neue Heimat Tirol" involviert gewesen seien und die sie unter Hinweis auf das jeweilige Aktenzeichen angeführt habe. Sie verweist darauf, dass ihre Verzichtserklärungen außergerichtlich erfolgt seien und diese unwirksam sei. Die Sachwalterschaft sei ihr aufoktruiert worden. Die Befangenheit von Richtern, die Immobilien von der Antragsgegnerin erworben haben, sei "einer Überprüfung zu unterziehen". Die Hinweise für die Befangenheit der in ihren Rechtssachen bisher tätigen Richter sei unübersehbar. In der Folge führt sie aber nur Argumente an, aus denen sich eine Unwirksamkeit der abgegebenen Verzichtserklärung ergeben solle.

Abgesehen davon, dass nach dem Vorbringen der Rekurswerberin die von ihr inkriminierten Verzichtserklärungen außergerichtlich abgegeben wurden, könnte auch die Missbilligung der vorangegangenen gerichtlichen Entscheidungen für sich allein - wie bereits oben dargelegt - nicht zu einer Befangenheit der betroffenen Richter führen. Die Vermutung, dass ein Richter, der eine Liegenschaft von einer gemeinnützigen Wohn- und Siedlungs GesmbH erwirbt, nunmehr dieser gegenüber befangen sei, ist ohne weitere Anhaltspunkte unberechtigt, entsteht doch durch die Abwicklung eines Vertrages in der Regel keine die Objektivität beeinflussende Nahebeziehung zwischen den Parteien. Die Rekurswerberin kann auch Tatsachen, aus denen sich anderes ergeben könnte, gar nicht behaupten. Es fehlt daher an einem Substrat für die Annahme der Befangenheit aller Richter des Landesgerichtes Feldkirch bzw jener Richter, die bereits einmal in einer die Antragstellerin betreffenden Rechtssache entschieden haben.

Der Rekurs der Ablehnungswerberin musste daher erfolglos bleiben.

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