OGH 8Ob274/00b

OGH8Ob274/00b24.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1. Ing. Hans B***** Baugesellschaft mbH & Co KG, *****, und 2. M***** Bau GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Herbert Maschitz ua, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei Stadtwerke H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian und Dr. Johannes Margreiter, Rechtsanwälte in Hall in Tirol, wegen EUR 546.766,69 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Juni 1999, GZ 5 R 39/98v-44, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. August 1998, GZ 14 Cg 108/97w-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Das Revisionsverfahren wird bis zur Fassung eines Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Tirol betreffend das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Erteilung des Zuschlages im Vergabeverfahren "Projekt Garagen-, Schul- und Sportanlage" unterbrochen.

Die Fortsetzung des Revisionsverfahrens findet nur über an das Erstgericht zu stellenden Antrag statt.

Text

Begründung

Mit der am 12. 5. 1997 eingebrachten Klage beantragten die Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von S 7,523.673,85 sA und stützten dieses Begehren darauf, dass die beklagte Partei durch die Erteilung des Zuschlages im Vergabeverfahren "Projekt Garagen-, Schul- und Sportanlage" die EG-Vergaberichtlinien verletzt und gegen die Grundsätze des Bundesvergabegesetzes sowie des Tiroler Landesvergabegesetzes und den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verstoßen habe.

Am 18. 12. 1996 stellten die Kläger beim Landesvergabeamt beim Amt der Tiroler Landesregierung einen auf die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 8 TVergG 1994 gerichteten Antrag mit dem Begehren zu entscheiden, dass die von ihnen gebildete ARGE Best- und Billigstbieterin im oben angeführten Vergabeverfahren sei. Im Spruch seines Bescheides vom 25. 2. 1997, VG 32/28, stellte das Landesvergabeamt fest, dass in diesem Vergabeverfahren der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde, und sprach weiters aus, dass der Antrag der beklagten Partei gemäß § 12 TVergG festzustellen, dass der Bietergemeinschaft auch bei Einhaltung des TVergG oder einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes der Zuschlag nicht erteilt worden wäre, abgewiesen wird.

Die beklagte Partei sowie die Stadtgemeinde H***** erhoben gegen diesen Bescheid des Landesvergabeamtes beim Amt der Tiroler Landesregierung gemäß Art 144 Abs 1 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit dem Antrag, gemäß § 87 Abs 1 VfGG den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte aufzuheben. Der Antrag der beklagten Partei, den Rechtsstreit bis zum Vorliegen der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die von der beklagten Partei gegen den Bescheid des Tiroler Landesvergabeamtes eingebrachte Beschwerde zu unterbrechen, wies das Rekursgericht in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses ab und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Unterbrechungsgrund auf; der Oberste Gerichtshof wies das dagegen erhobene Rechtsmittel der beklagten Partei zurück. In der Folge entschied das Erstgericht mit Zwischenurteil, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zu. Gegen dieses Urteil erhob die beklagte Partei Revision. Im Stadium des Revisionsverfahrens hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. 6. 2000, B 835/97-18, den angefochtenen Beschluss, ohne über die übrigen geltend gemachten Verfassungswidrigkeiten abzusprechen, mit der Begründung auf, dass die beklagte Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihrem durch Art 6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal verletzt worden sei. Die Zusammensetzung des im vorliegenden Fall tätiggewordenen Organes entspreche nicht den Anforderungen des Art 6 EMRK.

Der Oberste Gerichtshof unterbrach hierauf aus folgenden wesentlichen Überlegungen das Revisionsverfahren bis zur Fassung eines neuerlichen Bescheides des Landesvergabeamtes beim Amt der Tiroler Landesregierung:

Sowohl das TVergG 1994 als auch das TVergG 1998 sehen vor, dass eine Schadenersatzklage nur zulässig sei, wenn zuvor eine Feststellung des Landesvergabeamtes nach § 12 Abs 2 TVergG 1994 bzw § 20 TVergG 1998 erfolgt sei und dass das Gericht und die Parteien des Verfahrens vor dem Landesvergabeamt an eine solche Feststellung gebunden seien. Im vorliegenden Fall sei im Stadium des Revisionsverfahrens der Bescheid nachträglich infolge Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof weggefallen. Daraus könne aber keineswegs geschlossen werden, dass infolge Aufhebung des Bescheides das gesamte Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen wäre, weil dies zu einer prozessual unökonomischen Nutzlosigkeit des bisherigen Verfahrensaufwandes führen würde. Auch nach Aufhebung des Beschlusses des Landesvergabeamtes durch den Verfassungsgerichtshof liege der Antrag der klagenden Partei an das Landesvergabeamt zur Entscheidung weiterhin vor; das Landesvergabeamt werde hierüber neuerlich zu entscheiden haben und die Zivilgerichte würden an diese Entscheidung gebunden sein. Auf die Aufhebung des Bescheides infolge fehlerhafter Zusammensetzung des tätig gewordenen Organes des Landesvergabeamtes habe die klagende Partei keinerlei Einfluss gehabt. In ihrem Interesse liege die Erhaltung des bisherigen Prozessergebnisses, soweit dies möglich sei. Diesem Bedürfnis könne am besten dadurch Rechnung getragen werden, dass das Verfahren einstweilen gemäß § 190 Abs 1 ZPO bis zum Vorliegen eines neuerlichen Bescheides des Landesvergabeamtes, an den das Zivilgericht gebunden sei, unterbrochen werde; dies sei auch im Revisionsverfahren zulässig, wenn das Verwaltungsverfahren bereits zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz anhängig gewesen sei und wie im vorliegenden Fall der Bescheid für den Schadenersatzanspruch präjudiziell sei.

Mit Bescheid vom 11. 9. 2000, VG 32/39, entschied das Landesvergabeamt neuerlich im Sinn seiner ersten Entscheidung, worauf die klagenden Parteien mit dem am 12. 10. 2000 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz die Fortsetzung des Revisionsverfahrens beantragten.

Gegen diesen neuerlichen Bescheid des Landesvergabeamtes Tirol erhob die beklagte Partei neuerlich am 24. 11. 2000 Beschwerde gemäß Art 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof aus im Wesentlichen denselben Gründen wie in ihrer ersten Beschwerde; insbesondere lägen auch weiterhin Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mitglieder des Tiroler Vergabeamtes vor, da dieselben Personen entschieden hätten.

Mit Beschluss vom 26. 11. 2001 wies der Verfassungsgerichtshof zu B 2158/00-12 die Beschwerde zurück, weil die angefochtene Erledigung nicht als Bescheid zu qualifizieren sei:

"Die angefochtene Erledigung wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft am 13. 10. 2000 zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt war gemäß des mit der Novelle zum Tiroler Vergabegesetz LGBl 59/2000 neugefassten § 6 als Nachprüfungsinstanz bereits der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Tirol eingesetzt. Gemäß Art II der zitierten Novelle sollte § 6 in dieser Fassung mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung im Landesgesetzblatt in Kraft treten; das Landesgesetzblatt 59/2000 wurde am 12. 9. 2000 ausgegeben, § 6 stand sohin in der erwähnten Fassung ab 13. 9. 2000 in Geltung. Für beim Inkrafttreten dieser Novelle beim Tiroler Landesvergabeamt anhängige Verfahren bestimmt Art II Abs 3, dass solche vom Unabhängigen Verwaltungssenat weiterzuführen sind.

Die rechtlichen Grundlagen, auf die sich ein Bescheid stützt, sind stets nach der Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu beurteilen; ein Bescheid gilt dann als erlassen, wenn er der Partei gegenüber zugestellt (oder mündlich verkündet) worden ist. Die von der beschwerdeführenden Gesellschaft bekämpfte Erledigung wurde nicht mündlich verkündet, sondern - wie aus dem Verwaltungsakt hervorgeht - ihr (nach einer Vorabinformation per Telefax am 10. 10. 2000) zuhanden ihres Rechtsvertreters am 13. 10. 2000 zugestellt. Zum Zeitpunkt der Zustellung der vorliegenden Entscheidung war das Tiroler Landesvergabeamt, das als "bescheiderlassende" Behörde aufgetreten ist, aber rechtlich nicht mehr existent. Da die vorliegend bekämpfte Erledigung von einer im maßgeblichen Zeitpunkt nicht (mehr) existenten Verwaltungsbehörde erlassen wurde, kann ihr Bescheidqualität nicht zukommen; sie kann daher keinen tauglichen Beschwerdegegenstand bilden."

Rechtliche Beurteilung

Aus diesem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes folgt, dass derzeit noch nicht vom Vorliegen eines neuerlichen Bescheides in der vorliegenden Vergabesache auszugehen ist, sodass die zwingende präjudizielle Feststellung fehlt, dass wegen einer Rechtswidrigkeit der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde (TVergG 1994) bzw dass er im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes oder der hiezu erlassenen Verordnung steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist (TVergG 1998). Aus dem bereits in der genannten Vorentscheidung des erkennenden Senates vom 7. 9. 2000, 8 Ob 268/99s, genannten Gründen ist auch nunmehr nicht das gesamte Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen, weil dies zu einer prozessual unökonomischen Nutzlosigkeit des bisherigen Verfahrensaufwandes führen würde. Dem Bedürfnis nach möglichster Aufrechterhaltung des bisherigen Verfahrensaufwandes muss auch in der vorliegenden Fallkonstellation dadurch Rechnung getragen werden, dass bis zum Vorliegen eines Bescheides des nunmehr zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Tirol über das von der klagenden Partei vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz rite eingeleitete Nachprüfungsverfahren das Revisionsverfahren unterbrochen wird, hatte doch keine der Parteien Einfluss darauf, dass zwischenzeitig das TVergG mit LGBl 59/2000, in Kraft getreten am 13. 9. 2000, neuerlich geändert wurde und nunmehr gemäß § 6 als Nachprüfungsinstanz der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Tirol zuständig ist, jedoch nicht dieser, sondern noch das Landesvergabeamt beim Amt der Tiroler Landesregierung entschieden hat.

Eine Fortsetzung des Revisionsverfahrens wird nur über Antrag einer der Parteien, der beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen sein wird, erfolgen.

Über die Kosten des Revisionsverfahrens ist im derzeitigen Stadium des Verfahrens nicht zu entscheiden.

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