OGH 8Ob268/99s

OGH8Ob268/99s7.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. Hans B*****esellschaft mbH & Co KG, *****, und 2. M***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Herbert Maschitz ua, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei Stadtwerke H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian und Dr. Johannes Margreiter, Rechtsanwälte in Hall in Tirol, wegen S 7,523.673,85 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Juni 1999, GZ 5 R 39/98v-44, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. August 1998, 14 Cg 108/97w-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Das Revisionsverfahren wird bis zur Fassung eines neuerlichen Bescheides des Landesvergabeamtes beim Amt der Tiroler Landesregierung betreffend das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Erteilung des Zuschlages im Vergabeverfahren "Projekt Garagen-, Schul- und Sportanlage" unterbrochen.

Die Fortsetzung des Revisionsverfahrens findet nur über an das Erstgericht zu stellenden Antrag statt.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mit der am 12. 5. 1997 eingebrachten Klage beantragten die Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von S 7,523.673,85 sA und stützten dieses Begehren darauf, dass die beklagte Partei durch die Erteilung des Zuschlages im Vergabeverfahren "Projekt Garagen-, Schul- und Sportanlage" die EG-Vergaberichtlinien verletzt und gegen die Grundsätze des Bundesvergabegesetzes sowie des Tiroler Landesvergabegesetzes und den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verstoßen habe.

Am 18. 12. 1996 stellten die Kläger beim Landesvergabeamt beim Amt der Tiroler Landesregierung einen auf die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 8 TVergG 1994 gerichteten Antrag mit dem Begehren zu entscheiden, dass die von ihnen gebildete ARGE Best- und Billigstbieterin im oben angeführten Vergabeverfahren sei.

Im Spruch seines Bescheides vom 25. 2. 1997, VG 32/28, stellte das Landesvergabeamt fest, dass in diesem Vergabeverfahren der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde, und sprach weiters aus, dass der Antrag der beklagten Partei gemäß § 12 TVergG festzustellen, dass der Bietergemeinschaft auch bei Einhaltung des TVergG oder einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes der Zuschlag nicht erteilt worden wäre, abgewiesen wird.

Die beklagte Partei sowie die Stadtgemeinde H***** erhoben gegen diesen Bescheid des Landesvergabeamtes beim Amt der Tiroler Landesregierung gemäß Art 144 Abs 1 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit dem Antrag, gemäß § 87 Abs 1 VfGG den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte aufzuheben.

Der Antrag der beklagten Partei, den Rechtsstreit bis zum Vorliegen der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die von der beklagten Partei gegen den Bescheid des Tiroler Landesvergabeamtes eingebrachte Beschwerde zu unterbrechen, wies das Rekursgericht in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses ab und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Unterbrechungsgrund auf; der Oberste Gerichtshof wies das dagegen erhobene Rechtsmittel der beklagten Partei zurück.

In der Folge entschied das Erstgericht mit Zwischenurteil, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zu.

Gegen dieses Urteil erhob die beklagte Partei Revision.

Im Stadium des Revisionsverfahrens hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. 6. 2000, B 835/97-18, den angefochtenen Beschluss, ohne über die übrigen geltend gemachten Verfassungswidrigkeiten abzusprechen, mit der Begründung auf, dass die beklagte Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihrem durch Art 6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal verletzt worden sei. Die Zusammensetzung des im vorliegenden Fall tätiggewordenen Organes entspreche nicht den Anforderungen des Art 6 EMRK.

Gemäß § 29 TVergG 1998, LGBl 17/1998, sind auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens mit 1. 3. 1998 bereits anhängige Verfahren in materieller Hinsicht noch die Bestimmungen des TVergG, LGBl 87/1994 anzuwenden; im prozessualer Hinsicht sind bereits die Bestimmungen des TVergG 1998 anzuwenden. Dies ist jedoch für den vorliegenden Fall von untergeordneter Bedeutung, weil sowohl § 14 Abs 7 TVergG 1994 wie auch der im Wesentlichen inhaltsgleiche § 25 Abs 7 TVergG 1998 vorsehen, dass eine Schadenersatzklage nur zulässig ist, wenn zuvor eine Feststellung des Landesvergabeamtes nach § 12 Abs 2 TVergG 1994 bzw § 20 TVergG 1998 erfolgt ist (nämlich dass wegen einer Rechtswidrigkeit der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde [TVergG 1994] bzw dass er in Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes oder der hiezu erlassenen Verordnungen steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist [§ 19 Abs 1 TVergG 1998]) und dass das Gericht und die Parteien des Verfahrens vor dem Landesvergabeamt an eine solche Feststellung gebunden sind.

Im vorliegenden Fall ist im Stadium des Revisionsverfahrens der Bescheid nachträglich infolge Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof weggefallen. Daraus kann aber keineswegs geschlossen werden, dass infolge Aufhebung des Bescheides das gesamte Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen wäre, weil dies zu einer prozessual unökonomischen Nutzlosigkeit des bisherigen Prozessaufwandes führen würde (vgl verstärkter Senat vom 22. 10. 1998, 8 ObA 2344/96f, SZ 71/175).

Auch nach Aufhebung des Beschlusses des Landesvergabeamtes durch den Verfassungsgerichtshof - an diese Möglichkeit dachte der Gesetzgeber anders als bei Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes (Art 14 Abs 8 TVergG 1994 bzw § 25 Abs 8 TVergG 1998) nicht - liegt der Antrag der klagenden Partei an das Landesvergabeamt zur Entscheidung nach § 12 Abs 2 TVergG 1994 bzw § 20 TVergG 1998 weiterhin vor; das Landesvergabeamt wird hierüber neuerlich zu entscheiden haben und die Zivilgerichte werden an diese Entscheidung gebunden sein.

Auf die Aufhebung des Bescheides infolge fehlerhafter Zusammensetzung des tätig gewordenen Organes des Landesvergabeamtes hatte die klagende Partei keinerlei Einfluss. In ihrem Interesse liegt die Erhaltung des bisherigen Prozessergebnisses, soweit dies möglich ist. Insbesondere dann, wenn wie hier sich der Prozess bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befindet, würde es eine Verweigerung des vom Kläger angestrebten Rechtschutzzieles bedeuten, würde man das Verfahren als nichtig aufheben und die Klage zurückweisen. Aus Art 6 Abs 1 Satz 1 EMRK ist ein Anspruch des Klägers auf Entscheidung über den von ihm in einem rite bei einem Gericht eingeleiteten Rechtsstreit geltend gemachten Anspruch abzuleiten. Es besteht daher ein Bedürfnis nach einer diesem Rechtschutzgewährungsanspruches soweit als möglich Rechnung tragenden Lösung (vgl verstärkter Senat vom 22. 10. 1998, 8 ObA 2344/96f, SZ 71/175 mwN).

Diesem Bedürfnis kann am besten dadurch Rechnung getragen werden, dass das Verfahren einstweilen gemäß § 190 Abs 1 ZPO bis zum Vorliegen eines neuerlichen Bescheides des Landesvergabeamtes, an den das Zivilgericht gemäß § 14 Abs 7 zweiter Satz TVergG 1994 bzw § 25 Abs 7 zweiter Satz TVergG 1998 gebunden ist, unterbrochen wird.

Gemäß § 190 ZPO kann eine Unterbrechung des Verfahrens angeordnet werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Auch ein Revisionsverfahren kann unter diesen Voraussetzungen unterbrochen werden, wenn das Verwaltungsverfahren bereits zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz anhängig war (SZ 47/100; SZ 33/44; Arb 8.522; JBl 1955, 173; JBl 1954, 464 ua; zuletzt 1 Ob 42/87; vgl auch 6 Ob 2016/96f; Fasching, Kommentar II 917). Im vorliegenden Fall ist ein Bescheid des Landesvergabeamtes im oben erwähnten Sinn für den Schadenersatzanspruch der klagenden Partein präjudiziell.

Eine Fortsetzung des Revisionsverfahrens wird nur über Antrag einer der Parteien, der beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen sein wird, erfolgen.

Über die Kosten des Revisionsverfahrens ist im derzeitigen Stadium des Verfahrens nicht zu entscheiden.

Stichworte