OGH 5Ob185/01v

OGH5Ob185/01v13.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Maria Pilar S*****, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in Neulengbach, betreffend Grundbuchshandlungen ob der EZ ***** KG*****, infolge Revisionsrekurses der Mathilde N*****, vertreten durch Dr. Karl Haas, Rechtsanwalt in St. Pölten als mit Beschluss des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 23. Februar 2001 zu 1 P 42/00m bestellter einstweiliger Sachwalter gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 4. April 2001, AZ 7 R 7/01m, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 5. Dezember 2000, TZ 2779/00, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von S 1,240.105,98 sA führte die R***** Genossenschaft mbH Exekution durch Zwangsversteigerung der der Mathilde N***** gehörigen Liegenschaftshälfte der EZ ***** Grundbuch*****. Mit Beschluss vom 7. 9. 1999 wurde der Betreibenden der Zuschlag erteilt (AZ 5 E 3477/96z des BG Tulln). Mit Kaufvertrag vom 30. 6./20. 7. 2000 verkaufte die Ersteherin diese Liegenschaftshälfte der nunmehrigen Antragstellerin.

Das Verfahren zur geräumten Übergabe der Liegenschaft an die Ersteherin wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Tulln vom 10. 5. 2000, GZ 5 E 3477/96z-264, ausgesetzt.

Bereits am 3. 3. 2000 war zu 11 Cg 447/93k des Handelsgerichtes Wien, in dem Mathilde N***** Beklagte war, das Verfahren ausgesetzt und der Akt dem Bezirksgericht Neulengbach als Pflegschaftsgericht zur Entscheidung übermittelt worden, ob betreffend der beklagten Mathilde N***** ein Sachwalter zu bestellen oder sonst eine entsprechende Maßnahme zu setzen sei.

Im Verfahren 1 P 42/00m des Bezirksgerichtes Neulengbach wurde für Mathilde N***** mit Beschluss vom 23. 2. 2001 Dr. Karl Haas zum einstweiligen Sachwalter gemäß § 238 Abs 2 AußStrG bestellt.

Am 13. 11. 2000 hatte die Antragstellerin, die von der Ersteherin die Liegenschaftshälfte erworben hatte, mit dem verfahrenseinleitenden Antrag in diesem Verfahren ihre Eigentumseinverleibung gemäß § 22 GBG beantragt. Das Erstgericht bewilligte dieses Eintragungsbegehren mit Beschluss vom 5. 12. 2000, TZ 2779/00. Der Bewilligungsbeschluss wurde Mathilde N***** am 11. 12. 2000 eigenhändig zugestellt.

Dagegen erhob sie Rekurs an das Landesgericht St. Pölten mit dem Begehren auf Abänderung der Entscheidung im Sinn einer Abweisung des Einverleibungsbegehrens. Als Begründung führte sie an, dass das gegen sie geführte Versteigerungsverfahren ausgesetzt sei und vor dessen Beendigung keine grundbücherlichen Eintragungen vorgenommen werden dürften.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Gericht zweiter Instanz diesem Rekurs nicht Folge. Gemäß § 156 Abs 1 EO gehe die Gefahr der zur Versteigerung gelangten Liegenschaft mit dem Tag der Erteilung des Zuschlags auf den Ersteher über. Nach § 156 Abs 2 EO habe die Übergabe der Liegenschaft an den Ersteher und die bücherliche Eintragung seines Eigentumsrechts erst nach Erfüllung der Versteigerungsbedingungen zu erfolgen. Das bedeute, dass nach vollständiger Erfüllung der Versteigerungsbedingungen und nach Eintritt der Rechtskraft der Erteilung des Zuschlags und damit nach unbedingtem Erwerb des Eigentums der Ersteher Anspruch darauf habe, dass ihm die versteigerte Liegenschaft in seinen Besitz übergeben werde. Das Zwangsversteigerungsverfahren hingegen sei mit Rechtskraft des Zuschlages beendet. Das Verfahren zur zwangsweisen Übergabe der Liegenschaft an die Ersteherin stelle ein eigenes Exekutionsverfahren nach § 294 EO dar, sodass eine vom Erstgericht verfügte Aussetzung dieses Verfahrens eine bücherliche Einverleibung der Ergebnisse des Versteigerungsverfahrens nicht hindere. Die Ersteherin habe die Liegenschaftshälfte an die Antragstellerin weiterveräußert, sodass eine geschlosse Kette von Titeln vorliege und eine Einverleibung der Antragstellerin vorzunehmen gewesen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht S 260.000 übersteige und ein ordentlicher Revisionsrekurs nicht zulässig sei, änderte jedoch letzteren Ausspruch über Antrag der Mathilde N***** dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei. Die Rekursentscheidung wurde dem mittlerweile bestellten Sachwalter am 15. 5. 2001 zugestellt.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Mathilde N*****, vertreten durch ihren einstweiligen Sachwalter, mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Abweisung des Grundbuchsantrags. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Unter Hinweis auf die Bestimmung des § 94 Abs 1 Z 2 GBG und die dazu ergangene Rechtsprechung führt die Revisionsrekurswerberin ins Treffen, es lägen beachtliche Gründe vor, die Prozessfähigkeit der Mathilde N***** auch während des Zwangsversteigerungsverfahrens in Zweifel zu ziehen und damit Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des am 7. 9. 1999 erteilten Zuschlags. Es sei zwar richtig, dass die Bestellung des einstweiligen Sachwalters grundsätzlich nur für die Zukunft wirke, also für die Zeit ab der Wirksamkeit der Bestellung des Sachwalters. Doch sei nach ständiger Rechtsprechung für davor liegende Zeiträume zu klären, ob die Partei durch einen gesetzlichen Vertreter ordnungsgemäß vertreten war bzw ob ein Sachwalter bisherige Prozessschritte genehmigte. Dabei sei die Indizwirkung einer notwendig gewordenen Sachwalterbestellung für eine anzunehmende Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Betroffenen auf maximal ein Jahr vor den Bestellungsakt auszudehnen, sofern nicht konkrete Belege für einen bereits länger anhaltenden Zustand beschränkter Handlungsfähigkeit vorlägen.

Diese Voraussetzungen seien vorliegendenfalls erfüllt. Zwar sei der Sachwalter erst am 23. 2. 2001 bestellt worden, doch hätten sich schon mehr als ein Jahr vor diesem Zeitpunkt im Verfahren 11 Cg 447/93k des Handelsgerichtes Wien Bedenken gegen die Prozessfähigkeit der dort Beklagten ergeben. Somit bestünden auch für den davor liegenden Zeitraum, nämlich Ende 1999 Bedenken an der Prozessfähigkeit der Mathilde N*****.

Liege aber keine rechtswirksame Zuschlagserteilung vor, sei ein Einverleibungsbegehren der Antragstellerin nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mathilde N***** ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Zunächst trifft zu, dass zufolge der Bestimmung des § 94 Abs 1 Z 2 GBG das Grundbuchsgericht die Verbücherung eines Vertrages dann nicht bewilligen darf, wenn sich Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit des Veräußerers im Zeitpunkt der Vertragserrichtung ergeben, wobei durch die Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters infolge psychischer Erkrankung des Betroffenen oder durch den Abbau geistiger Fähigkeiten verursachtem Verlust der vollen Handlungsfähigkeit der Schluss als zulässig angesehen wird, dass die Handlungsfähigkeit des Betroffenen schon vor der Einleitung konkreter Schutzmaßnahmen gelitten haben kann. Bei der zeitlichen Erfassung dieses Zustandes ist jedoch Vorsicht geboten. Gemäß § 17 ABGB wird die Geschäftsfähigkeit einer Person so lange als bestehend angenommen, als nicht die gesetzmäßige Beschränkung bewiesen wird (vgl Aicher in Rummel**2 Rz 1 zu § 17 ABGB). Diese Vermutung, dass jeder erwachsene Mensch voll handlungsfähig ist, aber auch Gründe der Rechtssicherheit gebieten es, die Indizwirkung einer notwendig gewordenen Sachwalterbestellung für eine anzunehmende Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Betroffenen in der Regel auf maximal ein Jahr vor dem Bestellungsakt auszudehnen, sofern nicht konkrete Belege für einen bereits länger anhaltenden Zustand beschränkter Handlungsfähigkeit vorliegen (vgl JBl 1997, 774 mwN; RIS-Justiz RS0107975; RS0060681).

Im vorliegenden Fall steht jedoch nicht die rechtsgeschäftliche Verfügungsfähigkeit eines der Beteiligten in Frage, sondern die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung, im Konkreten, einer Zuschlagserteilung. Damit stellt sich das Problem als eines des Umfangs der Prüfungsbefugnis und -pflicht des Grundbuchsrichters dar. Das Grundbuchsverfahren als reines Akten- und Urkundenverfahren (immolex 1997/161) ist dem Rangprinzip (§ 29 GBG) verpflichtet und daher gezwungen, ohne Zwischenerledigungen auszukommen (§ 95 Abs 1 GBG). Dementsprechend ist die Prüfungsmöglichkeit und -befugnis des Grundbuchsrichters eingeschränkt (Hoyer FS Kralik 215). Was sich nicht aus dem Grundbuchsgesuch in Verbindung mit dem Grundbuchsstand und den vorgelegten Urkunden ergibt, kann grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Das Fehlen von Eintragungshindernissen ist nicht überprüfbar. In diesem beschränkten Prüfungsumfang manifestiert sich die Notwendigkeit, das dem Eintragungsgegner oder einem Beteiligten nicht gewährte rechtliche Gehör, soweit es das Einführen von Tatsachenbehauptungen und -nachweisen erfordert, auf andere Weise zu gewährleisten. Das leisten die Löschungsklagen des GBG und andere grundbücherlich anzumerkende Klagen. Das Grundbuchsverfahren gewährt keine Garantien für die sachliche Richtigkeit der bewilligten und vollzogenen Eintragungen, wohl aber die Möglichkeit der Korrektur unrichtiger Eintragungen aufgrund entsprechender Urkunden, die außerbücherlich zu beschaffen sind (Hoyer, JBl 1994, 651; JBl 1985, 97; Spielbüchler in Rummel3 Rz 3 zu § 431 ABGB).

Die beschränkte Prüfungsmöglichkeit und -befugnis des Grundbuchsrichters lässt es daher nicht zu, Umstände wahrzunehmen, mit denen der Eintragungsgegner die Rechtsbeständigkeit einer formell rechtskräftigen Zuschlagserteilung in Frage stellt. Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang auf die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes verwiesen, dass die Prozessfähigkeit des Verpflichteten und die damit verbundene Unwirksamkeit der im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens vorgenommenen Zustellungen nur innerhalb der Frist des § 187 Abs 1 letzter Satz EO geltend gemacht werden können (also innerhalb von 14 Tagen ab dem Versteigerungstermin) und für den Beginn dieser Frist die Zustellung an den gesetzlichen Vertreter nicht erforderlich ist. Das bedeutet, dass durch den Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses über die Erteilung des Zuschlags allfällige Mängel des vorangegangenen Zwangsversteigerungsverfahrens geheilt werden (vgl Angst in Kommentar zur EO Anm 1 und 4 zu § 189 EO mit Rechtsprechungshinweisen).

Es muss im Weiteren nicht mehr darauf eingegangen werden, ob überhaupt zureichende Gründe urkundlich dargetan wurden, eine mangelnde Prozessfähigkeit der Eintragungsgegnerin für einen Zeitpunkt anzunehmen, der 1 1/2 Jahre vor Bestellung eines einstweiligen Sachwalters liegt (Zuschlagserteilung 7. 9. 1999; Sachwalterbestellung 23. 2. 2001).

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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