OGH 7Ob172/01x

OGH7Ob172/01x26.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günter S*****, vertreten durch Dr. Jürgen Amann und Dr. Alexander Jehle, Rechtsanwälte in Rankweil, gegen die beklagte Partei W***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr. Klaus Grubhofer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 99.374,43 samt Anhang, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 17. April 2001, GZ 3 R 110/01a-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 25. Jänner 2001, GZ 3 C 1431/00w-7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Im Rahmen einer Althaussanierung beauftragten Lydia und Gerit P***** die Firma B***** mit der Verlegung eines neuen Parkettbodens. Als sich herausstellte, dass die Neuverlegung des Parketts Nivellierungsarbeiten erforderte, die von der Firma B***** nicht erbracht werden konnten, wurde der Kläger damit beauftragt. Danach entschlossen sich Lydia und Gerit P***** auch noch dazu, die Sockelleisten in den Parkettboden absenken zu lassen, was ebenfalls nicht von der Firma B***** durchgeführt werden konnte. Der Kläger bot an, nicht nur die Sockelleisten abzusenken, sondern überhaupt auch den Parkettboden selbst zu verlegen. Die beteiligten Personen kamen überein, dass der Vertrag über die Neuverlegung des Parketts mit dem ursprünglich beauftragten Unternehmen aufgelöst werde und der Kläger zum gleichen Entgelt diese Arbeiten verrichten solle. Die Nivellierungsarbeiten und Parkettbodenverlegungsarbeiten erforderten zwei Arbeitstage. Am ersten Tag wurde die Ausgleichsmasse aufgetragen und am zweiten Tag die Spanplatten und der Parkettboden verlegt. Bei den Nivellierungsarbeiten wurde eine Wasserleitung angebohrt, wodurch es im Oktober 1999 bei der ersten Inbetriebnahme der Heizung und nach Verlegen des Parkettbodens zu einem Wasserschaden in der Wohnung von Lydia und Gerit P***** sowie in der darunter liegenden Wohnung gekommen ist. Für dessen Sanierung war die Entfernung und Neuverlegung des vom Kläger verlegten Parkettbodens notwendig. Der Kläger führte diese Arbeiten selbst durch. Die Beklagte bezahlte als Haftpflichtversicherer des Klägers bisher S 150.460.

Dem Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag zwischen den Parteien liegen die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung 1993 (in der Folge AHVB 1993 und EHVB 1993) zu Grunde.

Art 7 der AHVB 1993 regelt die Ausschlüsse vom Versicherungsschutz.

"1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht

1.1. Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;

...

1.3. die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung

...

9. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden, die an den vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen infolge einer in der Herstellung oder Lieferung liegenden Ursache entstehen.

10. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an

...

10.2. beweglichen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen;

10.3. jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung, Benützung oder einer sonstigen Tätigkeit sind. ..."

Der Kläger begehrt nun vom beklagten Haftpflichtversicherer weitere S 99.374,43 samt Anhang mit der Begründung, dass dieser Betrag für die Neuverlegung des Parketts habe aufgewendet werden müssen. Der Auftrag zur Verlegung des Parkettbodens sei völlig getrennt und unabhängig vom Auftrag zur Nivellierung des Bodens erteilt worden, sodass von zwei verschiedenen Werken auszugehen sei.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren unter Hinweis darauf, dass Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel bzw. Schäden am vom Versicherungsnehmer selbst erstelltem Werk von der Versicherung ausgeschlossen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren vollinhaltlich ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, dass bei natürlicher Betrachtungsweise zwischen den Nivellierungsarbeiten und den Verlegearbeiten nicht zu unterscheiden sei. Nach der Verkehrsauffassung sei der ganze Boden als Tätigkeitsobjekt des Klägers anzusehen, weshalb der Boden ein Ausschlussobjekt sei und der Risikoausschluss nach Art 7, 9 AHVB 1993 zur Anwendung komme.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das angefochtene Urteil mit der Begründung auf, dass der Kläger zunächst nur den Auftrag zur Erbringung der Nivellierungsarbeiten erhalten habe. Erst nach Erbringung dieser Arbeiten habe er den weiteren Auftrag zur Verlegung des Parkettbodens erhalten. Der Parkettboden konnte also bei Setzen der Schadensursache, nämlich beim Anbohren der Heizwasserleitung im Zuge der Nivellierungsarbeiten, nicht als "zwangsläufig in Mitleidenschaft gezogen" im Sinne der Judikatur angesehen werden. Die Beschädigung am eigentlichen Parkettboden sei von der Tätigkeitsklausel betreffend die Ausführung der Nivellierungsarbeiten nicht erfasst. Wäre der Parkettboden von einem anderen Unternehmen verlegt worden, so wäre jedenfalls die Entfernung und Neuverlegung des Parketts und die damit verbunden Arbeiten als Haftpflichtfall zu qualifizieren. Der Umstand, dass der Kläger nachträglich auch für die Parkettverlegung beauftragt worden sei, könne ihm nicht zum Nachteil gereichen. Es fehle aber zur abschließenden rechtlichen Beurteilung an detaillierten Feststellungen dazu, welche Arbeiten für die Neuverlegung des Parketts notwendig gewesen seien. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob bei gestaffelter zeitlich nacheinander erfolgter Auftragsvergabe für zwei Werke der Sanierungsaufwand für das später erstellte zweite Werk herrührend aus einem Fehler bei Erstellung des ersten Werkes - auch wenn diese beiden Werke in einem gewissen Zusammenhang stehen - unter die Tätigkeitsklausel falle oder nicht.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Der Kläger beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Einleitend ist festzuhalten, dass die erteilten Werkverträge - was auch das Berufungsgericht erkannt hat - nicht als Einheit zu sehen sind. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wurde der Werkvertrag über die Neuverlegung des Parketts erst geschlossen, nachdem der Werkvertrag über die Nivellierung des Unterbodens abgeschlossen war. Schon aus dem Umstand heraus, dass zunächst ein drittes Unternehmen den Parkettboden verlegen sollte, ergibt sich, dass nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung (vgl Mecenovic aaO, S 163, Wussow aaO, S 543) die Verträge nicht als Einheit anzusehen sind.

Es entspricht ganz allgemein einem Grundgedanken der Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko im Allgemeinen nicht auf den Versicherer zu übertragen. Das Unternehmerrisiko soll grundsätzlich nicht versicherungsfähig sein (SZ 58/196, 7 Ob 2018/96g, 7 Ob 297/98x, 7 Ob 228/99a ua). Zur Absicherung dieses Grundsatzes dienen die Haftungsausschlüsse nach Art 7 AHVB 1993. Hiebei ist die Herstellungs- und Lieferungsklausel nach Art 7, 9 AHVB 1993 von der Tätigkeitsklausel nach Art 7, 10.2 und 3 AHVB 1993 zu unterscheiden.

Unter einer "Tätigkeit" an einer Sache ist eine bewusste und gewollte, auf einen bestimmten Zweck abgestellte, nicht nur zufällige Einwirkung auf eine Sache zu verstehen. Es genügt, dass gelegentlich einer an einer anderen Sache auszuführenden Arbeit auch eine Tätigkeit an der später beschädigten Sache bewusst und gewollt durchgeführt wird. Dabei ist davon auszugehen, wie die Tätigkeit im Einzelfall nach allgemeiner Verkehrsauffassung zu bewerten ist. Unter die Ausschlussklausel fallen auch Vorgänge, bei denen weitere Gegenstände beschädigt bzw beeinträchtigt werden, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zwar nicht zwangsläufig Gegenstand der Bearbeitung wurden, sich aber im Gefahrenbereich der Arbeiten befanden und sohin der Obhut des Versicherungsnehmers unterlagen. Nur reine Vorbereitungshandlungen, die in keinem Zusammenhang mit der ausführenden beruflichen Tätigkeit stehen, fallen noch nicht unter die Tätigkeitsklausel (7 Ob 2018/96g, 7 Ob 7/90, 7 Ob 2/88, 7 Ob 406/97z, 7 Ob 297/98x ua). Die Tätigkeitsklausel kann schon aus dem Grund hier also nicht zur Anwendung kommen, als im Zeitpunkt der schadensverursachenden Nivellierungsarbeiten der Parkettboden naturgemäß noch nicht verlegt war, er sohin damals nicht Gegenstand der Tätigkeit gewesen sein konnte.

Zu prüfen ist aber auch noch, ob sich die Beklagte auf die Herstellungs- und Lieferungsklausel nach Art 7, 9 AHVB 1993 stützen kann, weil sich aus den rechtserheblichen Einwendungen der Beklagten eine solche Subsumtion ableiten lässt.

Die Herstellungs- und Lieferungsklausel verlangt - angewandt auf den vorliegenden Fall -, dass an den vom Versicherungsnehmer hergestellten bzw gelieferten Arbeiten oder Sachen ein Schaden entstanden ist, der seine Ursache in der Herstellung oder Lieferung selbst hat (vgl Fenyves in VR 1991, 3, Mecenovic, Die Herstellungsbzw Lieferungsklausel in der allgemeinen Haftpflichtversicherung, S 23 ff). Die Herstellungs- und Lieferungsklausel kommt daher nur dann zur Anwendung, wenn sich das Ursachenereignis (der Mangel) und das Folgeereignis (der Schaden) in bzw an ein und derselben Sache abspielen (Mecenovic aaO, 163). Gedeckt sind hingegen Schäden, die durch eine hergestellte Sache entstehen, sowie "mittelbar" aus einer mangelhaften Leistung entstandene Schäden (Fenyves aaO; Prölss/Martin26, 1193). Schäden, die durch die Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit gelieferter Waren, Erzeugnisse oder Arbeiten an Personen und Sachen entstehen, sind gedeckt (Achatz ua, Erläuterungen zu AHVB 1993, 106). Nur Schäden also, die am hergestellten Produkt entstehen und ihre Ursache in der Herstellung oder Lieferung haben, sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen (Wussow8 AHVB, 542).

Die Beklagte kann sich eben nicht mit Erfolg auf die Herstellungs- und Leistungsklausel berufen:

Hier liegt kein Mangel im hergestellten Werk vor. Die Nivellierungsarbeiten selbst sind nämlich nicht zu beanstanden, es wurde "nur" anlässlich dieser Tätigkeit ein Heizungswasserrohr angebohrt, wodurch erst in der Folge der Schaden entstanden ist.

Weiters findet die Herstellungs- und Leistungsklausel keine Anwendung, wenn zwei verschiedene Aufträge erteilt werden und infolge eines Fehlers in der Lieferung der einen Sache ein Schaden hinsichtlich der später gelieferten Sache entsteht (Wussow aaO, 543 f). Lediglich der durch das Anbohren des Heizungswasserrohrs entstandene Wasserschaden machte die Neuverlegung des Parkettbodens notwendig. Dadurch liegt kein Schaden am Parkettboden vor, der seine Ursache in seiner Herstellung hat. Die Beklagte ist daher zur Deckung der Kosten der Neuverlegung verpflichtet. Die vom Berufungsgericht als notwendig erachteten Feststellungen sind im Ergebnis tatsächlich entscheidungsrelevant.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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