OGH 7Ob7/90

OGH7Ob7/9022.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siegfried S***, Elektrounternehmer, Griffen Nr.14, vertreten durch Dr. Siegfried Rack und Dr. Franz Grauf, Rechtsanwälte in Völkermarkt, wider die beklagte Partei A*** E*** V*** AG, Generaldirektion für Österreich, Wien 1, Bösendorferstraße 13, vertreten durch Dr. Johann Tischler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 27.648,80 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 6. Dezember 1989, GZ 2 R 442/89-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Völkermarkt vom 28. September 1989, GZ 2 C 2/88-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.292,80 (darin S 548,80 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger schloß am 24.September 1985 mit der beklagten Partei einen Haftpflichtversicherungsvertrag ab, dem die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1978 und EHVB 1978) zugrundeliegen. Art.7 Punkt 9.2. der AHVB 1978 lautet: "Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen". Am 19.September 1986 erhielt der Kläger von einem Unternehmen den Auftrag, einen Defekt an der Kompressoranlage dieses Unternehmens zu beheben. Die Kompressoranlage war in einem gesonderten Raum aufgestellt und bestand aus zwei Kompressoren und einem Schaltkasten. Der Kläger entfernte zunächst den Frontdeckel des Schaltkastens durch Herausschrauben von vier Befestigungsschrauben und behielt zumindest einen Teil dieser Schrauben in der Hand. Er stellte einen Defekt am "Kompressor 2" fest, der darin bestand, daß ein Öldruckventil nicht schaltete. Der Kläger behob den Schaden und beobachtete in der Folge beide Kompressoren etwa 10 Minuten lang in ihrer Funktion. Dann ging er zum "Komressor 1", um dessen Temperatur mit jener des anderen Kompressors zu vergleichen. In dem Moment, in dem der Kläger mit jener Hand, in der sich noch die Schrauben befanden, zur Wicklung des Kompressors greifen wollte, schaltete sich dieser ein. Der Kläger erschrak. Eine Schraube entfiel ihm und gelangte durch die Lüfteröffnung zwischen das Lüfterrad und die Stirnwicklung, wo sie verrieben wurde und einen Schaden am Motor des Kompressors verursachte. Durch die Behebung des Schadens entstanden Kosten von S 27.648,80.

Der Kläger begehrt den Ersatz dieses Betrages. Die beklagte Partei hafte für die Schadenersatzverpflichtung des Klägers, zumal der beschädigte Kompressor von der Reparaturarbeit nicht umfaßt gewesen sei.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die in den Motor des Kompressors gefallene Schraube sei dem Kläger nicht entglitten, sie habe sich durch Vibration vom Gehäuse des Motors von selbst gelöst. Überdies sei der Versicherungsschutz nach Art.7 Punkt 9.2. der AHVB 1978 ausgeschlossen. Sei der Schaden auf die vom Kläger geschilderte Weise entstanden, liege eine Tätigkeit an der beschädigten Sache vor. Auch das Auflegen der Hand zur Prüfung der Wärme sei bewußt und gewollt vorgenommen worden.

Das Erstgericht gab der Klage - mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens, dessen Abweisung unbekämpft geblieben ist - statt. Durch das Auflegen der Hand zur Temperaturprüfung habe der Kläger den "Kompressor 1" noch nicht in seine Arbeitstätigkeit miteinbezogen. Der Kläger habe an diesem Kompressor nicht die geringste Tätigkeit vornehmen wollen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig ist. Die Ausschlußklausel des Art.7 Punkt 9.2. der AHVB 1978 greife auch dann ein, wenn die Tätigkeit an der beschädigten Sache nicht der Endzweck der geplanten unternehmerischen Arbeitsleistung gewesen sei, sondern nur gelegentlich einer an einer anderen Sache auszuführenden Arbeit auch eine Tätigkeit an der später beschädigten Sache bewußt und gewollt durchgeführt werde und wenn die aus dem Auftrag sich ergebende Arbeit zwangsläufig oder aus Zweckmäßigkeitsgründen auch eine Tätigkeit an einer anderen Sache mit sich bringe. Die Intensität der Einwirkung sei belanglos. Es sei unwesentlich, ob die Einwirkung zur Erfüllung des Auftrages notwendig gewesen sei oder ob sie nur der Versicherungsnehmer als erforderlich angesehen habe, ob sie geboten oder unvernünftig gewesen sei. Ganz abgesehen davon, daß die aus zwei Kompressoren bestehende Anlage als Gesamtheit Gegenstand des dem Kläger erteilten Instandsetzungsauftrages gewesen sei und der Kläger erst im Zuge der Inangriffnahme der Reparatur erhoben habe, wo ein Defekt bestehe, sei das bloße Handauflegen auf der Wicklung zum Zwecke der Wärmeprüfung als eine "sonstige Tätigkeit" im Sinne der Ausschlußbestimmung anzusehen. Zu Recht habe sich daher die beklagte Partei auf die Ausschlußbestimmung des Art.7 Punkt 9.2. der AHVB 1978 berufen. Ob auch ein Haftungsausschluß nach Art.7 Punkt 9.3. der AHVB 1978 gegeben wäre, wenn man den beschädigten Kompressor als unbewegliche Sache betrachten würde, sei nicht zu untersuchen, weil der Kläger erst in der Berufungsbeantwortung unter Verletzung des im Berufungsverfahren geltenden Neuerungsverbotes behauptet habe, der Kompressor sei im Betriebsraum des Unternehmens fest verankert und daher als unbewegliche Sache anzusehen. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil zur behandelten Ausschlußbestimmung für bewegliche Sachen eine höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorhanden sei. Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, es im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seiner Revision geltend, daß die beklagte Partei für das Vorliegen eines Ausschlusses gemäß Art.7 der AHVB 1978 und somit auch dafür beweispflichtig sei, daß es sich bei dem beschädigten Generator um eine bewegliche Sache handle. Ein konkretes Vorbringen dazu habe die beklagte Partei nicht erstattet, das Erstgericht habe hiezu auch keine Feststellungen getroffen. Ein stabil mit dem Untergrund verankerter schwerer Kompressor könne ohne Schädigung seiner Substanz nicht entfernt werden. Er sei darüber hinaus Zubehör zu einer unbeweglichen Sache und damit unbeweglich im Sinne der §§ 293, 297 ABGB. Der "Kompressor 1" sei nicht unmittelbar Gegenstand einer Bearbeitung, Benützung oder sonstigen Tätigkeit gewesen. Auch der Ausschluß des Versicherungsschutzes nach Art.7 Punkt 9.3. der AHVB 1978 sei deshalb nicht gegeben. Es mag durchaus zutreffen, daß der beschädigte Kompressor Zubehör (und selbständiger Bestandteil) einer unbeweglichen Sache, nämlich der Liegenschaft, auf der das Unternehmen des Auftraggebers des Klägers betrieben wird, und damit selbst eine unbewegliche Sache im Sinne der §§ 293 ff ABGB ist. Doch war die Frage, ob es sich bei dem Kompressor um eine bewegliche oder unbewegliche Sache handelt, im Verfahren vor dem Erstgericht nicht strittig. Die beklagte Partei hat den Kompressor, wie sich aus der ausdrücklichen Einwendung des Ausschlußtatbestandes des Art.7 Punkt 9.2. der AHVB 1978 ergibt, als eine bewegliche Sache angesehen. Der Kläger hat die solcherart behauptete Qualifikation im erstinstanzlichen Verfahren nicht bestritten. Hätte er es getan, so hätte zweifelsfrei die beklagte Partei zu beweisen gehabt, daß eine bewegliche Sache gegeben ist. Denn die Beweislast für das Vorliegen eines Ausschlußtatbestandes trifft den Versicherer (Prölss-Martin, VVG24, 951). Im Rechtsmittelverfahren aber ist der Kläger durch das Neuerungsverbot an der Nachholung eines derartigen Vorbringens gehindert. Handelt es sich bei dem Kompressor aber um eine bewegliche Sache, hat das Berufungsgericht zu Recht das Vorliegen des Ausschlußtatbestandes des Art.7 Punkt 9.2. der AHVB 1978 als gegeben angenommen. Der Zweck der Tätigkeitsklausel liegt darin, den Versicherer in einem gewissen Umfang vom erhöhten Risiko zu befreien, das sich aus der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers ergibt (Wussow, AHB6, 364). Unter einer "Tätigkeit" an einer Sache im Sinne der vorgenannten Bestimmung ist ebenso wie im Sinne des Ausschlußtatbestandes des Art.7 Punkt 9.3. der AHVB 1978 eine bewußte und gewollte, auf einen bestimmten Zweck abgestellte, nicht nur zufällige Einwirkung auf eine Sache zu verstehen. Es genügt, daß gelegentlich einer an einer anderen Sache auszuführenden Arbeit auch eine Tätigkeit an der später beschädigten Sache bewußt und gewollt durchgeführt wird. Bewußt und gewollt muß nicht die Schadenszufügung, sondern lediglich die Einwirkung auf die Sache sein (VersRdSch 1988, 203 und 267 mwN, Prölss-Martin aaO 956, Wussow aaO 371). Der Kläger stellt nicht in Abrede, daß das Handauflegen auf den Kompressor bewußt und gweollt war und daß er eine Tätigkeit an dem Kompressor durchführen wollte. Der Umstand, daß er dabei eine Schraube, die sich in seiner Hand befunden hatte, ungewollt fallen ließ und dadurch den Schaden verursachte, ist ohne rechtliche Bedeutung. Gewiß kann, wie bereits erwähnt, eine bloß zufällige Einwirkung auf eine Sache nicht als Tätigkeit im Sinne der Klausel aufgefaßt werden (Wussow aaO). Doch ist dem Kläger die Schraube nicht entfallen, als er zufällig bei dem Kompressor stand, sondern als er im Begriffe war, die Temperatur dieses Kompressors mit der jenes Gerätes, das er instandgesetzt hatte, durch Auflegen seiner Hand zu vergleichen. Ob aber gerade die bewußte Tätigkeit selbst den Schaden herbeiführt, ist gleichgültig (Wussow aaO). Bmnerkt sei, daß das Ergebnis nicht anders wäre, ginge man davon aus, daß der Kompressor eine unbewegliche Sache ist und die beklagte Partei dementsprechend einen Ausschluß vom Versicherungsschutz nach Art.7 Punkt 9.3. der AHVB 1978 eingewendet hätte. Der durch das Hineinfallen einer Schraube beschädigte Kompressor wäre in diesem Fall als Teil einer unbeweglichen Sache, der unmittelbar Gegenstand der Tätigkeit des Klägers war, anzusehen gewesen (vgl. VersRdSch 1988, 267 und Prölss-Martin aaO 959).

Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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