OGH 3Ob60/01x

OGH3Ob60/01x29.8.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei V*****, vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichtete Partei V*****, vertreten durch Dr. Gerald Ganzger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Jänner 2001, GZ 47 R 1124/00t bis 1134/00p-16, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 16. Oktober 2000, GZ 25 E 4534/00k-1, und vom 3. November 2000, GZ 25 E 4534/00k-6 bis 11, abgeändert wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen, soweit er sich gegen Punkt I. des Beschlusses des Rekursgerichtes richtet.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird hingegen Folge gegeben, soweit er sich gegen Punkt IV. des Beschlusses des Rekursgerichtes richtet.

Der Beschluss des Rekursgerichtes wird in diesem Punkt dahin abgeändert, dass die Strafbeschlüsse des Erstgerichtes ON 6 bis 11 wiederhergestellt werden.

Die verpflichtete Partei ist schuldig, der betreibenden Partei die mit S 32.985,- (darin enthalten S 5.497,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs gegen Punkt I. des Beschlusses des Rekursgerichtes:

Die Beurteilung des Rekursgerichtes, die Gewährung der Leistungen laut Gutscheinheft sei nicht von der Verlängerung eines Abonnements abhängig, stellt - nach dem maßgeblichen Eindruck, den ein flüchtiger Durchschnittsbetrachter gewinnt (SZ 68/88) - keine auffallende Fehlbeurteilung des Nichtvorliegens eines Verstoßes gegen den Exekutionstitel mit Zugabenverbot dar. Die betreibende Partei zeigt im Revisionsrekurs in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

2. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs gegen Punkt IV. des Beschlusses des Rekursgerichtes:

Die verpflichtete Partei wurde mit Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 29. 5. 2000, schuldig erkannt, es ab sofort zu unterlassen, unentgeltliche Zugaben zur Zeitschrift N***** - insbesondere Spielkarten, CDs, Handys mit Freisprecheinrichtung und Router - anzukündigen oder zu gewähren.

Die betreibende Partei behauptete in den Strafanträgen ON 6 bis ON 11, die verpflichtete Partei verstoße gegen diese Exekutionstitel, indem sie auf der Titelseite der - vom 25. 10. 2000 bis 30. 10. 2000 vertriebenen - Ausgabe 43/00 der Zeitschrift "N*****" ankündige: "Auf CD. Die besten Kabarett Kult-Filme" und "Gewinn. Werden Sie Millionär". Überdies klebe auf der Titelseite eine CD, die auch als CD-Rom und DVD verwendbar sei. Gratis-CD und Millionen-Quiz würden auch auf Werbeplakaten angekündigt, die in ganz Österreich aufgestellt seien. Schließlich kündige die verpflichtete Partei diese gesetzwidrigen unentgeltlichen Zugaben in einem Inserat in der ebenfalls von ihr vertriebenen Zeitschrift "t*****" Nr 44/00 an.

Das Erstgericht verhängte mit sechs Strafbeschlüssen vom 3. 11. 2000 jeweils Geldstrafen von S 200.000.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei Folge und wies die Strafanträge der betreibenden Partei ab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes bei jedem Strafbeschluss S 260.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs in Ermangelung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, wenn der betreibenden Partei für ein und dieselbe Handlung der verpflichteten Partei zwei Unterlassungstitel zur Verfügung stünden, könne trotzdem für jeden Verstoß nur einmal eine Strafe verhängt werden. Die betreibende Partei habe dann die Wahl, von welchem Exekutionstitel sie Gebrauch machen wolle. Wenn sie in Missbrauch ihres Exekutionsrechts für ein und dieselbe Handlung in verschiedenen Exekutionsverfahren, das eine Mal auf den einen, das andere Mal auf den anderen Exekutionstitel gestützt, einen Strafantrag stelle, so sei einer dieser Strafanträge in Ermangelung eines Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen.

Im vorliegenden Verfahren sei zu beachten, dass das Handelsgericht der verpflichteten Partei auch mit Urteil vom 20. 6. 2000, aufgetragen habe, es ab sofort zu unterlassen, unentgeltliche Zugaben zur Zeitschrift t***** anzukündigen und/oder zu gewähren. Aufgrund dieses Urteils sei der betreibenden Partei mit Beschluss des Erstgerichtes vom 16. 10. 2000 die Unterlassungsexekution bewilligt worden. In den dort gestellten Strafanträgen ON 5 und ON 8 bis ON 12 stütze die betreibende Partei ein titelwidriges Verhalten der verpflichteten Partei ua darauf, dass die verpflichtete Partei in der zwischen 25. 10. und 30. 10. 2000 vertriebenen Ausgabe Nr 43/00 der Zeitschrift N***** eine Gratis-CD als Zugabe zur Zeitschrift t***** beworben habe. Dort habe das Erstgericht jeweils Geldstrafen von S 200.000 verhängt.

Da der von der betreibenden Partei inkriminierte Vertrieb der Zeitschrift N***** nicht zweimal geahndet werden dürfe, seien die nun gestellten Strafanträge in Stattgebung des Rekurses der Verpflichteten als unberechtigt abzuweisen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist zulässig, weil das Rekursgericht mit seiner Entscheidung von den - zur Zeit seiner Beschlussfassung allerdings noch nicht vorliegenden - Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 3 Ob 211/00a (= MR 2001, 176 = ÖBl-LS 2001/80), 3 Ob 238/00x und 3 Ob 2/01t abweicht; er ist auch berechtigt.

Das Rekursgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass in dem hier entscheidenden und in dem anderen zwischen denselben Parteien anhängige Exekutionsverfahren dieselben Verstöße gegen den jeweiligen Exekutionstitel geltend gemacht worden seien. Während es hier in erster Linie darum geht, ob die verpflichtete Partei in der Zeitschrift N***** für diese Zeitschrift Zugaben angekündigt hat und nur zusätzlich noch geltend gemacht wird, dass in derselben Ausgabe der Zeitschrift eine Zugabe für t***** angekündigt wurde, liegt dem anderen Verfahren in erster Linie zugrunde, dass in der Zeitschrift t***** eine Zugabe für diese Zeitschrift angekündigt wurde, wobei darüber hinaus allerdings auch die Ankündigung einer Zugabe für die Zeitschrift N***** und t***** geltend gemacht wird. Es liegt demnach nur eine teilweise Überschneidung der in den Verfahren geltend gemachten Titelverstöße vor; in der Hauptsache handelt es sich um verschiedene Verstöße in verschiedenen Medien.

Verstößt ein Verpflichteter in verschiedenen Medien gegen die jeweiligen, auf diese Medien bezogenen Exekutionstitel, dann liegen ebenso zwei Verstöße vor, wie wenn diese von zwei verschiedenen Medieninhabern gesetzt worden wären. Bei Unterlassungsgeboten betreffend zwei Medien ist er verpflichtet, beide nicht weiter zu vertreiben, weshalb ihm auch zwei Verstöße zur Last liegen, wenn er dies nicht tut. Es kann dem Berechtigten nicht verwehrt sein, zur Durchsetzung seiner verschiedenen Ansprüche für jeden dieser Ansprüche einen eigenen Exekutionstitel zu erwirken, und sei dies auch nur zu dem Zweck, um die effizientere Durchsetzung zu ermöglichen; in einem solchen Fall liegt kein Rechtsmissbrauch vor (3 Ob 211/00a, veröffentlicht in MR 2001, 176 = ÖBl-LS 2001/80, mit eingehender Begründung; ebenso 3 Ob 238/00x, 3 Ob 2/01t).

Im vorliegenden Fall, in dem die betreibende Partei aufgrund von verschiedenen Exekutionstiteln in verschiedenen Exekutionsverfahren Zugabenverstöße inkriminiert, liegt nach der nunmehr vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichtes somit nicht ein missbräuchliches Vorgehen der betreibenden Partei vor; die (späteren) Strafanträge sind nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen.

Bei der Beurteilung, ob ein Verstoß gegen den Exekutionstitel, der ein Zugabenverbot enthält, vorliegt, ist von dem in ständiger Rechtsprechung (4 Ob 329/99d = MR 2000, 110 uva in RIS-Justiz RS0084061) vertretenen Grundsatz auszugehen, dass nicht starr an den in Vergangenheit oder Gegenwart üblichen Strukturen und Inhalten solcher Druckerzeugnisse festzuhalten, sondern auf die sich wandelnde Verkehrsauffassung Bedacht zu nehmen ist.

Die - auch von der verpflichteten Partei im Rekurs gegen die erstinstanzlichen Strafbeschlüsse nicht bestrittene - Zugabeneigenschaft der Spice-Girls-CDs ist somit zu bejahen. Gleiches gilt für das Millionen-Gewinnspiel.

Entgegen der Ansicht der verpflichteten Partei kann nicht davon die Rede sein, dass sie in allen inkriminierten Werbemitteln für eine gleichwertige Bezugs- und Teilnahmemöglichkeit gesorgt hätte, die auch mit dem gleichen Auffälligkeitswert angekündigt worden wäre.

Die verpflichtete Partei hat jeweils auf der Flappe angekündigt "Gratis-CD auch unter Tel *****" und "Gratis-Teilnahme Tel *****"; entsprechende Hinweise sind auch auf den Werbeplakaten angebracht.

Auch wenn der Auffälligkeitswert dieser Ankündigung nicht verneint werden kann, wird damit jedoch nicht eine entsprechende gleichwertige Alternative aufgezeigt, zumal es sich hiebei um eine gebührenpflichtige Wiener Festnetznummer handelt, bei deren Wahl - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die beanstandeten Ankündigungen in ganz Österreich erfolgen und Wartezeiten auftreten können - erhebliche Telefonkosten auflaufen können.

Die Höhe der vom Erstgericht verhängten Strafen ist schon im Hinblick auf das fortgesetzte, klar wettbewerbswidrige Verhalten der verpflichteten Partei durchaus angemessen. Die Strafbeschlüsse des Erstgerichtes waren daher wiederherzustellen, wobei es keine Bedeutung hat, dass die Exekutionsbewilligung rechtskräftig beseitigt wurde, weil der erste Strafbeschluss (hier ON 4) an ihre Stelle tritt (Klicka in Angst, EO § 355 Rz 14 mwN).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO, §§ 41, 50 ZPO.

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