Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Revisionsrekursbeantwortung wird, insoweit sie sich gegen einen angenommenen Revisionsrekurs "gegen die Republik Österreich" richtet, zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger richtete seine am 31. 8. 1999 beim Erstgericht überreichte Klage gegen die beklagte Partei "Republik Österreich Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Bundessozialamt Wien, Niederösterreich, Burgenland" und begehrte, die beklagte Partei zur Zahlung eines Betrages von S 2,154.458,50 netto schuldig zu erkennen. Er habe gegen seinen - während des Rechtsstreits in Konkurs verfallenen - ehemaligen Arbeitgeber ein rechtskräftiges und vollstreckbares Urteil über die ihm zustehenden beendigungsabhängigen Ansprüche erwirkt. Das Bundessozialamt Wien, Niederösterreich, Burgenland habe den rechtzeitig gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld zur Gänze mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei leitender Angestellter im Sinn des § 1 Abs 6 Z 3 IESG gewesen und habe daher keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld. Dieser Standpunkt halte einer näheren Überprüfung nicht stand, weil dem Kläger kein dauernder maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens zugestanden sei. Das Bundessozialamt habe in seinem Bescheid auch gar nicht festgestellt, dass dem Kläger ein derartig maßgebender Einfluss zugekommen wäre. Die Bestimmung des § 1 Abs 6 Z 3 IESG und sohin der auf dieser Bestimmung gründende Bescheid widerspreche geltendem Gemeinschaftsrecht. Leitende Angestellte - mit oder ohne dauernden maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung - seien nicht vom Schutzbereich der Richtlinie 80/987/EWG ausgenommen. Dieser Verstoß gegen die Richtlinie führe zur Unwendbarkeit der Ausschlussbestimmung des § 1 Abs 6 Z 3 IESG, sodass der Kläger jedenfalls Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld habe.
Die Beklagte wendete dagegen ein, der Kläger habe gemeinsam mit seinem Schwiegervater die faktische Leitung des Unternehmens innegehabt. Er sei de facto mit der Geschäftsführung betraut gewesen, sodass ihm keine Arbeitnehmereigenschaft zugekommen sei. Zur Problematik in europarechtlicher Hinsicht werde darauf verwiesen, dass "in Anlehnung an die einschlägige europarechtliche Judikatur die Möglichkeit eröffnet wäre, die Republik Österreich auf Schadenersatz zu klagen, zumal eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie nicht in Frage kommt".
In der daraufhin vom Erstgericht anberaumten Tagsatzung führte der Klagevertreter aus, dass bewusst die Republik Österreich, nämlich das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales geklagt worden sei, weil der Kläger auf dem Standpunkt stehe, die Republik Österreich habe gegen die Richtlinie verstoßen. "Sollte jedoch diese Richtlinie nicht unmittelbar anwendbar sein, wird das Klagebegehren ausdrücklich auf Schadenersatz gestützt, der sich daraus ergibt, dass die Republik Österreich diese Richtlinie nicht direkt in das Nationalrecht übergeleitet hat". Weiters beantragte der Klagevertreter für den Fall, dass die Klage richtig an die Republik Österreich gerichtet worden sei und nicht das Bundessozialamt zuständig wäre, die Fällung eines Versäumungsurteils, da sich die Republik Österreich nicht am Verfahren beteiligt habe.
Das Erstgericht behielt sich die Entscheidung über diesen Antrag vor, nahm Beweise über die Art des Angestelltenverhältnisses des Klägers auf und sprach schließlich ohne Vorliegen einer Unzuständigkeitseinrede oder eines Überweisungsantrags mit Beschluss ON 12, in dem es im Kopf seiner Entscheidung als Beklagte die "Republik Österreich", vertreten durch die Finanzprokuratur, anführte, seine sachliche Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für ZRS Wien. Das vom EuGH entwickelte Staatshaftungsrecht begründe einen Schadenersatzanspruch der Unionsbürger gegen ihren Heimatstaat wegen Nichtumsetzung einer Richtlinie. Einen solchen Schadenersatz habe der Kläger von Anfang an in seiner Klage geltend gemacht. Die Übermittlung der Klage durch die Finanzprokuratur an das Bundessozialamt beruhe daher auf einem Irrtum. Das Bundessozialamt habe sich zwar in das Verfahren eingelassen, sei aber nicht die für die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in das innerstaatliche Recht berufene Partei. Aus dem vom Kläger gegen seinen ehemaligen Dienstgeber angestrengten Arbeitsgerichtsverfahren ergebe sich, dass der Kläger leitender Angestellter seines Dienstgebers gewesen sei. Die Prüfung seiner Schadenersatzansprüche gegen den Bund obliege den ordentlichen Gerichten.
Das Gericht zweiter Instanz, das im Kopf seiner Entscheidung als Beklagte das "Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland", vertreten durch die Finanzprokuratur, bezeichnete, gab mit dem angefochtenen Beschluss den dagegen erhobenen Rekursen beider Parteien Folge, hob den erstinstanzlichen Beschluss ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage auf. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN gelte seit der ZVN 1983 auch für den Ausspruch über die sachliche Unzuständigkeit im Verhältnis zwischen den Arbeits- und Sozialgerichten und den ordentlichen Gerichten. Allerdings gelte der vergleichbare Rechtsmittelausschluss im § 261 Abs 6 ZPO dann nicht, wenn der Kläger keinen Überweisungsantrag gestellt habe, wenn an ein Gericht überwiesen wurde, das der Kläger gar nicht bezeichnet habe oder wenn das Gericht ohne Antrag einer Partei eine bereits geheilte Unzuständigkeit aufgegriffen habe. Werde - wie hier - ohne Vorliegen einer Unzuständigkeitseinrede und ohne Vorliegen eines Überweisungsantrages die sachliche Unzuständigkeit vom Erstgericht ausgesprochen und die Rechtssache an ein ordentliches Gericht überwiesen, könne der sonst geltende Rechtsmittelausschluss des § 45 JN nicht zum Tragen kommen. Da die Überweisung an ein ordentliches Gericht erfolgt sei, lägen die Voraussetzungen des § 38 Abs 2 ASGG nicht vor. Eine Prozessüberweisung gemäß § 261 Abs 6 ZPO komme mangels Unzuständigkeitseinrede und entsprechenden Antrags des Klägers nicht in Frage. Schon deshalb müsse der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben werden.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes sei dieses aber auch für das Verfahren über den schon ursprünglich mit der Klage geltend gemachten Anspruch sachlich zuständig. Trotz der irreführenden Bezeichnung der Beklagten in der Klage habe der Kläger einen gemäß § 10 IESG gegen das Bundesamt, das den ablehnenden Bescheid erlassen habe, gerichteten Anspruch geltend gemacht. Auch mit seinen Ausführungen in der Tagsatzung vom 19. 11. 1999, wonach er bewusst die Republik Österreich geklagt habe und erst in zweiter Linie das Bundessozialamt, weil ihm mangels Umsetzung der Richtlinie gegen die Republik Österreich ein Schadenersatzanspruch zustehe, habe der Kläger den mit der Klage erhobenen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld nicht fallen lassen. Der Kläger habe lediglich einen weiteren Anspruch geltend gemacht, der ihm allerdings nicht gegen den vom Bundessozialamt vertretenen Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zustehe und auch nicht in die Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte falle. Über die dargestellte Änderung der Klage habe das Erstgericht nicht entschieden. Es habe auch nicht schlüssig über die Klagsänderung abgesprochen und könne der Umstand, dass der Vertreter des Bundessozialamtes der Änderung der Klage nicht entgegengetreten sei, keine Streiteinlassung bewirken, weil das Bundessozialamt zur gesetzlichen Vertretung der Republik Österreich zur Abwehr von Ansprüchen aus der Staatshaftung nicht berufen sei. Auf Grund des Umstandes, dass die Klage deutlich erkennbar gegen das Bundessozialamt gerichtet gewesen, ein zulässiger Parteiwechsel nicht vollzogen worden und der Anspruch auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld nach wie vor aufrecht erhalten worden sei, sei die Bezeichnung der Beklagten auf das aus dem Kopf dieser Entscheidung ersichtliche Bundessozialamt richtigzustellen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist unzulässig.
Nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidugen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, sind nach § 45 JN nicht anfechtbar. Durch die Neuformulierung des Gesetzeswortlautes durch die ZVN 1983 sollte noch klarer ausgedrückt werden, dass die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit eines Gerichts nie angefochten werden kann (AB 1337 BlgNR 15. GP, 3). Diese Unanfechtbarkeit gilt auch dann, wenn ein Gericht zweiter Instanz die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts bejaht (JBl 1987, 792; 4 Ob 509/94; 7 Ob 53/97p; RIS-Justiz RS0046430). Dabei kommt es nicht darauf an, mit welcher Begründung die Zuständigkeit des Erstgerichts bejaht wurde (7 Ob 2032/96s). Es ist daher auch die vom Gericht zweiter Instanz als erheblich angenommene Rechtsfrage nicht mehr zu prüfen, ob der Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts berechtigt oder zulässig war (1 Ob 504/96; 7 Ob 53/97p).
Insoweit im Revisionsrekurs auch eine Bekämpfung der Berichtigung der Bezeichnung der Beklagten gesehen werden kann, ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG (iVm §§ 47 Abs 1, 64 ASGG) unzulässig. Die Frage, ob sich aus dem Inhalt der Klage in einer auch für die Parteien klaren und eindeutigen Weise ergibt, welches Rechtssubjekt vom Kläger belangt werden sollte, richtet sich stets nach den Umständen des jeweils zu beurteilenden Einzelfalles und bildet grundsätzlich keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (1 Ob 24/01p mwH). Mit seinen Rechtsausführungen zur ausschließlichen Passivlegitimation des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen für Ansprüche nach dem IESG ist das Rekursgericht der einheitlichen oberstgerichtlichen Rechtsprechung gefolgt. Aus der klaren Regelung des § 13 Abs 1 und 4 IESG ergibt sich, dass der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Rechtspersönlichkeit hat. Er besitzt - im Rahmen seines gesetzlichen Aufgabenbereichs - die volle Privat- und Prozessrechtsfähigkeit. Diese fehlt hingegen dem mit Art 33 des Arbeitsmarktservice-Begleitgesetzes (BGBl 1994/314) eingerichteten Bundesämtern für Soziales und Behindertenwesen. Bei ihnen handelt es sich - ebenso wie bei den früher dieselben Aufgaben im Rahmen des IESG wahrnehmenden Arbeitsämtern - um keine juristischen Personen des öffentlichen Rechts, sondern um Behörden, die kraft öffentlich-rechtlicher Vorschrift eingerichtet wurden und im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig sind. In Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 7 ASGG tritt an die Stelle des Versicherungsträgers gemäß § 10 Abs 1 IESG das Bundesamt, das den Bescheid erlassen hat. Gemäß § 66 ASGG sind diejenigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, die sich auf den Versicherungsträger beziehen, auch auf die Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen anzuwenden. Es handelt sich bei dieser Regelung um eine durch Gesetz statuierte Prozessstandschaft, die den Bundesämtern über den gesetzlichen Aufgabenbereich in Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 7 ASGG hinaus keine allgemeine Prozessfähigkeit in sonstigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten verleiht (zu den früher bei sonst gleicher Rechtslage einschreitenden Arbeitsämtern: Fasching LB2 Rz 343 und 2301/1; SZ 61/254; JBl 1989, 671 [mit zustimmender Glosse Fink]; 9 ObS 6/89; ZAS 1990/23 [mit zustimmender Glosse Fink]). Kommt aber die Parteirolle der Beklagten ausschließlich den Bundesämtern und nicht der übergeordneten Gebietskörperschaft oder dem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zu, ist die Parteibezeichnung von "Republik Österreich" auf "Bundesamt ..." zu berichtigen (zu den früher bei sonst gleicher Rechtslage einschreitenden Arbeitsämtern: SZ 61/254; 9 ObS 6/89).
Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.
Das völlige Verkennen dieser Rechtslage durch den Klagevertreter kann jedoch schon in Anbetracht der vom Rekursgericht vorgenommenen Berichtigung der Bezeichnung der Beklagten nicht dazu führen, der Republik Österreich im Revisionsrekursverfahren selbständige Beteiligtenstellung einzuräumen, sodass insoweit die Revisionsrekursbeantwortung zurückzuweisen ist.
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