OGH 3Ob318/00m

OGH3Ob318/00m23.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael P*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde M*****, vertreten durch Dr. Heimo Jilek, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Feststellung und Einwendungen gegen den Anspruch, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 18. Oktober 2001, GZ 1 R 156/00h-18, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Kindberg vom 20. April 2000, GZ 1 C 98/99m-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die beklagte Gemeinde erließ gegen den Kläger, der einen Gastronomiebetrieb führt, einen vollstreckbaren Rückstandsausweis, der Getränkeabgabenschulden von insgesamt S 66.417,-- und Nebenansprüche von S 3.228,--, insgesamt daher S 69.645,-- als offen auswies. Das Erstgericht bewilligte zur Hereinbringung dieser Forderung über Antrag der hier beklagten Partei gegen den Kläger die Fahrnisexekution.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger einerseits die Feststellung, der erlassene Rückstandsausweis sei infolge Verstoßes gegen die Verbrauchssteuerrichtlinie der EU rechtsunwirksam, und andererseits, unter dem Titel der Oppositionsklage, den Ausspruch, infolge einer ihm zustehenden Gegenforderung für zuviel bezahlte Getränkesteuer stehe ihm eine die vollstreckte Forderung übersteigende Gegenforderung zu, weshalb keine vollstreckbare Forderung der beklagten Partei existiere.

Dazu brachte er im Wesentlichen vor, dass der Rückstandsausweis, der den Exekutionstitel bildet, unwirksam sei und nicht vollzogen werden dürfe. Die österreichische Getränkesteuer stehe der Verbrauchssteuerrichtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. 2. 1992 entgegen. Alle Gerichte der Europäischen Gemeinschaft hätten Gemeinschaftsrecht vorrangig anzuwenden. Tatsächlich sei eine Klage auf Unwirksamerklärung eines Exekutionstitels, der sich noch dazu auf eine Steuer beziehe, in der österreichische Rechtsordnung nicht vorgesehen. Der EuGH habe aber schon in verschiedenen Entscheidungen grundsätzlich festgelegt, dass für die Durchsetzung subjektiver Rechte, welche dem Gemeinschaftsrecht innewohnten, also auch insbesondere Schadenersatzansprüche, die sich aus der nicht gehörigen Umsetzung von Richtlinien ergeben, die nationalen Gerichte zuständig seien. Damit in diesem Verfahren auch eine traditionelle Klage Platz greife, erhebe er gegen die Exekution Einwendungen, indem er zu Unrecht bezahlte Getränkesteuer für das Jahr 1995 von S 81.874,-- und für 1996 von S 104.254,-- gegenüber der vollstreckbaren Getränkesteuerforderung kompensando geltend mache.

Die beklagte Partei beantragte in erster Linie die Zurückweisung der Klage. Einwendungen gegen den Anspruch gegen einen Exekutionstitel nach § 1 Z 10, 12 bis 14 EO seien bei jener Behörde anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist. Die hier erhobenen Einwendungen gehörten daher nicht vor das ordentliche Gericht. Überdies habe das Exekutionsgericht die Gesetzmäßigkeit und Richtigkeit eines Rückstandsausweises nicht zu prüfen.

Das Erstgericht wies die Klage zurück, weil der Exekutionstitel ein solcher nach § 1 Z 13 EO sei, hinsichtlich dessen Einwendungen gegen den Anspruch bei der Behörde anzubringen seien, von der der Titel ausgegangen sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers nicht Folge, es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 52.000,--, jedoch nicht S 260.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Rekursgericht die Auffassung, dass das gewaltentrennende Grundprinzip der österreichischen Bundesverfassung prinzipiell die Prüfung von Verwaltungsakten durch die Gerichte verbiete. Die Prüfung der materiellen Gültigkeit, der Gesetzmäßigkeit und der inhaltlichen Richtigkeit von Rückstandsausweisen sei daher im Verwaltungswege vorzunehmen (RdW 1996, 364). Die Beurkundung der Vollstreckbarkeit durch die Abgabenbehörde binde die Exekutionsgerichte (EvBl 1993/167; SZ 60/279 ua). Diesen Grundsätzen entspreche auch das eindeutige und klare Gebot des § 35 Abs 2 Schlusssatz EO.

Der Kläger bezweifle diese eindeutigen Regeln des österreichischen Rechts gar nicht. Er widme den Schwerpunkt seines Vorbringens der Interpretation von Normen und Prinzipien des Gemeinschaftsrechtes.

Richtig sei, dass der EuGH mit Urteil vom 9. 3. 2000 (Rs C-437/97 , "Getränkesteuer") die österreichische Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für mit Art 3 der Verbrauchssteuerrichtlinie (RL 92/12/EWG des Rates vom 25. 2. 1992) unvereinbar erklärt habe. Aus der Aufhebung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke folgere die grundsätzliche Verpflichtung Österreichs, die zu Unrecht erhobenen Steuern rückzuerstatten. Der EuGH habe aber im genannten Urteil die Rückzahlungsverpflichtung auf jene Fälle eingeschränkt, in denen bereits vor Urteilsverkündung "eine Klage oder ein entsprechender Rechtsbehelf" erhoben worden sei. Die Interpretation dieser Aussage verursache mannigfache Probleme. Es sei aber, ohne zu diesem Punkte definitiv Stellung nehmen zu wollen, hier unterstellt, dass der Kläger unmittelbar Begünstigter des genannten Urteils des EuGH sei, er also den "Rechtsbehelfsfällen" subsumiert werden könne.

Es müsse auch die Betonung des Klägers akzeptiert werden, wonach das durch den EG-Vertrag geschaffene Recht im Falle einer Normenkollision vor wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften Vorrang habe; es müsse dann von den Gerichten der Mitgliedsstaaten unmittelbar angewandt werden (WBl 1999/24 = ÖBl 1999, 70 [Hauer]; JBl 2000, 49; RdW 2000/126, 154 je mwN). Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor entgegengesetzten Normen der Mitgliedstaaten besage aber noch nichts über die Unanwendbarkeit des § 35 Abs 2 Schlusssatz EO. Diesbezüglich bestünden nämlich keine entgegengesetzten Anordnungen des Gemeinschaftsrechtes. Dieses enthalte keine Regeln über die Erstattung rechtsgrundlos erhobener nationaler Abgaben (vgl Kilches, Erstattung EU-widrig erhobener Abgaben, ecolex 2000, 143, insbesondere 145). Der vom Kläger eingewandte Anspruch betreffe weiterhin eine von der Abgabenbehörde zu lösende Frage und keine zivilrechtlichen Probleme, wie dies der Rekurswerber vorgeben wolle. Es gehe um eine Abgabenschuld, um eine allfällige Rückerstattung von zu Unrecht eingeforderten Abgaben und um Aufrechnungsprobleme. So sehe etwa die Steiermärkische Landesabgabenordnung gleich den meisten anderen Landesabgabenordnungen eine Rückzahlungsbeschränkung von zu Unrecht erhobenen Abgaben bei Überwälzung auf Dritte vor (§ 186 Abs 3 leg cit; inwieweit dieses Verbot einer Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof oder allenfalls durch den EuGH standhalten werde, solle dahinstehen). Auch das unter Umständen mögliche Stellen von Rückzahlungsanträgen oder die Möglichkeit einer Aufrechnung betreffe einen verwaltungsbehördlichen Aspekt, der auch angesichts des Vorrangs des Gemeinschaftsrechtes zu keiner Kompetenzverschiebung an die Zivilgerichte führe. Soweit für das Rekursgericht überschaubar, gehe auch keine zu diesem Thema jüngst veröffentlichte Lehrmeinung von einer Unanwendbarkeit des § 35 Abs 2 Schlusssatz EO - wegen des Vorranges des Gemeinschaftsrechts - aus. So nehme etwa Kilches (Erstattung EU-widrig erhobener Abgaben, ecolex 2000, 143 ff) die Möglichkeit von Rückerstattungsklagen nach Art 137 B-VG an.

Soweit der Kläger seinen Anspruch aus Schadenersatz auch auf Staatshaftung stützen wolle, erkläre er im Rekurs nicht, wie er solche Ansprüche gegenüber der beklagten Ortsgemeinde herleiten wolle.

Demnach habe das Erstgericht die vom Kläger gestellten Begehren zu Recht ohne weitere Prüfung der Schlüssigkeit und der Statthaftigkeit der von ihm formulierten Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.

Da eine andere rechtliche Beurteilung der entscheidungsrelevanten Frage, der auch eine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, nicht undenkbar erscheine und eine diesbezügliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - soweit überschaubar - nicht bestehe, sei der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig zu erklären gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers, mit dem er beantragt, der Oberste Gerichtshof wolle die Entscheidungen der Unterinstanzen aufheben und dem Untergericht auftragen, das gesetzliche Verfahren fortzusetzen. Hilfsweise wird ein Abänderungsantrag im Sinne einer Klagsstattgebung gestellt.

In seinem Rechtsmittel zitiert der Kläger mehrere Entscheidungen des EuGH, aus denen der Grundsatz des Vorranges des Gemeinschaftsrechtes vor innerstaatlichem Recht hervorgeht. Insbesondere wird aus der Entscheidung des EuGH Slg 1995/I-4599 (Peterbroeck) Rz 12 wiedergegeben, dass die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die dem Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, mangels einer gemeinschaftrechtlichen Regelung auf diesem Gebiet Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten sei. Jedoch dürften diese Verfahren nicht ungünstiger gestaltet werden, als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen, und sie dürften die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

Der Hinweis des Gesetzgebers (gemeint offenbar: des Rekursgerichtes), dass nur jene Behörde den vollstreckbaren Bescheid aufheben könnte, die ihm erlassen habe, gehe schon deshalb fehl, weil die beklagte Gemeinde über den Rückerstattungsanspruch auf Rückzahlung der Getränkesteuer für die Jahre 1995 bis 1998 trotz ergangener Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof noch immer nicht durch den Gemeinderat erkannt, geschweige denn über die Verweigerung der Bezahlung der Getränkesteuer für das Jahr 1999 entschieden habe bzw gewillt sei, die Exekution freiwillig einzustellen. Tatsächliche gebe es auf verwaltungsbehördlichem Wege keine Möglichkeit, eine Gerichtsexekution zur Einstellung zu bringen. Die Untergerichte hätten nicht erkannt, dass ihnen mit der Handhabung des Gemeinschaftsrechtes der ausdrückliche Auftrag vom Europäischen Gerichtshof gegeben worden sei, unter Weglegung innerstaatlicher Hindernisse und Normen die Wirkung des Gemeinschaftsrechtes durchzusetzen. Demnach seien sie berufen, seiner Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der von der beklagten Partei betriebenen Exekution unter Außerachtlassung des § 35 Abs 2 EO zu entsprechen.

Andernfalls würde das Gemeinschaftsrecht völlig konterkariert und ausgehöhlt werden, weil damit bewirkt würde, dass nicht nur diese Vollstreckungsgegenklage zurückgewiesen, sondern damit die beklagte Partei in die Lage versetzt würde, die vom EuGH als gemeinschaftswidrig erkannte Getränkesteuer weiterhin einer Exekution zu unterwerfen, obwohl sie verpflichtet sei, diese Getränkesteuer nicht nur nicht einzuheben, sondern sogar zurückzuzahlen. Demnach seien die nationalen Gerichte entgegen der nationalen Bestimmung der Unüberprüfbarkeit verwaltungsbehördlicher Erkenntnisse oder Rückstandsausweise sehr wohl befugt, die Rechtswidrigkeit einer derartigen Exekution bzw des zugrunde liegenden Titels festzustellen und die Exekution einzustellen. Jede andere Auslegung würde nicht nur dem Geist, sondern auch den klaren Erkenntnissen des EuGH widersprechen und zur unmittelbaren Staatshaftung führen.

Die beklagte Partei erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Ebenso wie bereits in seiner Klage räumt der Kläger in seinem Revisionsrekurs durchaus ein, dass nach österreichischem innerstaatlichen Recht seine Klagebegehren an der Unzulässigkeit des Rechtsweges scheitern müssten, insbesondere sein Oppositionsklagebegehren an § 35 Abs 2 Satz 3 EO.

Den grundsätzlichen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, auf den der Revisionsrekurswerber unter Zitierung mehrerer Entscheidungen des EuGH wiederum hinweist, hat ohnehin das Rekursgericht unter Hinweis auf entsprechende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes bekräftigt (vgl dazu auch Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht3, 91 ff).

Aus diesem Anwendungsvorrang folgt aber keineswegs, wie der Revisionsrekuswerber meint, dass damit auch die innerstaatliche Kompetenzverteilung hinfällig wäre.

Zum Rückersatz für ohne Rechtsgrund gezahlte Mehrwertsteuer hat der EuGH in seinem Urteil im Fall BP Soupergaz, Rs C-62/93 , Slg 1995 I-1883, in einem Vorabentscheidungsverfahren folgende Rechtssätze aufgestellt:

"Insbesondere folgt daraus, dass das Recht auf Erstattung von Beträgen, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte darstellt, die den Einzelnen durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof eingeräumt worden sind. Zwar kann die Erstattung nur im Rahmen der in den jeweils einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen betrieben werden, doch dürfen diese Voraussetzungen und die Verfahrensmodalitäten für die Klagen, dies den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechtes erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen, und sie dürfen nicht so ausgestaltet werden, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich macht(en). Ein Steuerpflichtiger kann daher mit Rückwirkung auf den Tag des Inkrafttretens der im Widerspruch zur 6. Richtlinie (77/388) stehenden nationalen Rechtsvorschriften die Erstattung der ohne Rechtsgrund gezahlten Mehrwertsteuer nach den in der innerstaatlichen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedsstaats festgelegten Verfahrensmodalitäten verlangen, sofern diese Modalitäten den oben genannten Anforderungen entsprechen."

Demnach sind die Mitgliedstaaten bei der Gewährung von Rechtsschutz beim mittelbaren Vollzug an bestimmte Grundsätze gebunden, zu denen vor allem der Grundsatz der Gleichbehandlung zählt, wonach der Rechtsschutz nicht ungünstiger sein darf als bei ähnlichen, nicht unter den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallenden Verfahren (EuGH Rs C-88/99 [Roquette Freres] wbl 2001, 77; Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht 118 mwN). Dass im vorliegenden Fall der Rechtsschutz der Getränkeabgabenpflichtigen schlechter wäre als in vergleichbaren rein innerstaatlichen Verfahren, wird in der Klage nicht geltend gemacht und ist auch nicht zu erkennen.

Es ist daher nur noch zu prüfen, ob von den dargestellten Grundsätzen unabhängig das Gemeinschaftsrecht die Möglichkeit der Durchsetzung von Ansprüchen, die sich aus der mangelnden Umsetzung von EU-Richtlinien ergeben, vor den ordentlichen Gerichten verlangt. In der Judikatur des EuGH steht dabei die Erwägung im Vordergrund, dass solche "Gerichte" im Sinn von Art 177 EGV entscheiden müssten, die im gegebenen Fall eine Vorabentscheidung des EuGH einholen können und müssen (vgl Rs C-228/92 [Roquette Freres SA] Slg 1994 I-1445 Rz 27; Öhlinger-Potacs aaO 120). Die Berechtigung, den EuGH wegen einer Vorabentscheidung nach Art 177 EGV (jetzt Art 234 EG) anzurufen, wird dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof vom EuGH aber ohnehin laufend zugebilligt (zuletzt etwa Rs C-113/99 [Herta Schmid]; die Rechtssache betraf eine Klage auf Rückerstattung von nationalen Abgaben, die später für gemeinschaftswidrig erklärt worden waren). Auch in der weiteren, jüngst ergangenen Entscheidung des EuGH vom 28. 11. 2000 Rs C-88/99 [Roquette Freres SA] wird, ähnlich wie schon in dem bereits zitierten Urteil im Fall BP Soupergaz, ausgesprochen, dass die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung des Verfahrens für die Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, Sache der nationalen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedsstaaten sei; dabei dürften freilich diese Bedingungen nicht ungünstiger sein als diejenigen für entsprechende nur nationales Recht betreffende Klagen, und sie dürften nicht so gestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die nationalen Gerichte zu schützen verpflichtet sind, praktisch unmöglich machten (Rz 20 mwN).

Aus den dargelegten Entscheidungen des EuGH ist nach Ansicht des erkennenden Senates eindeutig abzuleiten, dass europarechtlich keineswegs, wie vom Kläger vermeint, die Ausgestaltung des Rechtsschutzes für die Rückerstattung von auf Grund EU-rechtswidriger nationaler Rechtsnormen gezahlter Abgaben bzw für Einwendungen gegen derartige Ansprüche auf Zahlung solcher Abgaben entgegen der in Österreich herrschenden Gewaltenteilung in der Form der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte erforderlich ist. Demnach ist es auch nicht geboten, den EuGH im Sinn des Art 234 EG wegen einer Vorabentscheidung anzurufen. Schließlich ist es für die zu lösende Frage auch nicht entscheidend, ob es wie die Kläger - im Übrigen unter Verletzung des Neuerungsverbotes - behauptet, in einem bestimmten (hier: seinem) Fall zu Verzögerungen bei der Durchsetzung eines Rechtes kommt, wenn nur allgemein ein ausreichender Rechtsschutz gegeben ist.

Auch unter dem Aspekt der Aufschiebung des zur Hereinbringung von Abgabenschulden des Klägers, die entgegen einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft vorgeschrieben wurden, betriebenen Exekutionsverfahrens erscheint die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Forderung nicht erforderlich. Nach § 42 Abs 1 Z 5 EO kann ja auch dann (vom Exekutionsgericht) die Aufschiebung der Exekution angeordnet werden, wenn bei der gemäß § 35 Abs 2 EO zuständigen Behörde Einwendungen gegen den Anspruch erhoben werden.

Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

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