OGH 9Ob278/00y

OGH9Ob278/00y11.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Martin Paul F*****, geboren am 28. Juli 1994, *****, vertreten durch die gesetzliche Vertreterin Monika F*****, Angestellte, ebenda, diese vertreten durch

Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in Thalheim/Wels, gegen die beklagten Parteien, 1) Marktgemeinde *****, 2) Dr. Tibor D*****, Gynäkologe, *****, beide vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 1,915.600 sA (Revisionsinteresse 350.000 sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 28. Juni 2000, GZ 2 R 87/00b-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob der Anspruch des Klägers auf Verunstaltungsentschädigung (§ 1326 ABGB) verjährt ist. Dies wurde vom Berufungsgericht verneint.

Die Verhinderung des besseren Fortkommens stellt einen besonderen Vermögensschaden dar; dazu gehören vor allem verschlechterte Berufsaussichten, aber auch der Entgang von Heiratsaussichten (RIS-Justiz RS0031203), letzteres auch bei Männern (RIS-Justiz RS0031229). Der Lauf der - hier maßgeblichen - dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt, wenn dem Geschädigten der Schaden und die Person des Schädigers bekannt geworden sind. Herrschende Lehre und ständige Rechtsprechung stellen dabei auf die Erkennbarkeit des Schadens, genauer gesagt auf den Zeitpunkt ab, in welchem dem Geschädigten der Sachverhalt so weit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg eine Klage erheben kann, wobei die Kenntnis den gesamten anspruchsbegründenden Sachverhalt, so auch den Kausalzusammenhang und in Fällen der Verschuldenshaftung jene Umstände umfassen muss, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (JBl 1990, 648 [verst. Senat]; RdW 1996, 470; RdM 2001/2; Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 1489; Schwimann/Mader, ABGB2 VII, § 1489 Rz 9; RIS-Justiz RS0034524). Im Falle eines Minderjährigen ist der Kenntnisstand der Eltern maßgebend (RdM 2001/2; Schwimann/Mader aaO § 1489 Rz 8).

Letzlich hängt aber die Beurteilung, wann diese "Kenntnis" iSd § 1489 ABGB konkret eintritt, stets von den Umständen des Einzelfalles ab und entfaltet in der Regel keine darüber hinausgehende Bedeutung (JBl 1990, 648; RdW 1996, 470; 10 Ob 244/99a ua). Nach ständiger Rechtsprechung ist in einem solchen Fall nur dann eine erhebliche Rechtsfrage zu bejahen, wenn eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die zu einem unvertretbaren Ergebnis führt (vgl RIS-Justiz RS0042405, RS0044088). Ein derartiger Fall liegt jedoch nicht vor.

Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der oben zitierten ständigen Rechtsprechung ausgeführt, dass für den Kläger und dessen Eltern das tatsächliche Ausmaß der Behinderung des Klägers, aufgrund derer es zu einer Verhinderung eines besseren Fortkommens kommen werde, erst im Laufe des Vorprozesses durch Beiziehung eines Sachverständigen für Kinderheilkunde erkennbar wurde. Im Anspruchsschreiben vom 23. 9. 1994 und in der Klage vom 4. 3. 1996 sei lediglich von "zu erwartenden (im Übrigen nicht näher bezeichneten) körperlichen und geistigen Behinderungen" und weiter davon die Rede gewesen, dass es derzeit "fraglich" sei, ob "der Kläger jemals gehen, sitzen, sprechen etc, werde können und eine Besserung des derzeitigen Zustandes eher nicht zu erwarten sei." Erst durch das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen für Kinderheilkunde vom 26. 8. 1998, der ausgeführt habe, der Kläger werde ein Pflegefall bleiben, er werde niemals selbständig gehen, sprechen und essen können, er habe keine Verbesserungs- und Heilungschancen, sei für den Kläger bzw. dessen Eltern der Schaden erkennbar gewesen; die am 1. 7. 1999 beim Erstgericht überreichte Klage sei daher noch nicht verjährt.

Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass für die Eltern des Klägers der anspruchsbegründende Sachverhalt zur Geltendmachung der Verunstaltungsentschädigung erst nach Vorliegen des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen für Kinderheilkunde erkennbar war, ist keineswegs unvertretbar, sondern liegt vielmehr im Rahmen der Rechtsprechung zur Frage der Erkennbarkeit eines Schadens. Ist nämlich das Ausmaß eines Schadens ohne Beiziehung eines Sachverständigen nicht zu erkennen, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit Einlangen desselben. Reicht der Schaden weiter, als der Sachverständige erkennen konnte, so beginnt bezüglich dieser Schäden die Verjährungsfrist sogar erst, sobald der Sachverständige sie erkennt und ein neues Gutachten erstattet. Kommt jemand durch einen ärztlichen Kunstfehler zu Schaden, so beginnt die Verjährungsfrist nicht, solange die Unkenntnis von den wesentlichen anspruchsbegründenden Umständen andauert, selbst wenn Schaden und Schädiger bekannt sind (WBl 1987, 66; ZVR 1994/12; 8 Ob 2290/96i; 6 Ob 273/98k).

Für den Beginn der Verjährungsfrist sind die Beklagten beweispflichtig (RIS-Justiz RS0034456). Die Eltern des Klägers (Vater: Zahnarzt; Mutter: Krankenschwester) sind zwar keine medizinischen Laien; die Kenntnis der gegenständlichen Umstände und Folgen setzte aber ein spezielles Fachwissen aus dem Fachgebiet der Kinderheilkunde voraus. Dass die Eltern des Klägers einen derartigen Kenntnisstand gehabt hätten, der es ihnen erlaubt hätte, bereits vor dem Vorliegen des Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Kinderheilkunde das Schadensausmaß hinsichtlich der Verunstaltung ihres Kindes iSd des § 1326 ABGB zu erkennen, ist nicht hervorgekommen. Derartiges wird von den Revisionswerbern auch nicht einmal in der Zulassungsbeschwerde behauptet.

Auf die weiteren Überlegungen der Revisionswerber bezüglich der Unterbrechnungswirkung eines Feststellungsbegehrens im Vorprozess kommt es nach der Lage des Falles nicht an. Es fehlt daher an einer für die Lösung des Falles notwendigen erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

Stichworte