OGH 10ObS219/00d

OGH10ObS219/00d6.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Maria Sand und Dr. Michael Braun (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef M*****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien, vertreten durch Dr. Christian Preschitz und Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung der Erwerbsunfähigkeit, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 2000, GZ 8 Rs 65/00p-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. November 1999, GZ 8 Cgs 97/99x-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass die Erwerbsunfähigkeit des Klägers im Sinne des § 122c BSVG festgestellt wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Kläger erwerbsunfähig sei, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO), wobei jedoch unter Bedachtnahme auf den angefochtenen Bescheid der beklagten Partei vom 8. 3. 1999 durch eine Maßgabebestätigung klarzustellen ist, dass es sich dabei um eine Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 122c BSVG handelt. Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin Folgendes entgegenzuhalten:

Erwerbsunfähigkeit iSd § 122c BSVG in der für das vorliegende Verfahren maßgebenden Fassung (zum Stichtag: 1. 2. 1999 [§ 104 Abs 2 BSVG] bzw zu dem für die Entscheidung nach der - zulässigen [vgl SSV-NF 7/14 mwN, 10 ObS 334/00s] - Klageeinschränkung von Leistungsbegeh- ren auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 122c BSVG auf ein Begehren auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit gemäß § 124a BSVG relevanten Zeitpunkt [vgl RIS-Justiz RS0109045] des Schlusses der Verhandlung erster Instanz: 8. 11. 1999) liegt vor, wenn der Versicherte infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat und wenn dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, sofern dieser regelwidrige körperliche oder geistige Zustand bereits seit mindestens zwanzig Wochen andauert. Bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesstelle ist daher von jener konkreten Erwerbstätigkeit auszugehen, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat (10 ObS 232/00s; 10 ObS 334/00s).

Die Revisionswerberin wendet gegen die Berufungsentscheidung lediglich ein, das eingeschränkte Leistungskalkül des Klägers könnte durch eine zumutbare Umstrukturierung seines landwirtschaftlichen Betriebes innerhalb des Familienverbandes, nämlich die (vermehrte) Ausnützung der Arbeitskraft seines Sohnes, die mit einer Fremdarbeitskraft nicht gleichzusetzen sei, wettgemacht werden. Der Sohn des Klägers könnte die mit 500 Stunden jährlich anfallenden Schwerarbeiten, die dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zumutbar seien, übernehmen. Diese würden etwa ein Viertel seiner Gesamtarbeitszeit ausmachen. Die bei einer Fremdarbeitskraft in einem solchen Fall notwendige zusätzliche Entlohnung sei bei einem Familienmitglied nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen werde ein Lohnanspruch des Sohnes im Hinblick auf die Entscheidung 9 ObA 45/00h überhaupt bezweifelt. Würden nämlich Leistungen in Erwartung einer späteren Hofübernahme erbracht, trete die Fälligkeit erst ein, wenn mit der Erfüllung der Erwartung nicht mehr gerechnet werden könne. Ein hauptberuflich beschäftigtes Kind, welches sowieso Kost, Logis und allenfalls ein Taschengeld erhalte, könne im Hinblick auf die künftige Betriebsübernahme derzeit keinen fälligen Lohnanspruch geltend machen. Sein von den Vorinstanzen angenommener monatlicher Lohnanspruch von S 8.000 sei daher dem Grunde nach in Frage zu stellen.

In der Entscheidung 9 ObA 45/00h (= ARD 5117/13/2000) hat der Oberste Gerichtshof nur im Sinne der ständigen Judikatur ausgesprochen, dass dann, wenn in Erwartung der Hofübergabe unentgeltlich Arbeiten erbracht werden und sich in der Zukunft diese Erwartung nicht erfüllt, ein entsprechender Entlohnungsanspruch entsteht. Ein Anspruch gegenüber einem in Aussicht genommenen Hofübernehmer auf unentgeltliche Arbeitsleistung oder Erbringung von Arbeitsleistungen gegen ein unter dem üblichen Satz liegendes Entgelt lässt sich aus der Rechtsordnung nicht ableiten; auch aus der zitierten Entscheidung ist in dieser Richtung nichts zu gewinnen. Der Standpunkt der beklagten Partei, dass eine Entlohnung des Sohnes bei der Ermittlung des Einkommens aus dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu berücksichtigen sei, entbehrt daher jeder Grundlage (10 ObS 334/00s).

Nach den getroffenen Feststellungen ist vorliegend eine betriebsinterne Umstrukturierung der Arbeitskette und ein veränderter Einsatz der familieneigenen Arbeitskräfte unter den bestehenden Betriebsverhältnissen bei den arbeitsintensiven Betriebsaktivitäten Tierhaltung und Zuckerrüben- und Getreidebau und den dort notwendigen Arbeitsabläufen zwar denkbar, würde aber die Arbeitskraft des Sohnes überdurchschnittlich belasten, wobei dieser bereits jetzt mit einem Lohn von S 8.000 als landwirtschaftlicher Arbeiter eher unterdurchschnittlich angesetzt ist. Dass neben dem Kläger und seiner Ehegattin zumindest eine weitere Vollarbeitskraft (hier der Sohn des Betriebsführers) zur Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich ist, stellt die beklagte Partei nicht in Frage. Ausgehend davon reichen aber die Einkünfte aus dem Betrieb zur Beschäftigung einer weiteren Arbeitskraft nicht aus; zur Abdeckung jener Arbeiten, die der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbst verrichten kann, ist nämlich nach den Feststellungen ein Betrag von S 53.000,-- für zusätzliche Kosten zu den bereits vorhandenen Arbeitskräften erforderlich. Das Einkommen des Klägers würde dann aber noch weiter unter den Richtsatz für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung nach § 141 Abs 1 lit a/bb BSVG herabsinken, sodass die wirtschaftliche Existenz des Klägers gefährdet wäre.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

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