OGH 10ObS334/00s

OGH10ObS334/00s19.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Bukovec und Dr. Robert Göstl (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herbert R*****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien, vertreten durch Dr. Preschitz und Dr. Stögerer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung der Erwerbsunfähigkeit, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. August 2000, GZ 10 Rs 105/00k-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Februar 2000, GZ 7 Cgs 141/99i-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass die Erwerbsunfähigkeit des Klägers gemäß § 122c BSVG festgestellt wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Kläger erwerbsunfähig iSd § 122c Abs 1 Z 2 BSVG sei, ist zutreffend. Obgleich dieser Hinweis auf die Richtigkeit des Urteils und der Begründung des Berufungsgerichtes nach § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO ausreichen würde, ist den Ausführungen in der Revision kurz zu erwidern:

Erwerbsunfähigkeit iSd § 122c Abs 1 Z 2 BSVG in der für das vorliegende Verfahren maßgebenden Fassung (zum Stichtag: 1. 4. 1999 [§ 104 Abs 2 BSVG] bzw zu dem für die Entscheidung nach der - zulässigen [vgl SSV-NF 7/14 mwN und 10 ObS 308/97k] - Klagseinschränkung auf das Feststellungsbegehren [gemeint: gem § 122c BSVG] relevanten Zeitpunkt [vgl RIS-Justiz RS0109045] des Schlusses der Verhandlung erster Instanz: 3. 12. 1999) des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 (BGBl I 1997/139) liegt vor, wenn der Versicherte infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat und wenn dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, sofern dieser regelwidrige körperliche oder geistige Zustand bereits seit mindestens zwanzig Wochen andauert. Bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesstelle ist daher von jener konkreten Erwerbstätigkeit auszugehen, die Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat (10 ObS 232/00s).

Dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen hier "grundsätzlich zu bejahen" ist, gesteht die Revision zu; die Beklagte vertritt jedoch den Standpunkt, das eingeschränkte Leistungskalkül des Klägers könnte durch eine zumutbare Umstrukturierung seines Unternehmens innerhalb des Familienverbandes, nämlich die (vermehrte) Ausnützung der Arbeitskraft seines Sohnes, die mit einer Fremdarbeitskraft nicht gleichzusetzen sei, wettgemacht werden. Zum "Ausmaß der Entlohnung des Sohnes" sei nämlich "mangels gegenteiliger Feststellungen" von einer "Annahme" iSd Entscheidung 9 ObA 45/00h (ARD 5117/13/2000) auszugehen (gemeint offenbar: davon, dass dieser seine Leistungen in Erwartung einer späteren letztwilligen Zuwendung [Hofübergabe] erbringe), sodass der angenommene monatliche Lohnanspruch von S 10.000,-- 12mal jährlich bei Ermittlung des Nettoeinkommens des Klägers nicht zu berücksichtigen, sondern (offenbar) ein "Lohnverzicht" zugrundezulegen sei (Punkt 2 der Revision).

Dem ist Folgendes zu erwidern:

In der Entscheidung 9 ObA 45/00h hat der Oberste Gerichtshof nur (im Sinne der ständigen Judikatur) ausgesprochen, dass dann, wenn in Erwartung der Hofübergabe unentgeltlich Arbeiten erbracht werden und sich in der Zukunft diese Erwartung nicht erfüllt, ein entsprechender Entlohnungsanspruch entsteht. Ein Anspruch gegenüber einem in Aussicht genommenen Hofübernehmer auf unentgeltliche Arbeitsleistung oder Erbringung von Arbeitsleistungen gegen ein unter dem üblichen Satz liegendes Entgelt lässt sich aus der Rechtsordnung nicht ableiten; auch aus der zitierten Entscheidung ist in dieser Richtung nichts zu gewinnen. Dafür, dass im konkreten Fall der Sohn des Klägers einen Verzicht auf seinen Lohnanspruch erklärt hätte, liegen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte vor. Der Standpunkt der beklagten Partei, dass die Entlohnung des Sohnes bei der Ermittlung des Einkommens aus den landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu berücksichtigen sei, entbehrt daher jeder Grundlage.

Nach den getroffenen Feststellungen ist vorliegend eine betriebsinterne Umstrukturierung der Arbeitskette und ein veränderter Einsatz der familieneigenen Arbeitskräfte unter den bestehenden Betriebsverhältnissen bei den arbeitsintensiven Betriebsaktivitäten Tierhaltung und Kartoffelsaatgutproduktion und den dort notwendigen Arbeitsabläufen zwar denkbar, würde aber die Arbeitskraft des Sohnes überdurchschnittlich belasten, wobei dieser unterdurchschnittlich bezahlt ist. Mangels "Lohnverzichts" haben die Vorinstanzen daher zu Recht ein Entgelt von S 10.000,-- 12mal jährlich für den mithelfenden Sohn, der mit seiner Ausbildung als Landwirtschaftsmeister am freien Markt sicherlich mehr verdienen würde, berücksichtigt; stellt die beklagte Partei doch gar nicht in Frage, dass neben dem Kläger und seiner Gattin zumindest eine weitere Vollarbeitskraft (hier der Sohn des Betriebsführers) zur Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich ist. Ausgehend davon reichen aber die Einkünfte aus dem Betrieb zur Beschäftigung einer weiteren Arbeitskraft (auch bei nur stundenweiser Beschäftigung - der Betrag von S 53.000,-- wurde vom Sachverständigen für zusätzliche Kosten zu den bereits vorhandenen Arbeitskräften veranschlagt) nicht aus. Das Einkommen des Klägers und seiner Frau würde dann nämlich noch weiter unter den Familienrichtsatz für die Pension herabsinken, sodass die wirtschaftliche Existenz des Klägers gefährdet wäre.

Die von den Vorinstanzen angenommene weitere Voraussetzung, dass der Kläger aufgrund seiner körperlichen Leiden nicht mehr in der Lage ist, einer vergleichbaren selbständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen Betrieb nachzugehen, wird auch in der Revision nicht in Zweifel gezogen. Die Erwerbsunfähigkeit des Klägers - iSd § 122c BSVG - wurde somit zutreffend bejaht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

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