OGH 10ObS308/97k

OGH10ObS308/97k25.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr sowie die fachkundigen Laienrichter Edith Matejka und Dr.Dietmar Strimitzer beide aus dem Kreis der Arbeitgeber als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alois G*****, vertreten durch Dr.Bernhart Huber und Mag.Eva Huber-Stockinger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1053 Wien, vertreten durch Dr.Paul Bachmann, Dr.Eva-Maria Bachmann und Dr.Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung der Erwerbsunfähigkeit, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Juni 1997, GZ 11 Rs 291/96k-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 3.September 1996, GZ 11 Cgs 27/96g-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Das Begehren des Inhalts, es werde festgestellt, daß beim Kläger dauernde Erwerbsunfähigkeit gemäß § 131c Abs 1 Z 3 GSVG vorliege, wird abgewiesen."

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Leistungsfähigkeit des am 16.4.1939 geborenen Klägers ist zufolge gesundheitsbedingter Einschränkungen herabgesetzt. Er ist nur mehr in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen bei Einhaltung der üblichen Arbeitspausen zu verrichten. Nicht möglich sind ihm Arbeiten, die mit häufigem oder längerdauerndem Bücken oder Heben und Tragen von Gegenständen über 15 kg verbunden sind, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten, die längere Zeit in Kälte, Nässe und Zugluft auszuführen sind und mit einer häufigen Durchnässung und Erkältung einhergehen. Wegen Überempfindlichkeit gegenüber Reizsubstanzen soll das Arbeitsmilieu frei bzw arm an Chemikalien, Staub und Rauch sein; alternativ sind vorbeugende Schutzmaßnahmen erforderlich, wie das Tragen von Staubmasken und die Anwendung von vorbeugenden inhaltativen Atemmedikamenten. Bei Traktorenarbeiten muß ein gut gefederter Sitz vorhanden sein. Bezüglich des ortsüblichen Anmarschweges zur Arbeit bestehen keine Einschränkungen; ein öffentliches Verkehrsmittel kann benützt werden. Dieser Zustand besteht seit Antragstellung.

Der Kläger ist seit 1986 als Führer eines Fremdenbeherbergungsbetriebes nach dem GSVG pflichtversichert; die Versicherung besteht aufrecht. Zusätzlich war er vom 1.1.1988 bis 31.1.1994 als Betriebsführer einer Landwirtschaft nach dem BSVG pflichtversichert. Er betrieb in dieser Zeit eine Landwirtschaft mit einem Einheitswert von 103.000 S, die 12 ha landwirtschaftlicher und 5 ha forstwirtschaftlicher Fläche umfaßte. In der Landwirtschaft arbeitete der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau. Pro Monat und Arbeitskraft wurde aus dieser Landwirtschaft im versicherten Zeitraum ein Einkommen von 8.000 S erzielt. Seit 1973 führt der Kläger einen Fremdenbeherbergungsbetrieb, der 6 möblierte Zimmer mit Kochgelegenheit, Kühlschrank, Dusche und WC und einen 500 m2 großen Freizeitgarten umfaßt. Die Zimmer sind langfristig vermietet, die laufende Säuberung erledigen die Mieter. Der Kläger hat die Instandhaltungsarbeiten an der Wasserleitung, der Heizung und an den Elektrogeräten sowie weitere Instandhaltungsarbeiten an den vermieteten Räumen auszuführen. Aus der Zimmervermietung ergab sich kein nennenswerter Gewinn. Von 1992 bis 1994 wurde ein durchschnittlicher Gewinn von 55.000 S pro Jahr erzielt. Der Kläger könnte aus der Landwirtschaft allein seinen Lebensunterhalt erwerben. Die Zimmervermietung ist für ihn ein positiver Zuerwerb; von ihr allein könnte der Kläger nicht leben. Beide selbständigen Tätigkeiten waren für den Kläger wesentliche Einkommensbestandteile. Der Kläger ist weiterhin in der Lage, seine Tätigkeit als Führer des Fremdenbeherbergungsbetriebes auszuüben, er ist jedoch nicht mehr in der Lage, seine Tätigkeiten als selbständiger Landwirt zu verrichten.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 7.3.1996 wurde das Begehren des Klägers vom 30.9.1994 auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit iSd § 131c Abs 1 Z 3 GSVG abgewiesen.

Das Erstgericht gab dem gegen diesen Bescheid erhobenen (nach Einschränkung eines davor auch erhobenen Leistungsbegehrens) auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit des Klägers iSd § 131c Abs 1 GSVG gerichteten Begehren statt und sprach aus, daß beim Kläger dauernde Erwerbsunfähigkeit gemäß § 131c Abs 1 Z 3 GSVG vorliege. Nach den festgestellten Sachverhalt stelle sich die Frage, ob die landwirtschaftliche Tätigkeit bei Beurteilung des erhobenen Begehrens zu berücksichtigen sei. Übe jemand mehrere Erwerbstätigkeiten aus und erfülle er dadurch mehrere Pflichtversicherungstatbestände, könne es in der Pensionsversicherung zu Mehrfachversicherungen kommen; dieser Grundsatz der Mehrfachversicherung könne durch Ausnahmeregelungen und Belastungshöchstgrenzen durchbrochen und modifiziert sein. Bei einem Versicherten, der aufgrund gewerblicher Tätigkeit nach dem GSVG pflichtversichert sei und überdies eine selbständige landwirtschaftliche Tätigkeit ausübe, aufgrund derer er aber keine Beiträge nach dem BSVG zu leisten habe, sei bei Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit nach den Bestimmungen des GSVG die Selbständige landwirtschaftliche Tätigkeit grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (ARD 4556/20/94). Der Kläger sei hingegen aufgrund seiner Tätigkeit als Betriebsführer einer Landwirtschaft vom 1.1.1988 bis 31.1.1994 nach dem BSVG pflichtversichert gewesen. Bei Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit sei daher in diesem Fall auch die Tätigkeit als selbständiger Landwirt zu berücksichtigen. Wenn ein in der Pensionsversicherung nach dem GSVG Versicherter zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate mehrere Teiltätigkeiten in einem oder mehreren Betrieben ausgeübt habe und seine persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes oder dieser Betriebe notwendig gewesen sei, dann sei er nicht erwerbsunfähig, wenn er seiner zuletzt ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit wenigstens in einer Sparte unter zumutbaren gesundheitlichen und wirtschaftlichen Bedingungen nachgehen könne (ARD 4560/9/94). Unter zumutbaren wirtschaftlichen Bedingungen bedeute, daß die Tätigkeit, die der Versicherte nicht mehr ausüben könne, wirtschaftlich unbedeutend sei und in ihrem wirtschaftlichen Gewicht unter 10 vH im Verhältnis zur bedeutenden Tätigkeit liege. Für den Kläger sei keine der beiden selbständigen Tätigkeiten, nämlich die Landwirtschaft und die Zimmervermietung wirtschaftlich unbedeutend gewesen, der Landwirtschaft sei die überwiegende Bedeutung zugekommen. Dem Kläger sei die zuletzt durch 60 Monate ausgeübte gemeinsame Tätigkeit als Fremdenbeherberger und Landwirt nicht mehr zumutbar. Auf die nach dem 31.1.1994 allein ausgeübte Tätigkeit als Fremdenbeherberger sei nicht abzustellen, weil diese durch den Wegfall der Kombination mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit eine neue selbständige Tätigkeit darstelle, deren Dauer 60 Monate nicht erreicht habe. Die Voraussetzungen für die begehrte Feststellung lägen daher vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es erachtete die Feststellungen des Erstgerichtes für unbedenklich und trat dessen rechtlicher Beurteilung bei. Darauf, daß der Kläger zum Beurteilungszeitpunkt nur mehr eine selbständige Erwerbstätigkeit, nämlich die als Fremdenbeherberger ausgeübt habe, weil er die landwirtschaftliche Erwerbstätigkeit bereits am 31.1.1994 aufgegeben habe, komme es nicht an, weil es sich bei der Erwerbstätigkeit im Sinne des § 131c Abs 1 Z 3 GSVG keineswegs um die letzte Erwerbstätigkeit vor dem Stichtag handeln müsse, sondern um jene, die der Versicherte in seinem Berufsleben als letzte durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt habe (SSV-NF 4/93; 5/138). Wenn der Versicherte zuletzt nicht mindestens 60 Monate eine einzige selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, sondern zwei oder mehrere nebeneinander, seien für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit alle zuletzt durch mindestens 60 Monate gemeinsam ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeiten zu berücksichtigen. Da der Kläger vom 1.1.1988 bis 31.1.1994 sowohl in der Fremdenbeherbergung als auch in der Landwirtschaft selbständig erwerbstätig gewesen sei, seien diese beiden jene selbständigen Erwerbstätigkeiten, die er zuletzt durch mindestens 60 Monate ausgeübt habe.

Die Berufungswerberin halte der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes entgegen, die landwirtschaftliche Berufstätigkeit des Klägers sei bei Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit gemäß § 131c Abs 1 lit c GSVG auch deshalb außer Betracht zu lassen, weil der Gesetzgeber Bestimmungen im Sinne eines Tätigkeitsschutzes im BSVG nicht getroffen habe; der Tätigkeitsschutz dürfe nicht über den Umweg des GSVG in das BSVG eingeführt werden. Unter der zuletzt durch 60 Kalendermonate ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit sei nur die selbständige gewerbliche Erwerbstätigkeit zu verstehen. Deshalb hätte bei der Entscheidung nur die Tätigkeit als Fremdenbeherberger berücksichtigt werden dürfen.

Dem sei entgegenzuhalten, daß § 131c Abs 1 Z 3 GSVG ganz allgemein von einer selbständigen Erwerbstätigkeit spreche; der Bestimmung sei keine Einschränkung auf nach dem GSVG versicherte Tätigkeiten zu entnehmen. Der Oberste Gerichtshof habe in SSV-NF 4/93 ausgesprochen, daß im Rahmen der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit nach § 133 Abs 2 GSVG auch eine selbständige Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen sei, die der Versicherungspflicht nach dem BSVG unterlegen sei; dies habe für die Erwerbsunfähigkeit nach § 131c Abs 1 Z 3 GSVG in gleicher Weise zu gelten. Die landwirtschaftliche Tätigkeit des Klägers sei daher auch bei Prüfung der Erwerbsunfähigkeit nach dem GSVG zu berücksichtigen.

Auch soweit die beklagte Partei geltend mache, daß auch bei Gleichstellung der landwirtschaftlichen und der nach dem GSVG versicherten Erwerbstätigkeit keine Erwerbsunfähigkeit vorliege, weil diese erst gegeben sei, wenn der Versicherte keine selbständige Erwerbstätigkeiten mehr ausführen könne, während der Kläger aber in der Lage sei, das Fremdenbeherbergungsgewerbe weiterhin auszuüben, komme dem keine Berechtigung zu. Es treffe wohl zu, daß nach der Judikatur bei Ausübung mehrerer selbständiger Teiltätigkeiten - zuletzt durch 60 Kalendermonate - in einem Betrieb oder mehrere Betrieben Erwerbsunfähigkeit dann nicht vorliege, wenn der Versicherte seiner zuletzt ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit zumindest in einer Sparte nachgehen könne. Dies allerdings nur, wenn dies unter zumutbaren wirtschaftlichen und gesundheitlichen Bedingungen möglich sei (SSV-NF 7/21). Diese Voraussetzung liege aber nur dann vor, wenn die noch mögliche Teilerwerbstätigkeit gegenüber der nicht mehr möglichen ein erhebliches Übergewicht gehabt habe. Dies sei aber hier nicht der Fall, weil die dem Kläger noch mögliche Teiltätigkeit als Fremdenbeherberger gegenüber seiner Tätigkeit in der Landwirtschaft wirtschaftlich eindeutig untergeordnet gewesen sei, so daß der Kläger keiner der zuletzt ausgeübten Teiltätigkeiten unter zumutbaren wirtschaftlichen Bedingungen weiter nachgehen könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Begehren des Klägers abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 133a GSVG wurde durch die 13. GSVGNov eingefügt. Begründet wurde die Schaffung der neuen Bestimmung damit, daß Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruches aus der Pensionsversicherung nach dem GSVG ua die Erfüllung der besonderen Voraussetzung sei, daß am Stichtag die Berechtigung (Befugnis) zur Ausübung der die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit bzw das Gesellschaftsverhältnis erloschen sei. Dementsprechend habe der Pensionswerber zur Erfüllung der genannten Anspruchsvoraussetzung seine Berechtigung zurückzulegen, seine Befugnis aufzugeben oder aus dem Gesellschaftsverhältnis (als Geschäftsführer einer GmbH) auszuscheiden. Eine solche Maßnahme habe jedoch im Regelfall eine entscheidende Veränderung der wirtschaftlichen Stellung des Versicherten zur Folge und könne, wenn überhaupt nur mit einem erheblichen Aufwand und mit nicht unbeträchtlichen Nachteilen korrigiert werden. Die Novelle verfolge das Ziel, den möglichen Eintritt dieser Nachteile von vornherein abzuwenden (Erl-Bem zur RV der 13. GSVGNov, zitiert in Teschner/Widlar GSVG MGA 47. ErgLfg 370/101).

Die Bestimmung des § 133a GSVG findet sich im Gesetz unmittelbar im Zusammenhang mit den Regelungen über die Erwerbsunfähigkeitspension gemäß §§ 132 ff. Fraglich könnte nun sein, ob deshalb und auch weil die Bestimmung zu einer Zeit eingeführt wurde, als § 131c GSVG noch nicht dem Rechtsbestand angehörte, § 133a GSVG nur auf § 133 Abs 1 und 2 GSVG zu beziehen ist, der die Definition der diesbezüglichen Anspruchsvoraussetzungen für die in § 132 GSVG geregelte Erwerbsunfähigkeitspension enthält, oder ob auch die besondere Anspruchsvoraussetzung des § 131c Abs 1 Z 3 GSVG Gegenstand der Feststellung nach dieser Gesetzesstelle sein kann. Letzteres ist zu bejahen. § 131c GSVG regelt die Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit und bestimmt in Abs 1 Z 3, in welchen Fällen die in der Überschrift genannte Voraussetzung der Erwerbsunfähigkeit vorliegt. Die Erwerbsunfähigkeit in dem dort umschriebenen Sinne bildet auch hier eine Voraussetzung für den Anspruch auf die Leistung. Der Regelungsinhalt entspricht daher in diesem Punkt den Bestimmungen, die für die Erwerbsunfähigkeitspension in § 133 Abs 1 und 2 GSVG enthalten sind. Dies spricht für die Anwendbarkeit der in § 133a geregelten Feststellung der Erwerbsunfähigkeit auch auf Fälle des § 131c GSVG. Dem könnte entgegengehalten werden, daß das Fehlen einer selbständigen oder unselbständigen Beschäftigung nicht Voraussetzung für eine Leistung nach § 131c GSVG ist und daher der mit der Regelung des § 133a GSVG verfolgte Zweck gegen eine Anwendung dieser Bestimmung auch auf die Fälle der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit spreche. Dieser Einwand überzeugt jedoch nicht.

Durch die 19.GSVGNov BGBl 1993/336 wurden die Bestimmungen über die Erwerbsunfähigkeitspension (§ 132 GSVG) dahin geändert, daß nunmehr auch bei dieser Leistung eine am Stichtag bestehende Pflichtversicherung dem Anspruch nicht mehr entgegenstand (Teschner/Widlar aaO 47.ErgLfg 370/7). Während im Zusammenhang mit der entsprechenden Regelung des ASVG betreffend die Invaliditätspension bzw die Berufsunfähigkeitspension (Wegfall der Anspruchsvoraussetzung des Fehlens einer versicherungspflichtigen Beschäftigung am Stichtag) durch das SozRÄG 1993/335 die durch das SozRÄG 1991 BGBl 1991/157 neu geschaffenen Bestimmungen der §§ 225a und 273a wieder eliminiert wurden (Art I Z 85 und 103 SozRÄG 1993 - siehe dazu SSV-NF 8/94), blieb § 133a GSVG durch die 19.GSVGNov unberührt. Ungeachtet des Umstandes, daß die Aufgabe der die Versicherung begründeten selbständigen Tätigkeit nunmehr keine Anspruchsvoraussetzung mehr bildete, stande den dem GSVG unterliegenden Personen weiterhin die Möglichkeit zur Verfügung, die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit zu begehren, obwohl für sie auch bei Weiterführung der selbständigen Tätigkeit die Möglichkeit bestand, einen Leistungsanspruch zu erheben; ob dem Feststellungsanspruch nach § 133a GSVG im Hinblick auf § 55 Abs 2 Z 2 lit a und b GSVG idF des Strukturanpassungsgesetzes BGBl 1996/201 nunmehr wieder vermehrte Bedeutung zukommt, ist hier nicht zu untersuchen. Es bestand jedenfalls durch etwa 3 Jahre (ab dem Zeitpunkt zu dem auch die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit geschaffen wurde) trotz Wegfalles der Gründe, die seinerzeit für die Schaffung des § 133a GSVG maßgeblich waren, weiter die Möglichkeit, die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit zu begehren. Der Umstand, daß nach § 131c GSVG die Aufgabe der selbständigen Tätigkeit keine Anspruchsvoraussetzung ist, bildet daher kein Argument für eine teleologische Reduktion dahin, daß der Feststellungsanspruch nach § 133a GSVG nur auf die Erwerbsunfähigkeitspension nach den §§ 132, 133 GSVG zu beziehen wäre. § 133a GSVG gibt vielmehr einen Anspruch auf Feststellung auch der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 131c Abs 1 Z 3 GSVG. Da der Gesetzgeber mit § 133a GSVG ausdrücklich einen Feststellungsanspruch einräumt und das Fehlen eines Leistungsanspruches (anders als in den aufgehobenen Bestimmungen des § 255a und 273a ASVG) nicht als Voraussetzung des Feststellungsanspruches normiert, kann auch der sonst von der Judikatur vertretene Grundsatz, daß bei Möglichkeit einer Leistungsklage die Feststellungsklage wegen Fehlens des rechtlichen Interesses unzulässig sei (Rechberger in Rechberger ZPO; Anm 11 zu § 228 ZPO mwH), dem Begehren des Klägers nicht entgegenstehen.

Während im Fall eines Leistungsantrages die Anspruchsberechtigung grundsätzlich zu dem durch den Leistungsantrag (oder allenfalls eine danach eingetretene Sachverhaltsänderung) ausgelösten Stichtag zu prüfen ist, ist im Fall eines Feststellungsbegehrens gemäß § 133a GSVG zu beurteilen, ob zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt (Schluß der Verhandlung erster Instanz) Erwerbsunfähigkeit vorliegt (idS auch SSV-NF 7/14, 8/94). Durch den Antrag gemäß § 133a GSVG wird kein Stichtag ausgelöst; die Bestimmung des § 113 Abs 2 GSVG bezieht sich nur auf Leistungsanträge. Die Verhandlung vor dem Erstgericht wurde am 3.9.1996 geschlossen. Das ist daher der Zeitpunkt zu dem die Prüfung des Klagebegehrens vorzunehmen ist. Zu diesem Zeitpunkt stand aber § 131c GSVG in seiner durch das Strukturanpassungsgesetz BGBl 1996/201 geänderten Fassung in Kraft. Durch dieses Gesetz wurde die altersmäßige Voraussetzung für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit dahin geändert, daß nunmehr männliche Versicherte erst dann Anspruch auf diese Leistung haben, wenn sie das 57. Lebensjahr vollendet haben; diese Bestimmung ist am 1.9.1996 in Kraft getreten (§ 266 Abs 1 Z 4 GSVG). Dies ändert allerdings im vorliegenden Fall nichts, weil der Kläger am 16.4.1996 das 57. Lebensjahr vollendete und daher bei Schluß der Verhandlung erster Instanz die altersmäßigen Voraussetzungen des § 131c GSVG auch in der neuen Fassung erfüllte.

Es ist daher zu prüfen, ob beim Kläger Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 131c Abs 1 Z 3 GSVG vorliegt.

Der Kläger ist seit 1986 als Führer eines Fremdenbeherbergungsbetriebes nach dem GSVG pflichtversichert; die Versicherung besteht aufrecht. Zusätzlich war er vom 1.1.1988 bis 31.1.1994 als Betriebsführer einer Landwirtschaft nach dem BSVG pflichtversichert. Es handelt sich daher um einen Wanderversicherungsfall im Sinne des § 129 GSVG. Hat ein Versicherter Versicherungsmonate sowohl in der Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherung als auch in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und (oder) in der Bauern-Pensionsversicherung erworben, so kommen gemäß § 129 Abs 1 GSVG für ihn die Leistungen aus der Pensionsversicherung in Betracht, der er zugehörig ist. Liegen in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (hier vor dem Schluß der Verhandlung) Versicherungsmonate in mehreren der in Abs 1 genannten Pensionsversicherungen vor, so ist der Versicherte der Pensionsversicherung zugehörig, in der die größere oder größte Zahl von Versicherungsmonaten vorliegt, wenn aber die gleiche Zahl von Versicherungsmonaten vorliegt, der Pensionsversicherung, in der der letzte Versicherungsmonat vorliegt. Versicherungsmonate, die sich zeitlich decken, sind nur einfach zu zählen, wobei im Fall des Vorliegens von sich deckenden, nach dem GSVG und dem BSVG versicherten Zeiten gleicher Art die Zeit als Versicherungszeit nach dem GSVG gilt (§ 129 Abs 4 lit b GSVG).

Der Kläger hat daher im maßgeblichen Zeitraum ausschließlich Zeiten

nach dem GSVG erworben, so daß für ihn die Leistungen nach diesem

Bundesgesetz in Betracht kommen. Das Wesen der Wanderversicherung

besteht darin, daß alle erworbenen Versicherungszeiten vom

zuständigen Versicherungsträger so behandelt werden, als ob sie

(ausschließlich) aus bei ihm versicherten Tatbeständen erworben

worden wären; bei Feststellung der Leistungsansprüche hat dieser

jedoch nur eigenes Recht anzuwenden und dabei nur Versicherungsfälle

zu berücksichtigen, die nach dem für ihn maßgeblichen

Versicherungssystem vorgesehen sind (SSV-NF 9/10). Ist nach den

Bestimmungen über die Wanderversicherung die Zugehörigkeit des

Versicherten zur Pensionsversicherung bei der beklagten Partei

gegeben, dann ist der Leistungsanspruch unabhängig von der Dauer, der

zeitlichen Lagerung und (bei sich deckenden Zeiten) von der

wirtschaftlichen Bedeutung der versicherten Tätigkeit ausschließlich

nach dem GSVG zu prüfen. Dem Grundsatz, daß jeder Versicherungsträger

nur eigenes Recht anzuwenden hat, entspricht es, daß dann, wenn dabei

die Erwerbsunfähigkeit in Frage steht, diese Prüfung nur auf der

Grundlage der in diesem Versicherungszweig versicherten Tätigkeiten

zu erfolgen hat (SSV-NF 9/10 = SZ 68/30).

In der Entscheidung SSV-NF 4/93 (=SZ 63/112) wurde ausgesprochen, daß

dann, wenn ein nach dem GSVG Versicherter während dieser Versicherung nicht 60 Monate einer gleichartigen Tätigkeit im Sinne des § 133 Abs 2 GSVG aufzuweisen hat, auf davor durch eine 60 Monate dauernde selbständige landwirtschaftliche Tätigkeit erworbene Versicherungszeiten zurückzugreifen sei; die Frage der Verweisungsmöglichkeit bzw der Erwerbsunfähigkeit nach dem GSVG sei dann ausgehend von diesen landwirtschaftlichen Tätigkeiten zu prüfen. Ob diese Entscheidung im Hinblick auf die in der Begründung der Entscheidung SSV-NF 9/10 ausgesprochenen Grundsätze aufrechterhalten werden könnte - in der letztgenannten Entscheidung hat sich der Oberste Gerichtshof von dieser Entscheidung bereits distanziert -, kann unerörtert bleiben. Die Entscheidung SSV-NF 4/93 baute nämlich auf der damals bestehenden Rechtslage auf, nach der die entsprechenden Bestimmungen des GSVG bzw des BSVG (§ 133 Abs 2 GSVG bzw § 124 Abs 2 BSVG) wortgleich waren, was den Systemübergriff nach der damals vertretenen Ansicht rechtfertigte. Diese Rechtslage hat sich aber in der Zwischenzeit grundsätzlich geändert; die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach den Regelungen des GSVG bzw des BSVG unterscheiden sich jetzt wesentlich (10 ObS 257/97k).

Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit besteht nach § 131c Abs 1 Z 3 GSVG idF der 19. GSVGNov, wenn der Versicherte - neben weiteren Voraussetzungen, deren Vorliegen hier nicht strittig ist - infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, jener selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die er zuletzt durch zumindest 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Diese Bestimmung normiert einen Tätigkeitsschutz, es wird bei Prüfung der Erwerbsunfähigkeit auf den konkreten Gewerbebetrieb abgestellt, den der Versicherte im Beobachtungszeitraum tatsächlich geführt hat. Ist er nicht mehr imstande diesen Betrieb weiter zu führen, so sind die Voraussetzungen nach der zitierten Gesetzesstelle erfüllt.

Gemäß § 122c Abs 1 Z 2 BSVG hat der Anspruch auf vorzeitige Alterspension nach diesem Gesetz zur Voraussetzung, daß der Versicherte infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat, wenn dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war. Es handelt sich dabei um den Erwerbsunfähigkeitsbegriff, der aus der früheren Bestimmung des § 124 Abs 2 BSVG durch die 18. BSVGNov in den neuen eingefügten § 122c BSVG übertragen wurde (Teschner/Widlar BSVG, 30. ErgLfg 337, Anm 3 zu § 122c BSVG); er entspricht im wesentlichen dem Erwerbsunfähigkeitsbegriff des § 133 Abs 2 GSVG. Der Erwerbsfähigkeitsbegriff des § 131c Abs 1 Z 3 GSVG geht jedoch viel weiter als der des § 122c Abs 1 Z 2 BSVG. Während nach der ersten Bestimmung die Voraussetzungen bereits erfüllt sind, wenn der Versicherte nicht in der Lage ist, den von ihm während des Beobachtungszeitraumes konkret geführten Gewerbebetrieb weiter zu führen, normiert das BSVG als weitere Voraussetzung, daß die persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war und schränkt die Prüfung nicht auf die zuletzt konkret verrichtete (selbständige landwirtschaftliche) Tätigkeit ein, sondern sieht weitere Verweisungsmöglichkeiten vor.

Schon die unterschiedliche Regelung des Erwerbsunfähigkeitsbegriffes steht einer Einbeziehung von nach dem BSVG versicherten Tätigkeiten bei Prüfung der Erwerbsunfähigkeit nach § 131c GSVG entgegen. Folgte man dem Standpunkt der Vorinstanzen, so würde für eine nach dem BSVG versicherten Tätigkeit eine Leistung gewährt, die im BSVG nicht vorgesehen ist. Der Kläger könnte bei Einbeziehung auch von nach dem BSVG versicherten Tätigkeiten in die nach § 131c GSVG vorzunehmende Prüfung des Anspruches eine Leistung erhalten, die Personen, die ausschließlich nach dem BSVG versichert sind, nicht erreichen könnten.

Dabei wird nicht übersehen, daß dies zur Folge hat, daß unter Umständen Personen, die Versicherungszeiten in verschiedenen Systemen der Pensionsversicherung erworben haben, Leistungen, deren Voraussetzungen nach einem der Systeme erfüllt sind, nicht erlangen können, weil sie die leistungszuständige Pensionsversicherung nicht vorsieht. Dies ist aber in den unterschiedlichen Regelungen über die Anspruchsvoraussetzungen in den verschiedenen Systemen sowie darin begründet, daß im Rahmen der Wanderversicherung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur die Leistungen in Frage kommen, die die leistungszuständige Pensionsversicherung vorsieht, was bedingt, daß nur in diesem System erworbenen Versicherungszeiten in die Prüfung einbezogen werden können.

Da der Kläger der Pensionsversicherung nach dem GSVG zugehörig ist, sind daher bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 131c GSVG nur die Tätigkeiten einzubeziehen, die der Versicherung nach dem GSVG unterlagen. Da er nach den Feststellungen in der Lage ist, die mit der Tätigkeit eines Fremdenbeherbergers zusammenhängenden Arbeiten weiterhin zu verrichten, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die begehrte Feststellung nicht vor. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher im Sinne einer Abweisung des erhobenen Begehrens abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus dem Akt.

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