OGH 8ObA226/00v

OGH8ObA226/00v25.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Ernst Boran als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Alfred H*****, Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrates, *****, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Zustimmung zur Entlassung des Beklagten als Betriebsratsmitglied, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 2000, GZ 15 Ra 43/99g-28, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Juli 1998, GZ 35 Cga 25/98t-11, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.112,-- (darin enthalten S 1.352,-- an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der 1941 geborene und seit 1986 bei der Klägerin in einem Produktionsbetrieb für Sportartikel beschäftigte Kläger ist dort seit März 1995 Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrats und dienstfrei gestellt. 1999 wurde er erneut gewählt.

Über Anregung verschiedener Vorarlberger Sportartikelfachhändler, die Abgabe der eigenen Sportartikel durch die Klägerin an ihre Mitarbeiter nicht ausufern zu lassen, regelte die Klägerin diese Mitarbeiteraktionen und fasste dies dann in einer Aktennotiz aus November 1995, die auch dem Beklagten zur Kenntnis gebracht wurde, zusammen. Danach hat jeder Mitarbeiter pro Jahr Anspruch auf zwei Paar Erwachsenenschi und, sofern er eigene Kinder hat, auch auf zwei Paar Jugendschi. Eine im Oktober 1996 geänderte Aktennotiz wurde ebenfalls dem Beklagten mitgeteilt, wobei sich darin an der Anzahl der abzugebenden Schi nichts änderte, jedoch auch vorgesehen war, dass die Abwicklung unmittelbar über den Verkaufsinnendienst und nicht nur über den Sportfachhandel erfolgen kann. Von den in den Jahren 1997 und 1998 bei der Klägerin beschäftigten 600 bis 700 Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnen machten insgesamt nur etwa 10 % von dieser Mitarbeiteraktion Gebrauch. Die dafür vorgesehenen Formulare von Mitarbeiter-Bezugsscheinen wiesen auch den Hinweis auf, dass der Erwerb nur dem Eigenbedarf bzw dem Bedarf engster Familienangehöriger dienen dürfe und bei einem etwaigen Zuwiderhandeln - dem Weiterverkauf der bestellten Schi - sich das Unternehmen das Recht vorbehalte, dem Mitarbeiter die Differenz auf den unverbindlich empfohlenen Verkaufspreis in Rechnung zu stellen. Der Beklagte bestellte beim Verkaufsinnendienst Schi, jedoch nicht nur über derartige Mitarbeiter-Bezugsscheine, sondern auch telefonisch. Die Bezüge von Artikeln der Klägerin durch Mitarbeiter wurden auf sogenannte "Mitarbeiterkonten" erfasst, aus denen sich ergibt, zu welchem Zeitpunkt welcher Mitarbeiter Artikel bezogen hat. Die Beschäftigten des Verkaufsinnendienstes befragten den Beklagten jedoch nicht, ob und wieviel Produkte er schon bezogen hatte. Insgesamt bezog er in der Zeit vom 23. Oktober 1997 bis 16. Jänner 1998 14 Paar Erwachsenenschi und ein Paar Schistöcke zu den Vorzugskonditionen der Mitarbeiter - dies entspricht dem halben Listenpreis - mit einem Gesamtbezugspreis von S 35.000,--. Zum Großteil verwendete er diese Produkte jedoch nicht für sich selbst, sondern verlieh diese oder veräußerte er sie an Bekannte und Freunde. Dies erfolgte jedoch ohne das Ziel, sich finanzielle Vorteile zu verschaffen, sondern nur mit der Absicht, sich populär zu machen. Durch dieses Verhalten ist auf Seiten der Unternehmensleitung eine deutliche Vertrauensbeeinträchtigung, jedoch kein Vertrauensverlust eingetreten.

Im Mai 1998 wandte sich auch das Landesgremium des Lederwaren-, Spielwaren- und Sportartikelhandels der Wirtschaftskammer Vorarlberg an die Klägerin mit dem Ersuchen, Mitarbeiterdirektverkäufe auf das absolut notwendige Maß zu reduzieren. Bereits im Februar 1998 brachte aber die Klägerin die vorliegende Klage auf Zustimmung zur Entlassung des beklagten Betriebsratsvorsitzenden ein. Seit seiner Tätigkeit im Arbeiter-Betriebsrat ist er der Unternehmensleitung der Klägerin "ein Dorn im Auge" und bei ihr unbeliebt.

Dass der Beklagte bereits vor den Vorfällen im Jahre 1998, im Jahre 1995 noch nicht approbierte Daten eines Sanierungskonzeptes der Klägerin an die Öffentlichkeit weitergegeben hätte, konnte ebensowenig festgestellt werden, wie, dass der Beklagte öffentlich unberechtigte und falsche Kritik an der Klägerin geübt bzw diese öffentlich angegriffen hätte. Allerdings hatte er am 7. 9. 1995 und einige andere Male das Betriebsgelände ohne Betätigung der Spempeluhr verlassen. Es wurde ihm mündlich von der Geschäftsleitung wiederholt mitgeteilt, dass auch er zu stempeln habe. Im Jahre 1997 beschwerten sich zwei Arbeiter der Klägerin mit der Behauptung, dass ihr Arbeitsplatz gesundheitsschädigend sei - insbesondere wegen der Dämpfe und Einwirkungen aus chemischen Klebstoffen - beim Beklagten, nachdem sie sich zuvor erfolglos beim Betriebsarzt beschwert hatten. Bei einer Besichtigung des Arbeitsplatzes durch einen Arzt des Arbeitsinspektorrates warf der Beklagte dem Betriebsarzt mangelnde ärztliche Qualifikation vor, da er sich nicht um Beschwerden der Mitarbeiter kümmere und Fehldiagnosen erstatte. Damit wollte er bestehende Missstände aufzeigen. Der Betriebsarzt hatte einen Arbeiter auf dessen Herzbeschwerden untersucht, der nach der Untersuchung einen Herzinfarkt erlitt, der jedoch bei der Untersuchung nicht erkennbar war. Hinsichtlich des weiteren Vorwurfs des Beklagten, dass der Betriebsarzt einen Handgelenksbruch des Beklagten nicht erkannt habe, konnte nicht festgestellt werden, ob der Betriebsrat beim Beklagten einen Handgelenksbruch irrtümlich als Prellung diagnostizierte.

Anfang 1998 wandte sich der Beklagte auch an die Arbeiterkammer, da er als Betriebsrat nicht rechtzeitig über geplante Einstellungen von Arbeitnehmern bzw eine Einstellung eines Betriebsteiles der Klägerin informiert worden sei. Tatsächlich war der Betriebsrat bislang unzureichend über die Einstellung neuer Arbeitnehmer informiert worden und auch nicht über den Fremdbezug von bisher im eigenen Betrieb produzierten Kinderschiern. Der Beklagte nahm allerdings auch an regelmäßigen Informationssitzungen der Klägerin nicht teil.

Das klagende Unternehmen stützte sein Begehren auf Zustimmung zur Entlassung des Beklagten in erster Instanz darauf, dass er unberechtigt in der Zeit vom 23. 10. 1997 bis 15. 1. 1998 16 Paar Schi mit dem Hinweis bezogen habe, dass diese für Mitarbeiter seien und nicht bereit gewesen sei, bekanntzugeben, für wen. Von den übrigen Mitarbeiter seien die Vorgaben der Mitarbeiteraktion stets eingehalten worden. Beim Beklagten sei dies nur deshalb nicht aufgefallen, weil auch andere Mitarbeiter teilweise über den Betriebsrat Schi bezogen hätten. Der Beklagte habe seine Vertrauensstellung als Betriebsratsvorsitzender missbraucht.

Im Berufungsverfahren stützte die in erster Instanz nicht qualifiziert im Sinne des § 40 Abs 1 ASGG vertretene Klägerin ihr Begehren ergänzend auch noch darauf, dass der Beklagte im Jahre 1995 vertrauliche Tatsachen an die Öffentlichkeit weitergegeben habe, die Klägerin öffentlich angegriffen und gegen die Zeiterfassungsregelungen verstoßen habe. Auch sei er wiederholt wegen Ordnungswidrigkeit und mangelnder Koordination und Abstimmung mit der Geschäftsleitung verwarnt worden. Schließlich erstattete die Klägerin auch noch in der Berufungsverhandlung ein weiteres Vorbringen über das Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit der Auflösung von Dienstverhältnissen von behinderten Mitarbeitern der Klägerin.

Der Beklagte, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass ihm die Beschränkungen bei der Mitarbeiteraktion nicht bekannt gewesen seien und er sich dabei auch nicht bereichert habe. Es sei ihm von der Klägerin auch nie verboten worden, die Schi an Freunde und Bekannte weiter zu geben. Auf Beschränkungen sei der Kläger nie aufmerksam gemacht geworden; die Klägerin versuche nur aus diesem Anlass den Beklagten als unbequemen Betriebsrat loszuwerden. Der Beklagte habe teilweise die Schi für Bekannte auch nicht von der Klägerin, sondern im Sporthandel bezogen. Insgesamt habe sich der Beklagte stets einwandfrei verhalten und auch in den Vorjahren weder vertrauliche Fakten veröffentlicht, noch die Klägerin öffentlich angegriffen. Vielmehr habe er im Jahre 1995, als der Klägerin die Insolvenz gedroht habe, sich in einem Hilferuf an verschiedene Personen gewendet und auch den Landeshauptmann um Unterstützung gebeten. Seine Äußerungen gegenüber dem Betriebsarzt rührten daher, dass dieser im Jahre 1994 beim Beklagten eine Prellung diagnostizierte, während tatsächlich ein Bruch der Hand vorgelegen sei. Es habe die Klägerin ihre Informationspflichten gegenüber dem Betriebsarzt verletzt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den einleitend hinsichtlich des Bezuges der Schi festgestellten Sachverhalt rechtlich dahin, dass der Beklagte durch den unzulässigen Bezug der Schi, der ihm bewusst habe sein müssen, den Tatbestand der Untreue im Sinne des § 122 Abs 1 Z 3 erster Fall ArbVG verwirklicht habe, die Weiterbeschäftigung des Beklagten sei der Klägerin aber im Sinn des § 122 Abs 2 ArbVG noch weiter zumutbar, da eine sinnvolle betriebsverfassungsrechtliche Zusammenarbeit erwartet werden könne. Handle es sich doch um eine der Art nach einmalige Fehlleistung des Beklagten, bei der keine völlige Vertrauenszerrüttung anzunehmen sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung auch unter Bedachtnahme auf die zu den ergänzenden Vorbringen getroffenen Feststellungen nicht Folge. Ferner verneinte es eine vom Beklagten wegen Abweichens der Urteilsausfertigung vom Beratungsprotokoll gerügte Nichtigkeit der Entscheidung. Es ging in der Hauptsache davon aus, dass zwar entgegen der Ansicht des Erstgerichtes im Zusammenhang mit der Prüfung der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung gemäß § 122 Abs 2 ArbVG das Interesse des Betriebsrates am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht berücksichtigt werden könne. Das hier nachgewiesene Fehlverhalten des Beklagten, der gegen die Weisung des Arbeitgebers verstoßen habe, Preisnachlässe nur für bestimmte nahe Verwandte in Anspruch zu nehmen, stelle zwar eine vorsätzliche und pflichtwidrige gegen die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers verstoßende Handlung dar, diese rufe jedoch keine so schwere Vertrauenserschütterung hervor, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal für die Dauer einer Kündigungsfrist zugemutet werden könne. Zwar sei es der Beklagten nicht zuzurechnen, dass sie die Einhaltung dieser Vorschriften mangelhaft kontrollierte, da der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Verpflichtung zur Treue dazu verhalten sei, auf betriebliche Interessen des Arbeitgebers entsprechend Rücksicht zu nehmen, wobei es als erschwerend hinzukomme, dass er seine Stellung als Betriebsrat ausnützte. Jedoch habe die Klägerin durch den Vermerk auf dem Formblatt, dass sie sich bei Verstößen das Recht vorbehalte, den Mitarbeitern die Differenz zu den unverbindlichen empfohlenen Verkaufspreisen in Rechnung zu stellen, den Eindruck erweckt, dass ein Verstoß gegen die Weisung als nicht so gewichtig angesehen werde. Es hätte daher der Beklagte zumindest auf die Einhaltung der Weisung ernstlich hingewiesen werden müssen, bevor sich die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung durch einen Verstoß des Beklagten ergeben könne. Die erst im Berufungsverfahren geltend gemachten Neuerungen würden so weit zurückliegen, dass sie nur zur Unterstützung eines allfälligen Entlassungsgrundes herangezogen werden könnten, was jedoch nicht durchschlage. Einen Verrat von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen habe die Klägerin nicht nachweisen können, ebensowenig, dass der Beklagte die Klägerin öffentlich angegriffen bzw unberechtigt und falsch kritisiert habe. Der 1995 erfolgte Verstoß gegen die Verpflichtung zur Zeiterfassung sei dem Beklagten nicht anzulasten, da er als Miglied des Betriebsrates von der Arbeitsleistung freigestellt sei und die Klägerin kein Recht habe, den Beklagten hinsichtlich der Arbeitsversäumnisse zu kontrollieren. Eine allenfalls im Jahre 1995 vorgekommene Unterlassung der rechtzeitigen Bekanntgabe einer Betriebsratssitzung sei nunmehr ohne Relevanz. Hinsichtlich der vom Beklagten gegenüber dem Betriebsarzt der Klägerin gemachten Vorhaltungen sei von einer Ehrverletzung auszugehen. Der Beklagte habe auch den Wahrheitsbeweis nicht erbringen können, da er sich nicht auf die Angaben der Bekannten des Arbeiters, der später den Herzinfarkt erlitten habe, verlassen hätte dürfen. Eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sei jedoch deshalb zu verneinen, da der Beklagte seine Äußerungen nicht in beleidigender Absicht, sondern im Rahmen der Wahrung berechtigter Interessen gesetzt habe, sodass ihm die Mandatsschutzklausel des § 120 Abs 1 ArbVG zugutekomme. Ebensowenig könne es dem Beklagten zum Nachteil gereichen, dass er sich wegen der mangelnden Information durch die Klägerin an die Arbeiterkammer Vorarlberg wandte. Die erst nach Schluss des erstinstanzlichen Verfahrens eingetretenen Neuerungen seien unbeachtlich. Insgesamt sei jedenfalls davon auszugehen, dass der Klägerin zumindestens eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer einer Kündigungsfrist zugemutet werden können.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes gerichtete Revision ist gemäß § 46 Abs 3 ASGG zulässig, aber nicht berechtigt.

Zunächst ist dem Beklagten, der in der Revisionsbeantwortung neuerlich Nichtigkeit wegen Abweichens der Ausfertigung des Ersturteils vom Beratungsprotokoll geltend macht, zu erwidern, dass vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeiten des Verfahrens erster Instanz im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können (RIS-Justiz RS0042925, insbes EvBl 1957/145; SZ 68/195; zuletzt 9 ObA 135/00v).

Zur Revision der Klägerin:

Soweit sich die Klägerin in ihrer Revision auf Entlassungsgründe stützt, die sie erst in ihrer Berufung im Februar 1999 geltend gemacht hat, steht diesen der Grundsatz entgegen, dass Entlassungsgründe, die sich auf die behaupteten Fehlverhalten des Beklagten stützen, generell unverzüglich geltend gemacht werden müssen (vgl RIS-Justiz RS0028965; RIS-Justiz RS0029249 und RIS-Justiz RS0031799 jeweils mwN). Im Zusammenhang mit der Entlassung eines Mitgliedes des Betriebsrates bedeutet dies, dass auch ehestens die Klage auf Zustimmung zur Entlassung einzubringen ist (vgl RIS-Justiz RS0028954 mit zahlreichen wN, so etwa Arb 10.785). Daher können die mit den Vorfällen beim Bezug von begünstigten Schi in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehenden Vorfälle aus dem Jahre 1995 über die Bekanntgabe von Fakten aus einer Aufsichtsratssitzung im Rahmen einer Besprechung mit den Betriebsräten sowie die behaupteten Verstöße gegen die Verpflichtung zur Zeiterfassung und die Auseinandersetzungen mit dem Betriebsarzt im Jahre 1997 schon deshalb Jahre danach nicht mehr geltend gemacht werden.

Soweit sich die Klägerin auf das Engagement des Klägers im Zusammenhang mit der Auflösung der Dienstverhältnisse von behinderten Arbeitnehmern stützt, die nach den Ausführungen der Revision erst nach dem Schluss der mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz aufgetreten sein sollen, ist ihr entgegenzuhalten, dass zwar nach § 63 Abs 1 ASGG das Neuerungsverbot des § 482 ZPO ua für Streitigkeiten wie die gegenständliche im Falle einer mangelnden Vertretung durch eine qualifizierte Person im Verfahren erster Instanz nicht gilt; dies ändert jedoch nichts an der Festlegung des Entscheidungszeitpunktes, also den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz (vgl dazu allgemein Fasching Handbuch Rz 1456). Offensichtlich in diesem Sinne vertritt auch Kuderna (Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz2, 417) die Ansicht, dass die Geltendmachung eines neuen Anspruches, nur dann möglich ist, wenn dieser vor dem Schluss der Verhandlung erster Instanz entstanden sei, weil § 63 ASGG keine Besserstellung gegenüber qualifiziert vertretenen Parteien herbeiführen solle. Konecny legt in seinen Ausführungen zur "Neuerungserlaubnis in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten" (WBl 1987, 28) zwar offensichtlich auch die Möglichkeit von später eingetretenen Änderungen zugrunde, setzt sich aber mit dieser Frage nicht näher auseinander. § 63 ASGG soll in Abänderung der Bestimmung des § 25 Abs 1 Z 3 ArbVG über die volle Berufung Verzögerungen des Verfahrens durch neue Verhandlungen vermeiden (vgl Feitzinger/Tades ASGG2 § 63 Anm 1) und nur jenen Parteien, die bisher nicht entsprechend vertreten waren, einen Ausgleich dieses Defizites in erster Instanz durch ein entsprechendes Vorbringen im Berufungsverfahren gestatten. Damit kann es ihnen aber auch nicht offenstehen, einen anderen Entscheidungszeitpunkt herbeizuführen (vgl dazu, dass selbst im AußStrG das Neuerungsrecht im Allgemeinen keine nach der erstgerichtlichen Beschlussfassung eingetretenen Umstände erfasst, etwa EFSlg 82.767 ua).

Es verbleibt damit nur die unberechtigte Inanspruchnahme der Mitarbeiteraktion durch Bezug von 14 Paar Erwachsenenschi zu Vorzugskonditionen.

Ganz allgemein trifft den Arbeitgeber das Risiko, im Streitfall den Entlassungsgrund nachweisen zu müssen (vgl RIS-Justiz RS0028971, RS0081882, Arb 9672 uva). Die genauen Umstände, wie es dazu kam, dass der Verkaufsinnendienst diese Schi an den Beklagten im Rahmen der Mitarbeiteraktion ausfolgte, konnte die Klägerin nicht nachweisen. Insbesondere konnte sie ihre Behauptung, dass der Beklagte die Mitarbeiter des Verkaufsinnendienstes dadurch dazu bewegte, dass er angab, dass er diese Schi für andere Mitarbeiter besorge, nicht konkret unter Beweis stellen. Dies lässt sich den erstgerichtlichen Feststellungen nicht entnehmen (vgl auch etwa die Aussage des Mitarbeiters der Verkaufsabteilung [AS 83], wonach er sich nicht erinnern könne, dass Fälle, in denen der Beklagte Schi für andere Mitarbeiter über sein eigenes Mitarbeiterkonto bezog, vorgekommen wären). Durch die "lockere" Handhabung der Ausgabe der Schi an den Beklagten, obwohl auf Grund des Mitarbeiterkontos des Beklagten für die Klägerin völlig klar ersichtlich sein musste, dass der Beklagte schon weit mehr als das ihm zustehende Kontigent an Schi bezogen hatte, kann aber für den Beklagten durchaus der Eindruck entstehen, dass die Klägerin selbst dieser Regelung nicht allzu große Bedeutung zumaß. Der Tatbestand der Untreue im Sinne des § 122 Abs 1 Z 3 ArbVG erster Fall, auf den sich die Klägerin berufen hat, entspricht nun jenem des § 27 Z 1 erster Fall AngG (vgl OGH RdW 1998, 30 = ecolex 1997, 870). Der Vorsatz des Arbeitnehmers muss dabei nicht nur das den Verstoß begründende Verhalten, sondern auch die Gefährdung der dienstlichen Interessen des Arbeitgebers umfassen (vgl RdW 1998, 30 = ecolex 1997, 870). Ausgehend davon ist dann zu beurteilen, ob das Verhalten des Arbeitnehmers nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise als so schwerwiegend anzusehen ist, dass das Vertrauen des Arbeitgebers in einer Weise erschüttert wird, die ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar macht (vgl RdW 1998, 30 = ecolex 1997, 870; SZ 58/94 uva). Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, inwieweit der Arbeitgeber selbst gegenüber dem Arbeitnehmer der Eindruck erweckt, dass ihm die Einhaltung bestimmter Regelungen nicht besonders bedeutsam scheint. Dann kann auch ein Verstoß gegen diese Regelung sein Vertrauen in den Arbeitnehmer nicht so sehr erschüttern, dass ihm nicht einmal die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zumutbar wäre. Genau davon ist aber hier auszugehen. Hat die Klägerin doch durch ihr dem Beklagten ersichtliches Verhalten, ihm trotz entsprechender Aufzeichnungen über die bereits in vielfacher der im Rahmen der Mitarbeiteraktion vorgesehenen Menge überlassenen Schi weiter ohne Nachfrage Schi zu verkaufen, zum Ausdruck gebracht, dass sie dieser Vorschrift kein besonderes Gewicht zumisst. Dass der Beklagte dies durch tatsachenwidrige Behauptungen bewirkt hätte, konnte nicht festgestellt werden. Weiters ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die Klägerin dadurch, dass sie im Formular für Mitarbeiter-Bezugsscheine als Sanktion für Verstöße gegen ihre Weisung lediglich die Verrechnung der Differenz zum empfohlenen Verkaufspreis vorsah, bei ihren Arbeitnehmern den Eindruck erweckte, dass sie einen Verstoß gegen ihre Weisung als nicht so gewichtig ansah. Insgesamt kann hier also auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte den Tatbestand der Untreue im Sinne des § 122 Abs 1 Z 3 ArbVG verwirklicht hat. Es war daher der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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