OGH 10ObS343/00i

OGH10ObS343/00i16.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Franz Ovesny (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und DDr. Wolfgang Massl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Sonja M*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Mag. Hans-Peter Puchleitner, Rechtsanwalt in Fehring, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juli 2000, GZ 7 Rs 135/00b-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Dezember 1999, GZ 37 Cgs 208/99k-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) macht die Klägerin geltend, dass das Berufungsgericht auf die in der Berufung enthaltenen Ausführungen zur unrichtigen Tatsachenfeststellung eingehen hätte müssen. Ein Mangel des Berufungsverfahrens ist unter anderem dann gegeben, wenn sich das Berufungsgericht mit der Tatsachen- und Beweisrüge nicht oder nur so mangelhaft befasst hat, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 503 mwN). Um die Tatsachen- und Beweisrüge im Sinne der ständigen Rechtsprechung "gesetzmäßig" auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber angeben oder zumindest deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung statt dessen begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen diese begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (Kodek aaO Rz 8 zu § 471 mwN). Der Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung wird nicht gesetzmäßig ausgeführt, wenn die erstrichterliche Beweiswürdigung pauschal als unrichtig bezeichnet wird oder wenn einzelnen Feststellungen lediglich Gegenbehauptungen entgegengesetzt werden (RIS-Justiz RS0041830). Die Klägerin bekämpfte in ihrer Berufung zwar einzelne Feststellungen des Erstgerichtes, unterließ es aber im Einzelnen auszuführen, welche - auch negativen - Feststellungen sie anstatt der gerügten konkret begehrte und aufgrund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel diese zu treffen gewesen wären. Es ist daher dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die Berufung der Klägerin die Tatsachen- und Beweisrüge nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt hat (vgl 1 Ob 213/97y mwN; 9 ObA 298/93 ua).

Nach den im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen zum medizinischen Leistungskalkül der Klägerin ist diese jedenfalls noch in der Lage, leichte Arbeiten weitgehend (7/8 der Arbeitszeit) in sitzender Körperhaltung und überwiegend (2/3 der Arbeitszeit) auch im Gehen und Stehen zu verrichten. Da nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen die Tätigkeit einer Aufseherin in Museen, Ausstellungen und Verkaufshäusern wechselweise im Sitzen, Gehen und Stehen verrichtet wird, die Wahl der persönlich gewünschten Arbeitshaltung in Bezug auf Stehen und Gehen nach freiem Ermessen möglich ist und auch sonst keine kalkülüberschreitenden Tätigkeiten anfallen, kann die Klägerin diesen Verweisungsberuf noch ausüben. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die Anforderungen in der von den Vorinstanzen ebenfalls angeführten Verweisungstätigkeit einer Portierin, die sich unter den Augen der Öffentlichkeit abspielt und deren Anforderungen daher als offenkundig im Sinn des § 269 ZPO gelten, sodass es darüber keiner weiteren Feststellungen bedarf (SSV-NF 8/28 ua).

Es ist offenkundig und wurde von den Vorinstanzen auch ausdrücklich festgestellt, dass in den genannten Verweisungsberufen Portierin und Aufseherin im gesamten Bundesgebiet jeweils mehr als 100 Arbeitsplätze vorhanden sind (10 ObS 254/95 uva). Da die Lage des Wohnortes für die Frage der Invalidität keine Bedeutung hat, wenn der Versicherten - wie im Falle der Klägerin - die Verlegung des Wohnsitzes aus medizinischen Gründen nicht verwehrt ist, kommt es auf die im gesamten Bundesgebiet vorhandenen Arbeitsplätze an (SSV-NF 5/38 mwN ua).

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass das Verweisungsfeld für Versicherte, die - wie die Klägerin - keinen erlernten oder angelernten Beruf ausgeübt haben, mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt ident ist. Die in § 255 Abs 3 ASVG enthaltene Zumutbarkeitsformel soll die Verweisung auf Tätigkeiten verhindern, zu denen der Versicherte zwar imstande wäre, die ihm aber unter billiger Berücksichtigung der von ihm - nicht nur während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag - ausgeübten Tätigkeiten nicht mehr zumutbar wären. Diese Bestimmung hindert eine Verweisung auf Tätigkeiten, die den bisher ausgeübten unähnlich sind, nicht, sondern soll nur in Ausnahmefällen eine Verweisung verhindern, die bei Berücksichtigung der schon ausgeübten Tätigkeit als unbillig bezeichnet werden müsste. Die Klägerin war nach den Feststellungen immer als Hilfsarbeiterin in verschiedenen Branchen (zuletzt in der lederverarbeitenden Industrie) tätig. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, dass der zum Stichtag 48 Jahre alten Klägerin die Tätigkeit etwa einer Portierin oder einer Aufseherin udgl nicht mehr zugemutet werden könnte (vgl SSV-NF 6/12 mwN ua). Die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG liegen daher nicht vor.

Aus diesen Erwägungen musste der Revision der Klägerin ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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