OGH 9ObA298/93

OGH9ObA298/9322.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer und Alfred Schätz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ewald O*****, Koch, *****vertreten durch Dr.Wolfgang Bartosch, Leitender Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, Graz, Hans-Resel-Gasse 8-10, wider die beklagte Partei Land Steiermark, vertreten durch den Landeshauptmann Dr.Josef Krainer, dieser vertreten durch Dr.Reinhard Tögl und Dr.Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung (Streitwert S 30.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.Juni 1993, GZ 7 Ra 19/93-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. September 1992, GZ 31 Cga 57/92-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1.9.1980 bei der beklagten Partei als Koch beschäftigt. Vom 31.10.1991 bis 10.11.1991 war er im Krankenstand. Mit Schreiben vom 20.12.1991 kündigte die Beklagte sein Dienstverhältnis gemäß § 32 Abs 2 lit f VBG 1948 zum 31.3.1992, da er am 6.11.1991 gegen 21 Uhr in der Diskothek "Sch*****" gewesen sei.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß sein Dienstverhältnis über den 31.3.1992 hinaus fortbestehe. Er habe sich am 6.11.1991 nicht in der genannten Diskothek aufgehalten.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe sich vorerst nur vom 31.10.1991 bis 6.11.1991 im Krankenstand befunden. Am 6.11.1991 habe er mitgeteilt, daß sich sein Gesundheitszustand wieder verschlechtert habe, so daß er erneut bis 10.11.1991 krankgeschrieben wurde. Am 6.11.1991 sei er aber gegen 21 Uhr in der Diskothek "Sch*****" gesehen worden. Er habe damit den Krankenstand nach seinem Gutdünken gestaltet und ärztliche Anordnungen übertreten. Sein Verhalten sei geeignet gewesen, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:

Der Kläger war vom 31.10.1991 bis 10.11.1991 durchgehend wegen Kreuzschmerzen im Krankenstand. Am 31.10.1991 erhielt er von seinem behandelnden Arzt eine Injektion und eine Mikrowellenbestrahlung. Das Angebot des Arztes, ob er in den Krankenstand gehen wolle, lehnte er vorerst ab, da er hoffte, mit einer Behandlung Besserung zu erzielen, so daß ein Krankenstand nicht notwendig sein werde. Am 1.11.1991 wurde der Kläger neuerlich mit einer Injektion und Mikrowellenbestrahlung behandelt. Da sich sein Gesundheitszustand nicht besserte, erhielt der Kläger am 4.11.1991 wieder eine Injektion. Auf seinen Wunsch schrieb ihn der behandelnde Arzt rückwirkend mit 31.10.1991 krank. Da der Kläger auch angab, daß er leicht verkühlt sei und der Arzt einen Schnupfen feststellte, trug dieser auf der Krankmeldung außer der Diagnose "Lumbalsyndrom" nebenbei auch einen "grippalen Infekt" ein. Der Kläger war bis 10.11.1991 wegen seiner Kreuzschmerzen ambulant in Behandlung. Er erhielt weiterhin Injektionen und Bestrahlungen. Am 11.11.1991 wurde er wieder arbeitsfähig geschrieben.

Der Kläger hatte weder Medikamente einzunehmen noch Bettruhe einzuhalten. Ein kurzer Besuch einer Diskothek hätte auf den Krankheitsverlauf keinen Einfluß gehabt. Gegen Kreuzschmerzen ist Tanzen eher gesundheitsfördernd, da dies die Heilung begünstigt. Auch für einen normalen Schnupfen ist es belanglos, ob jemand in eine Diskothek geht oder nicht. Der Kläger war aber im November 1991 gar nicht in der Diskothek "Sch*****". Er hatte während dieser Zeit auch kein Auto.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kündigungsgrund des § 32 Abs 2 lit f VBG 1948 nicht vorliege, da der Kläger nicht in der Diskothek gewesen sei. Auch wenn er dort gewesen wäre, hätte dies den Heilungsverlauf nicht beeinträchtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige. Der (allein) geltend gemachte Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung sei nicht gegeben. Die beklagte Partei bekämpfe zwar alle Feststellungen des Erstgerichts und begehre die Feststellung, daß der Kläger während seines Krankenstandes am 6.11.1991 die Diskothek "Sch*****" besucht habe; allein mit dieser "Ersatzfeststellung" sei aber für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen. Auch wenn diese Feststellung getroffen worden wäre, sei der geltend gemachte Kündigungstatbestand, wonach das Verhalten des Klägers dem Ansehen oder den Interessen des Dienstes abträglich gewesen sei, nicht verwirklicht. Der Besuch einer Diskothek allein sei nicht geeignet gewesen, den Heilungsverlauf zu beeinträchtigen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht oder das Erstgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise wird beantragt, die angefochene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, hätte selbst ein erwiesener kurzer Diskothekenbesuch des Klägers - nach dem Beklagtenvorbringen wurde der Kläger nur gegen 21 Uhr gesehen - , kein Verhalten begründet, das geeignet gewesen wäre, den Genesungsprozeß zu verzögern. Er hätte dadurch weder gegen ein ärztliches Gebot verstoßen (Arb 10.614; 9 ObA 166/90) noch ein Verhalten gesetzt, das nach der allgemeinen Lebenserfahrung seine Obliegenheit zur Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit offenkundig verletzt hätte (9 ObA 25/93; 9 ObA 96/93 ua). Die Behandlung des Klägers erfolgte ambulant; einschränkende Vorschriften über sein Verhalten im Krankenstand lagen nicht vor. Daß der Krankenstand erschlichen worden sei, wurde in erster Instanz ebensowenig behauptet wie der in der Revision hervorgehobene Umstand, daß der Kläger eine längere Strecke mit dem Auto gefahren sei. Diesbezüglich bekämpfte die beklagte Partei zwar alle Feststellungen des Erstgerichts, unterließ es aber im einzelnen anzuführen, welche - auch negativen - Feststellungen sie anstatt der gerügten konkret begehrte. Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, beschränkte sich das Begehren der beklagten Partei in ihrer Berufung pauschal darauf, festzustellen, daß der Kläger während seines Krankenstandes die Diskothek besucht habe. Damit wurde aber die Beweis- und Tatsachenrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Auf die weder in der Berufung noch in der Revision ausgeführte Rechtsrüge ist nicht weiter einzugehen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet.

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