OGH 8Ob259/00x

OGH8Ob259/00x21.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras in der Insolvenzsache Überwachung der Erfüllung des Zwangsausgleiches des Schuldners Alois R*****, vertreten durch Dr. Werner Masser u.a., Rechtsanwälte in Wien, wegen Weisungen an den Sachwalter betreffend Verwertung des Vermögens, infolge Rekurses 1) der Gläubigerin B*****, vertreten durch Dr. Karl Preslmayr & Partner, Rechtsanwälte in Wien, und 2) des Sachwalters der Gläubiger Dr. Johannes Honsig-Erlenburg, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 12. Juli 2000, GZ 2 R 104/00b-376, mit dem die Rekurse der zu 1) und 2) Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 31. März 2000, GZ 23 S 292/95a-362, zurückgewiesen wurden, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

  1. 1.) Dem Rekurs der Gläubigerin wird nicht Folge gegeben.
  2. 2.) Dem Rekurs des Sachwalters der Gläubiger wird hingegen Folge gegeben, der angefochtene Beschluss insoweit aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs des Sachwalters der Gläubiger unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Aufgrund der Zwangsausgleichsvereinbarung vom 24. 10. 1995, bestätigt durch das Konkursgericht mit Beschluss vom 20. 11. 1995, übertrug der damalige Gemeinschuldner Alois R***** sein gesamtes Vermögen (mit Ausnahme einiger Liegenschaften) zur Verwertung an den zu diesem Zweck bestellten Sachwalter Dr. Honsig-Erlenburg. Aufgrund dieser Zwangsausgleichsvereinbarung erhielten alle Konkursgläubiger mit Ausnahme der B***** eine Quote von 20 %. Die B***** gab bei Abschluss der Zwangsausgleichsvereinbarung eine Rückstehungserklärung ab. Sie erhält im Gegenzug dazu den gesamten nach der 20 %igen Befriedigung der übrigen Konkursgläubiger verbleibenden Verwertungserlös des dem Sachwalter übertragenen Vermögens. In der Zwischenzeit wurden die Forderungen aller übrigen Konkursgläubiger befriedigt. Die B***** ist somit die einzig verbleibende Gläubigerin des ehemaligen Gemeinschuldners.

Der Schuldner hat bereits mehrmals versucht, die Aktivitäten des Sachwalters Dr. Honsig-Erlenburg zur Veräußerung und Verwertung des ihm übergebenen Vermögens des Schuldners mit der Behauptung zu stoppen, dass die einzig verbliebene Gläubigerin B***** bereits zu 100 % befriedigt worden sei. Die Beurteilung dieser Rechts- und Sachfrage hängt nicht unwesentlich vom Ausgang des zu 23 S 293/95 des Landesgerichtes Salzburg anhängigen Konkursverfahrens der A***** GmbH ab, deren Geschäftsanteile zu 100 % dem Schuldner Alois R***** gehören. Auch diese Geschäftsanteile sind dem Sachwalter Dr. Honsig-Erlenburg mit der unwiderruflichen Ermächtigung zur Verwaltung und zur Verwertung übergeben worden. Der Konkurs der A***** GmbH ist noch nicht beendet, weil noch Vermögensverwertungen abzuschließen sind und ein Prüfungsprozess anhängig ist, in welchem Alois R***** die Feststellung einer Konkursforderung von S 215,000.000,-- begehrt. Der Sachwalter beabsichtigt unter anderem die Veräußerung der Geschäftsanteile des Alois R***** an der A***** GmbH. Der Schuldner hat sich dagegen ausgesprochen.

Mit Beschluss vom 31. 3. 2000, ON 362, hat das Konkursgericht den Sachwalter der Gläubiger angewiesen, den Verkauf des Geschäftsanteiles des Schuldners Alois R***** an der A***** GmbH, der einer voll einbezahlten Stammeinlage im Nominale von S 100,000.000,-- entspricht, so lange zurückzustellen, bis die Voraussetzungen für die Aufhebung des Konkurses A***** GmbH, nämlich eine rechtskräftig genehmigte Schlussrechnung des Masseverwalters sowie ein rechtskräftig genehmigter Schlussverteilungsentwurf, vorliegen. Das Konkursgericht hat diese Entscheidung ausführlich mit einer Interessensabwägung begründet, bei welcher dem besonderen Interesse des Schuldners an einer Mitwirkung bei der Beendigung des Konkurses A***** GmbH gegenüber dem Interesse der B***** an einem möglichst raschen Abschluss der Vermögensverwertung durch den Sachwalter der Vorzug zu geben sei.

Das Rekursgericht wies die Rekurse der Gläubigerin und des Sachwalters der Gläubiger zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils S 260.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass gemäß § 157c Abs 1 KO das Konkursgericht den Sachwalter zu überwachen habe; § 84 KO sei entsprechend anzuwenden. Der angefochtene Beschluss sei nichts anderes als eine dem Sachwalter im Sinne des § 84 Abs 1 KO erteilte Weisung. Es sei undenkbar, dass der Masseverwalter (Sachwalter) eine ihm vom Konkursrichter erteilte Weisung mit Rekurs bekämpfen könne, wenn dadurch nicht unmittelbar in eigene Rechte des Masseverwalters (Sachwalters) eingegriffen würde. Einen solchen Eingriff mache aber der Sachwalter nicht geltend. Er betone vielmehr, durch seinen Rekurs die Interessen der einzig verbleibenden Gläubigerin wahren zu müssen. Für einen zusätzlichen Rekurs einer dritten Person sei verfahrensrechtlich kein Raum; es fehle dem Rekurs daher das Rechtschutzinteresse. Auch ein Größenschluss führe zum selben Ergebnis, wenn gemäß § 84 Abs 3 KO gegen Entscheidungen des Rekursgerichtes über Beschwerden von Gläubigern oder des Gemeinschuldners gegen eine Maßnahme oder das Verhalten des Masseverwalters kein Rechtsmittel zulässig sei, so könne um so weniger ein Rechtsmittel des Masseverwalters gegen richterliche Weisungen zulässig sein.

Der Rekurs des Sachwalters sei daher jedenfalls zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die rekurswerbende Gläubigerin habe ihre Rekurslegitimation unbeschadet oberstgerichtlicher Judikatur zum Rekursrecht einzelner Gläubiger gegen Verwertungsmaßnahmen damit begründet, dass sie einzig verbliebene Konkursgläubigerin sei. Dies ändere jedoch nichts daran, dass für sie ebenso wie für den Sachwalter der besondere Rechtsmittelausschluss des § 84 Abs 3 KO gelte. Der Oberste Gerichtshof habe zwar dem Gemeinschuldner in seiner Entscheidung 8 Ob 236/98h ein Rekursrecht zugebilligt und zwar mit der Begründung, dass sonst der rechtsstaatliche notwendige Rechtsschutz des Schuldners gegen eine allfällige Vermögensverschleuderung nicht gewährleistet wäre. Die Begründung dieser Ausnahme vom Rechtsmittelausschluss des § 84 Abs 3 KO treffe auf die Gläubigerin nicht zu. Je nachdem, ob Vermögen des Gemeinschuldners an Dritte veräußert werde und damit für ihn unwiederbringlich verloren gehe, oder ob mit der Vermögensverwertung befristet innegehalten werden solle, ergäben sich völlig unterschiedliche Rechtsschutzziele. Sei es im Allgemeinen den Konkursgläubigern verwehrt, einzelne Verwertungsmaßnahmen mit Rekurs zu bekämpfen, so könne es für einzelne Konkursgläubiger um so weniger zulässig sein, das vorübergehende (befristete) Aussetzen von einzelnen Verwertungsmaßnahmen anzufechten. Dabei könne es keinen Unterschied ausmachen, ob nur mehr ein einziger Gläubiger vorhanden sei. Es könne zwar eine Konstellation nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, in welcher auch diesem einzigen Gläubiger ausnahmsweise ein Rekursrecht zugestanden werden müsse, doch rechtfertige der vorliegende Beschluss, mit dem dem Sachwalter, dem eine Weisung zum befristeten Innehalten mit einer einzelnen Verwertungsmaßnahme erteilt werde, keineswegs eine solche Ausnahme von Rechtsmittelausschluss des § 84 Abs 3 KO.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Rekursgericht zu, weil mit seiner Entscheidung "Neuland betreten" werde. Die Rekurse sind zwar zulässig, weil zur Rechtsmittellegitimation der Gläubiger und des Sachwalters der Gläubiger im Zwangsausgleichssachwalterverfahren keine oberstgerichtliche Judikatur vorliegt. Der Rekurs der Gläubigerin ist jedoch nicht berechtigt, der des Sachwalters hingegen ist berechtigt.

1.) Zum Rekurs der Gläubigerin

Die Gläubigerin bringt im Wesentlichen vor, ihr stünde ein Rekursrecht deshalb zu, weil sie einzige verbliebene Gläubigerin sei und im Sachwalterausgleichsverfahren kein Gläubigerausschuss mehr vorhanden sei. Wenn dem Gemeinschuldner trotz des Rechtsmittelausschlusses des § 84 Abs 3 KO ein Rekursrecht zugebilligt werde, müsse wegen der "Waffengleichheit" ein solches auch dem einzig verbleibenden Gläubiger zustehen. Keinen Unterschied könne es ausmachen, ob die Verwertung eines Vermögens gänzlich untersagt oder nur die Innehaltung angeordnet werde. Diese Rechtsausführungen überzeugen nicht.

Der Oberste Gerichtshof hat in der genannten Entscheidung vom 12. 11. 1998, 8 Ob 236/98h = ZIK 1999, 66 = EvBl 1999/80, trotz des Rechtsmittelausschlusses des § 84 Abs 3 KO dem (Gemein)schuldner ein Rekursrecht in Verwertungsfragen zugebilligt, aber nicht deshalb, weil es sich um eine Ausnahme im Rahmen eines Sachwalterausgleichs handelte - § 157c KO verweist eindeutig auf § 84 KO; für eine Sonderbehandlung im Rahmen des Sachwalterausgleichs besteht kein Anhaltspunkt -, sondern deshalb, weil im Verwertungsverfahren in den Fällen der §§ 116 und 117 KO dem (Gemein-)Schuldner generell ein Anhörungs- und Rekursrecht eingeräumt werden muss (OGH 28. 11. 1991, 6 Ob 26/91 = ecolex 1992, 160; 16. 9. 1993, 8 Ob 15/93 = ecolex 1994, 818 und 14. 12. 1995, 8 Ob 34, 35/95 = ecolex 1996, 363 zuletzt 8 Ob 137/00f), da eine Verweisung auf allfällige Bereicherungsansprüche zur Wahrung der Rechte des Schuldners in rechtsstaatlich unbedenklicher Weise nicht ausreicht.

Hingegen hat der Oberste Gerichtshof in nunmehr ständiger Rechtsprechung mehrfach ausgesprochen, dass dem einzelnen Gläubiger im Verwertungsverfahren im Rahmen des Konkursverfahrens auch dann keine Rechtsmittelbefugnis zukommt, wenn es sich um Geschäfte im Sinne der §§ 116 und 117 KO handelt, weil damit unzumutbare Verzögerungen des Verwertungsverfahrens verbunden sein könnten. Dies gilt auch dann, wenn kein Gläubigerausschuss bestellt ist, und selbst dann, wenn keine - nur fakultativ vorgesehene - Befassung der Gläubigerversammlung vorausgegangen ist (OGH 23. 5. 1991, 8 Ob 12/91

= ecolex 1991, 847 = EvBl 1992/9; 23. 5. 1996, 8 Ob 2085/96t = SZ

69/124 = ecolex 1996, 673; 8 Ob 29/98t). Dies muss im Hinblick auf

den Rechtsmittelausschluss des § 84 Abs 3 iVm § 157c KO auch im Sachwalterausgleich gelten. Der Umstand, dass hier zufälligerweise nur mehr ein einzelner Gläubiger vorhanden ist, rechtfertigt keine Sonderbehandlung: Warum sollte dann auch nicht zwei oder drei noch vorhandenen Gläubigern ein Rekursrecht eingeräumt werden? Das vom Rechtsmittelwerber geortete Rechtschutzdefizit ist vielmehr auf andere Weise auszugleichen (dazu gleich unten zum Rekursrecht des Masseverwalters bzw Sachwalters).

2.) Zum Rekurs des Sachwalters

Die Ansicht des Rekursgerichtes, dass dem Masseverwalter bzw Sachwalter kein Rekursrecht gegen ihm erteilte Weisungen zukommen könne, kann nicht geteilt werden.

Es ist zwar richtig, dass Gläubigern - seien es Konkurs- oder Massegläubiger - gegen Weisungen des Konkursgerichtes gemäß § 84 Abs 1 KO kein Rekursrecht zukommt, weil es im Ergebnis gleichgültig ist, ob über eine Beschwerde gemäß § 84 Abs 3 KO entschieden wird, oder ob das Konkursgericht das Verhalten, über das Beschwerde geführt wird, bindend anordnet (OHG 22.9. 1988, 8 Ob 34/88 = SZ 61/200; 20. 7. 1989, 8 Ob 38/89 = RZ 1992/80).

Ein solcher Rechtsmittelausschluss gilt jedoch nicht auch für den Masseverwalter bzw Sachwalter im (Zwangs-)Ausgleichsverfahren, der in § 84 Abs 3 KO auch gar nicht genannt ist.

Den Materialien zu § 34 Abs 3 AO, der den gleichen Rechtsmittelausschluss wie § 84 Abs 3 KO enthält, kann entnommen werden, dass damit nur die bereits vor dem IRÄG 1982 geltende Rechtslage (§ 32 Abs 2 AO dF vor dem IRÄG) beibehalten werden und bloß der Kreis der Beschwerdeberechtigten erweitert werden sollte (AB 1147 BlgNR 15. GP 11 und 23). Denn vor dem IRÄG 1982 hatte die Rechtsprechung den Gläubigern nicht einmal das nun in § 84 KO geregelte Beschwerderecht zuerkannt und schon aus diesem Grund kein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung über einen solchen Antrag zugelassen. Hingegen war es vor dem IRÄG herrschende Meinung, dass dem Masseverwalter gegen Weisungen des Gerichtes der Rekurs offen steht (Pollak in Bartsch/Pollak I3 416; Petschek/Reimer/Schiemer 167; vgl SZ 13/246; ZBl 1928/175 ua). In den Materialien zum IRÄG 1982 findet sich kein Hinweis, dass beabsichtigt gewesen wäre, diese Rechtslage zu ändern.

Für ein Rekursrecht des Massewalters bzw Sachwalters gegen Weisungen im Sinne des § 84 Abs 1 KO spricht auch, dass nicht geklärt ist, inwieweit die Befolgung von Weisungen den Masseverwalter von seiner Haftung gemäß § 81 Abs 3 KO befreit. Riel (die Befugnisse des Masserverwalters im Zivilverfahrensrecht 49 f) hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass es ein merkwürdiger Systembruch wäre, dass der Rekurs gegen einen Beschluss zulässig sei, mit dem das Konkursgericht eine Weisung des Gläubigersausschusses sistiert (§ 95 iVm § 84 Abs 1 Satz 2 KO), nicht aber der Beschluss, mit dem dem Masseverwalter gemäß § 84 Abs 1 Satz 1 KO eine Weisung erteilt wird. Der Rechtsmittelausschluss des § 84 Abs 3 KO, der zugleich mit der Einführung eines Beschwerderechtes für Gläubiger, Mitglieder des Gläubigerausschusses und Gemeinschuldner in die KO aufgenommen wurde, hat nur den Sinn, aufwendige Rechtsmittelverfahren, die sich aus dem Antragsrecht zu vieler Beteiligter ergeben könnten, zu verhindern. Dieser Normzweck kann aber den Ausschluss des Rekursrechtes des Masseverwalters nicht rechtfertigen (Riel, Befugnisse 49 f; ihm folgend Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, Komm zu den Insolvenzgesetzen Rz 9 zu § 84 KO; zustimmend auch Shamiyeh, Die zivilrechtliche Haftung des Masseverwalters 40, 188 f). Ein Rekursrecht muss dem Sachwalter (Masseverwalter) aber nach dem Grundsatz der Waffengleichheit jedenfalls dann zustehen, wenn die Weisung des Konkursgerichtes - wie hier - ein Geschäft im Sinne der §§ 116 und 117 KO betrifft, da in diesen Angelegenheiten dem Gemeinschuldner - wie oben ausgeführt - ein generelles Rekursrecht zugebilligt wird.

Der Beschluss des Rekursgerichtes ist daher, soweit er die Zurückweisung des Rekurses des Sachwalters betrifft, ersatzlos zu beheben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs des Sachwalters unter Abstandnahme von gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Die beantragte Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof selbst kommt nicht in Betracht, weil dadurch den Verfahrensbeteiligten in unzulässiger Weise der vorgesehene Rechtszug beschnitten würde.

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