OGH 3Ob283/00i

OGH3Ob283/00i20.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Thomas Mondl und Dr. Gregor Trummer, Rechtsanwälte in Wien, wegen 3,215.865,29 S sA über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 15. Juni 2000, GZ 4 R 88/00v-118, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 25. Februar 2000, GZ 4 Cg 153/93v-112, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 28.707,84 (darin 4.784,64 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Die klagende Partei war eine von zwei Gesellschafterinnen einer als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründeten Arbeitsgemeinschaft (im Folgenden kurz: ARGE). Gesellschaftszweck waren Bauarbeiten im Auftrag der beklagten Partei. Die Auflösung der Gesellschaft, der Ausschluss und das Ausscheiden von Gesellschaftern wurden im Gesellschaftsvertrag vom 2. 9. 1991 unter anderem wie folgt geregelt:

"18. 4. Wird über das Vermögen einer Partnerfirma der Konkurs eröffnet, so scheidet sie ohne weiteres aus.

18. 5. Im Falle des Ausscheidens einer Partnerfirma, aus welchem Grund auch immer, setzen die übrigen Firmen die Arbeitsgemeinschaft fort, wobei die Beteiligungsquote der ausgeschiedenen Firma im Verhältnis der Beteiligung auf die übrigen Partnerfirmen aufzuteilen ist. Alle den Partnerfirmen gemeinschaftlich zustehenden Rechte und Pflichten gehen, wenn eine oder mehrere Partnerfirma(en) aus der Arbeitsgemeinschaft ausscheiden, ohne weiteres auf die verbleibende(n) Partnerfirma(en) über."

Die beklagte Partei erteilte der ARGE zwei gesonderte Werkaufträge, die auch gesondert abgerechnet wurden. Der erste Auftrag im Jahr 1991 betraf die Errichtung der Gebäude für ein geplantes Einkaufszentrum, der zweite Auftrag im Jahr 1992 bezog sich auf die Baumeisterarbeiten zur Herstellung der Außenanlagen. Der angemessene Werklohn für die Leistungen der ARGE aufgrund des zweiten Werkvertrags - dieser ist Prozessgegenstand - beläuft sich auf 12,080.835,83 S netto. Nach Abzug der von der beklagten Partei geleisteten Teilzahlungen sowie des für die Behebung von Mängeln aufzuwendenden Betrags von 24.740 S und unter Hinzurechnung der Umsatzsteuer haften 3,215.865,29 S unberichtigt aus. Für die Behebung von Mängeln aufgrund des ersten Werkauftrags hat die beklagte Partei 202.480 S aufzuwenden. Nach den Werkverträgen konnte die beklagte Partei während der Gewährleistungsfrist von zwei Jahren je 5 % der Bruttoauftragssummen als Haftrücklass einbehalten. Durch die Bestellung von Bankgarantien konnte die Auszahlung der Haftrücklässe erwirkt werden. Im Auftrag der Werkunternehmer wurden daraufhin Bankgarantien über 5,720.000 S (Gebäude) und 733.000 S (Außenanlagen) bestellt. Im Zuge des Prozesses nahm die beklagte Partei beide Garantien durch Abruf der garantierten Beträge in Anspruch.

Am 26. 5. 1993 wurde über das Vermögen der anderen Gesellschafterin der ARGE der Konkurs eröffnet.

Mit Klage vom 14. 6. 1993 begehrte die klagende Partei den Zuspruch von 3,390.190,70 S sA als restlichen Werklohn für die Baumeisterarbeiten an den Außenanlagen aufgrund der Schlussrechnung vom 11. 2. 1993.

Die beklagte Partei wendete unter anderem ein, der klagenden Partei fehle die Aktivlegitimation, sei sie doch zur Geltendmachung einer Gesamthandforderung der ARGE nicht berechtigt. Die beiden Werkaufträge seien als Einheit anzusehen. Wegen vorhandener Baumängel sei die Zurückhaltung des restlichen Werklohns berechtigt. Im übrigen machte die beklagte Partei gegen die Klageforderung aufrechnungsweise Gegenforderungen von insgesamt 14,995.140,86 S geltend.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von 3,215.865,29 S sA und wies das Mehrbegehren an Kapital und Zinsen ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Maßgabe, dass es ihm die Fassung eines mehrgliedrigen Spruchs gab. Es sprach dabei unter anderem aus, dass "die Gegenforderung ... nicht zu Recht" bestehe und die ordentliche Revision zulässig sei. Den Zulassungsausspruch begründete es damit, dass "der Lösung der Frage, ob trotz Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer aus zwei Personen bestandenen Gesellschaft bürgerlichen Rechtes zufolge Konkurseröffnung über das Vermögen eines Gesellschafters die aus dem Gesellschaftsverhältnis verbliebenen Forderungen weiterhin Gesamthandforderungen" seien, erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist unzulässig.

1. Der Oberste Gerichtshof erläuterte in der Entscheidung 7 Ob 701/77 (= SZ 50/151), dass die Leistung auf eine Gesamthandforderung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, "falls keine gegenteilige Vereinbarung besteht", nur an alle Gesellschafter erfolgen könne, "und zwar bei Übereinkunft aller" an einen bevollmächtigten Gläubiger oder auch an einen solchen, "dem die Forderung zugewiesen" worden sei, in Ermangelung einer solchen Vereinbarung "etwa durch gerichtliche Hinterlegung". Somit genüge auch eine "Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern", nach der "die Forderung oder Teile von ihr einzelnen Mitgliedern überlassen worden" sei. Das "einzelne Mitglied" könne dann "den ihm überlassenen Teil der ehemaligen Gesamthandforderung selbständig einklagen". Allein die Konkurseröffnung über das Vermögen eines Gesellschafters und sein dadurch bewirktes Ausscheiden aus der Gesellschaft berühre - mangels einer Vereinbarung mit dem ausgeschiedenen Gesellschafter - nicht das rechtliche Schicksal von Forderungen, die vor dem Ausscheiden entstanden seien. Daher sei im fortgesetzten Verfahren zu klären, was der ausgeschiedene Gesellschafter bzw der Masseverwalter im Konkurs und die Kläger - die übrigen Gesellschafter - zum Schicksal der streitverfangenen Forderung vereinbart hätten. Wäre den Klägern die Forderung zur Gänze oder zum Teil überlassen worden, so könnten sie Zahlung an sich "nach Maßgabe einer allfälligen Auseinandersetzungsvereinbarung (was allenfalls die gesamte Forderung sein könnte) verlangen".

Zusammenfassend ergibt sich bereits aus dieser Entscheidung, dass die gänzliche oder teilweise Umwandlung einer Gesamthandforderung der Gesellschaft in Forderungen der einzelnen Gesellschafter nur einer Vereinbarung der Gesellschafter bedarf.

Dieser Grundsatz wurde vom Obersten Gerichtshof in der Folge - jeweils auch unter Berufung auf die Entscheidung SZ 50/151 - fortgeschrieben (3 Ob 146/99p; 1 Ob 669/90; SZ 64/63). In der Entscheidung 1 Ob 669/90, die sich auf eine ARGE mit zwei Gesellschaftern bezog, wurde unmissverständlich verdeutlicht, dass ein Gesellschafter zur Bejahung seiner alleinigen Klagelegitimation "nur die Zustimmung (Übereinkunft) aller Mitgläubiger" nachweisen müsse.

1. 1. Die Gesellschafter der hier maßgebenden ARGE trafen in Pkt 18.

5. des Gesellschaftsvertrags für den Fall des (auch) durch eine Konkurseröffnung bewirkten Ausscheidens des zweiten Gesellschafters eine eindeutige Regelung über das rechtliche Schicksal der Gesamthandforderungen aus der Erfüllung der beiden Werkverträge. Danach ist die Rechtszuständigkeit für die Werklohnforderungen bereits vor der Klageeinbringung auf die klagende Partei übergegangen, weil ihr - nach den getroffenen Vereinbarungen - die Gesamthandforderungen der ARGE schon kraft des Ausscheidens des zweiten Gesellschafters überlassen wurden. Die klagende Partei ist daher vor dem Hintergrund der eingangs dargestellten Rechtsprechung berechtigt, Zahlung an sich zu begehren.

2. Soweit die beklagte Partei in der Revision zur Frage nach einem "Zurückbehaltungsrecht" bei gesonderten Werkverträgen, "um unnötige Wiederholungen zu vermeiden", auf Teile ihrer Berufungsausführungen verweist, ist bloß die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs über die Unbeachtlichkeit solcher Verweise, die einen Inhaltsmangel der Revision darstellen, in Erinnerung zu rufen (1 Ob 117/00p; 1 Ob 148/99t; MietSlg 51.738; SZ 69/209; ZVR 1993/137; SZ 53/89). Ein derartiger Mangel ist auch nicht verbesserungsfähig (SZ 69/209).

Die beklagte Partei wendet sich gegen die Ansicht der Vorinstanzen, ihre Rechtsbeziehungen zur ARGE beruhten auf gesonderten Werkverträgen, und unterstellt deshalb ein einheitliches Vertragsverhältnis. Die Auslegung von Verträgen kann jedoch nur dann eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufwerfen, wenn eine gravierende Fehlbeurteilung zu korrigieren wäre. Eine solche vermag die Revisionswerberin jedoch nicht aufzuzeigen.

Im Übrigen versucht die beklagte Partei zu begründen, dass die Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag für die Beurteilung der Rechtsnatur der eingeklagten Forderung nicht relevant seien, weil sie einen Anspruch auf Weiterbestehen des Gesamthandschuldverhältnisses habe und dessen "einseitige Änderung ... ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter" sei. Eine Gesamthandforderung bleibe eine solche bis zu einer Teilungsvereinbarung "zwischen der 'Gesamthand' und deren Vertragspartner". Damit wird implizit die unter 1. referierte ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bekämpft. Der erkennende Senat sieht sich jedoch durch diese Ausführungen nicht veranlasst, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen.

Das Argument, die im Anlassfall bedeutsamen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag seien ein Vertrag zu Lasten Dritter, ist nicht stichhältig. Die Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts lässt die Haftung der einzelnen Gesellschafter für vorher entstandene Forderungen unberührt (ÖJZ-LSK 1995/172). Der vertragliche Erfüllungsanspruch der beklagten Partei erfuhr daher durch die Vereinbarungen der Gesellschafter keine Veränderung. Diese Maxime gewährleistet die Verwirklichung des von der beklagten Partei hervorgehobenen Interesses auf "große Kapazität, optimale Expertise und gesteigerten Deckungsfonds". Die Rechtssphäre der beklagten Partei wird dagegen nicht durch die Vereinbarung der Gesellschafter belastet, die ursprüngliche Gesamthandforderung auf einen bestimmten Gesellschafter zu übertragen, weil es der beklagten Partei gleichgültig sein kann, wem gegenüber sie ihre Zahlungslast mit Wirksamkeit gegen alle (vormaligen) Gesellschafter abzutragen hat. Wäre die Meinung der beklagten Partei zutreffend, eine Gesamthandforderung der Gesellschaft bezwecke auch ihren Schutz gegen eine übereilte prozessuale Inanspruchnahme durch "Heißsporne" unter den Gesellschaftern, so könnte eine Gesamthandforderung genausowenig durch alle Gesellschafter an einen gesellschaftsfremden "Heißsporn" abgetreten werden. Ein solches, schon durch einen Werkvertrag mit einer bürgerlich rechtlichen Gesellschaft impliziertes Zessionsverbot behauptet aber auch die beklagte Partei nicht. Soweit sie die Vereinbarungen der Gesellschafter "zur Geltendmachung einer ARGE-Forderung" als gewillkürte Prozessstandschaft qualifiziert, ist ihr - jedenfalls im Anlassfall - gleichfalls nicht zu folgen, wurde doch der klagenden Partei wegen des Ausscheidens des zweiten Gesellschafters das materielle Forderungsrecht übertragen.

Auf die weiteren Revisionsausführungen ist schließlich nur noch zu erwidern, dass zu erwartende Mängelbehebungskosten von 24.740 S bei einem noch offenen Werklohn von 3,215.865,29 S evidentermaßen kein Leistungsverweigerungsrecht wegen mangelnder Fälligkeit begründen. Hier ist ferner zu berücksichtigen, dass jene Mängelbehebungskosten von der ungetilgten Werklohnforderung abgezogen wurden und die beklagte Partei außerdem die für die Ablösung des Haftrücklasses bestellte Bankgarantie über 733.000 S in Anspruch nahm.

3. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO gebunden. Nach den voranstehenden Erwägungen hängt aber die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab, weil das Berufungsgericht seiner Entscheidung ohnehin die durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits geprägten Grundsätze zugrunde legte.

4. Die klagende Partei wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin. Deren Revisionsbeantwortung war daher einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich, sodass die Kosten dieses Schriftsatzes nach § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO zuzuerkennen sind.

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