OGH 8Ob222/00f

OGH8Ob222/00f23.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 1. Juni 1994 geborenen mj Julia S*****, in Pflege und Erziehung bei der väterlichen Urgroßmutter Helga W*****, wegen Ausweitung des Besuchsrechts der Mutter und Besuchsrechts der väterlichen Großmutter, infolge außerordentliche Revisionsrekurses 1.) der väterlichen Urgroßmutter Helga W*****, und 2.) des Rekurses der väterlichen Großmutter Brigitte Z*****, beide vertreten durch Thiery & Ortenburger, Anwaltssozietät in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 18. Jänner 2000, GZ 20 R 285/99y-136, mit dem infolge Rekurses der väterlichen Urgroßmutter der Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 13. Oktober 1999, GZ 1 P 25/96y-115, bestätigt wurde und der Rekurs der väterlichen Großmutter zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Der außerordentliche Revisionsrekurs der väterlichen Urgroßmutter wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

2.) Dem Rekurs der väterlichen Großmutter gegen die Zurückweisung ihres Rekurses wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.) Es trifft zu, dass das Rekursgericht die erstgerichtliche Entscheidung betreffend die Ausweitung des Besuchsrechts der Mutter lediglich bezogen auf den Zeitpunkt der Fällung dieser Entscheidung und des hiezu erstattete Rekursvorbringen überprüfte. Auf dieser Basis liegt die rekursgerichtliche Entscheidung, die nur einen Einzelfall betrifft, im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, sodass insoweit keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt.

Nicht berücksichtigt hat das Rekursgericht die nach Beschlussfassung erster Instanz eingetretenen geänderten Umstände (Verdacht des sexuellen Missbrauchs der Minderjährigen durch den Lebensgefährten der Mutter). Derartige erst nach Beschlussfassung erster Instanz eingetretene Umstände sind zwar nach der Rechtsprechung zu berücksichtigen, wenn es um die besonders schutzwürdigen Interessen des Kindeswohles geht (1 Ob 2978/96m; 4 Ob 133/97f; 6 Ob 152/61; zum Besuchsrecht insbes. 10 Ob 514/94; zuletzt 6 Ob 219/00z).

Es ist grundsätzlich zutreffend, dass oberstes Ziel des Pflegschaftsverfahrens das Kindeswohl ist und daher aus solchen Gründen auch derartige Neuerungen zu berücksichtigen sind. Im vorliegenden konkreten Einzelfall entspricht es aber ausnahmsweise gerade nicht dem Kindeswohl, auf diese Neuerungen im Rekursverfahren einzugehen, weil zwischenzeitig das Erstgericht mit Beschluss vom 25. 10. 1999 (ON 121) das Besuchsrecht der Mutter vorläufig zur Gänze ausgesetzt und ihr bis auf weiteres verboten hat, persönlichen oder telefonischen Kontakt mit dem Kind aufzunehmen, bis der Verdacht des sexuellen Missbrauchs der Minderjährigen durch ihren Lebensgefährten geklärt ist. Es wäre unter diesen Umständen unzweckmäßig, wenn das Rekursgericht im Rahmen der Neuerungserlaubnis diesen Verdachtsmomenten nachginge, statt diese zügig vom Erstgericht überprüfen zu lassen (S 5 der Rekursentscheidung).

Zu 2.) Der Rekurs der väterlichen Großmutter wurde zu Recht zurückgewiesen. Sie macht in diesem Rekurs geltend, dass über ihren Antrag auf Einräumung eines Besuchsrechts seit mehr als einem halben Jahr nicht entschieden worden sei. In einem solchen Fall der vorläufigen Nichterledigung eines Antrages steht der Antragstellerin neben den Beschwerderecht des § 78 GOG insbesondere der Rechtsbehelf des Fristsetzungsantrages nach § 91 GOG, jedoch kein Rekursrecht zu.

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