OGH 10Ob514/94

OGH10Ob514/9411.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Bauer, Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Kinder Anna K*****, geboren am 16. Feber 1989, und Georg K*****, geboren am 27.März 1991, beide ***** in der Obsorge der Mutter, Mechthilde Johanna K*****, Hausfrau, ebendort, diese vertreten durch Prof.Dr.Alfred Haslinger ua, Rechtsanwälte in Linz, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 26.Jänner 1994, GZ 18 R 842/93-59, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 22.November 1993, GZ 1 P 196/91-53, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die Ausübung des Rechtes des Vaters, Georg Andreas K*****, Landwirt, ***** mit seinen Kindern Anna und Georg K***** persönlich zu verkehren, wird bis auf weiteres so geregelt, daß er sie nur an jedem ersten und dritten Samstag im Monat von 9.00 bis 18.00 Uhr besuchen und mitnehmen darf."

Text

Begründung

Die am 28.5.1988 geschlossene Ehe der Eltern der Kinder Anna K*****, geb. 16.2.1989, und Georg K*****, geb. 27.3.1991, ist seit 12.2.1992 einvernehmlich geschieden. Die Mutter wohnt seit September 1991 mit den Kindern in L*****, der Vater blieb auf seinem Hof im davon etwa 120 Straßenkilometer entfernten N*****. In der Scheidungsvereinbarung vom 12.2.1991 vereinbarten die Eltern, daß die Obsorge der Mutter allein zukommen solle. Sie behielten sich die (endgültige) Regelung des Rechtes auf persönlichen Verkehr vor, vereinbarten aber, daß der Vater bis auf weiteres die Tochter an jedem ersten und dritten Samstag im Monat von 14.000 bis 18.00 Uhr zu sich nehmen könne. Dies wurde pflegschaftsbehördlich genehmigt. Am 20.3.1992 beantragte der Vater, das Besuchsrecht zu Anna so zu regeln, daß er das Kind jedes erste und dritte Wochende von Samstag, 11.00 Uhr bis Sonntag 17.00 Uhr zu sich nehmen könne. Die Mutter beantragte, den Antrag des Vaters abzuweisen und ihm das Besuchsrecht gänzlich zu entziehen. Nachdem die Mutter angegeben hatte, daß "das Besuchsrecht nur zweimal funktioniert habe", wurden die Eltern am 6.5.1992 vom Pflegschaftsrichter darauf hingewiesen, daß die derzeitige Regelung bis zu einer endgültigen Entscheidung einzuhalten sei. Die Mutter wurde darauf hingewiesen, daß die Verkehrsrechtsregelung auch zwangsweise durchgesetzt werden könne. Am 7.9.1992 beantragte der Vater gerichtliche Zwangsmaßnahmen gegen die Mutter, die ihm seit März 1992 jeden Kontakt zu den Kindern verweigere. Er zog diesen Antrag jedoch zurück, weil sich die Eltern bei einer Erziehungsberatung geeinigt hatten, daß der Vater die Kinder jeden ersten und dritten Samstag von 14.00 bis 18.00 Uhr zu sich nehmen und diese Zeit nach seinem Gutdünken gestalten könne. Am 27.10.1992 beantragte der Vater, die Kinder vom 25.12., 14.00 Uhr bis 27.12.1992, 17.00 Uhr mitnehmen zu dürfen. Am 14.12.1992 einigten sich die Eltern bei der Eziehungsberatung, daß der Vater Anna am 26.12.1992 zu sich nehmen dürfe. Die Eltern waren sich damals einig, daß an eine Übernachtung des Kindes beim Vater erst gedacht werden könne, wenn es allein mit dem Vater mitgehe. Bisher hätten die Kontakte nur in Gegenwart der Mutter stattgefunden. Im März 1993 berichtete die Bezirkshauptmannschaft L*****, daß es am 26.12.1992 und am 16.1.1993 zu zwei Besuchskontakten zwischen Vater und Tochter gekommen sei, bei letzterer aber wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern. Der Übergang zur Abwicklung des Besuchsrechtes ohne Beisein der Mutter sei noch nicht gelungen. Deshalb werde derzeit von einer Erweiterung der bestehenden Regelung abgeraten. Diese sollte jedoch von zwei Nachmittagen auf einen ganzen Tag pro Monat umgeändert werden, damit der Vater mit Anna etwas Sinnvolles unternehmen könne. Hinsichtlich Georgs wäre die Mutter bereit, dem Vater statt einer halben Stunde eine Stunde Kontakt einzuräumen. Am 15.3.1993 beantragte der Vater neuerlich gerichtliche Zwangsmaßnahmen gegen die Mutter, weil ihm diese seit Jänner 1993 jeden Kontakt zu den Kindern verweigere. Dieser Antrag wurde im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß das Besuchsrecht bisher noch nicht gerichtlich geregelt worden sei. Am 8.6.1993 beantragte der Vater, auch für Georg ein Besuchsrecht an jedem ersten und dritten Wochenende im Monat von Samstag, 11.00 Uhr bis Sonntag, 17.00 Uhr festzusetzen. Er habe die Kinder zuletzt am 16.1.1993 gesehen. Sein Verhältnis zu seiner geschiedenen Frau sei gestört. Am 28.6.1993 stellte der Vater das Eventualbegehren, beide Kinder wenigstens an einem Wochenende pro Monat von Samstag, 14.00 Uhr bis Sonntag, 18.00 Uhr zu sich nehmen zu können. Die Mutter wendete ua ein, daß der Vater für Georg ein fremder Mann sei. Eine Übernachtung von Kindern unter sechs Jahren (beim nichtsorgebrechtigten Elternteil) widerspreche deren Wohl. Dazu beantragte sie ua ein kinderpsychologisches Gutachten. Am 7.7.1993 beantragte der Vater, ihm bis zur endgültigen Entscheidung ein vorläufiges Besuchsrecht dahin einzuräumen, daß er beide Kinder vom ersten Samstag im Monat, 14.00 Uhr bis Sonntag, 18.00 Uhr besuchen, mit ihnen persönlich verkehren, sie von der Wohnung der Mutter abholen und zu sich nehmen könne, allenfalls daß er dieses Recht an jedem ersten und dritten Samstag im Monat von 14.00 bis 18.00 Uhr ausüben könne. In diesem Sinn sei sein Verkehrsrecht auch endgültig zu regeln, darüberhinaus noch für eine Woche während der großen Ferien. Am 19.7.1993 sagte die Mutter aus, daß Anna zwei- oder dreimal und Georg einmal mit dem Vater mitgegangen seien. Seit 16.1.1993 habe sie die Kinder dem vater nicht mehr mitgegeben. Die Besuchskontakte würden eine Zeit lang funktionieren, bis dann ein Verhalten des Vaters in Erscheinung trete, das wieder Probleme bereite. Sie könne sich äußerstenfalls eine Regelung in der bisherigen Form vorstellen. Der Vater gestand zu, daß sich die Mutter zum Teil sehr bemüht habe, daß die Besuchskontakte durchgeführt würden, und daß sie sich auch selbst daran beteilige. Es seien ihm während der Ausübung des Besuchsrechtes in bezug auf das Verhalten der (zur) Mutter einige Fehler unterlaufen. Ende Juli 1993 berichtete die Leiterin des Kindergartens der Stadt L***** ua, daß sich Anna am Morgen nur schwer (unter Tränen) von der Mutter trenne und gegenüber dem Kindergartenpersonal sehr verschlossen sei. Mit Beschluß vom 3.8.1993 wies das Erstgericht den Provisorialantrag des Vaters vom 7.7.1993 ab. Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß am 30.9.1993 teilweise dahin ab, daß es dem Vater bis zur endgültigen Entscheidung über seinen Antrag auf Festsetzung seines Besuchsrechtes und den Besuchsrechtsentziehungsantrag der Mutter vorläufig das Recht einräumte, seine beiden Kinder an jedem ersten und dritten Samstag im Monat jeweils von 14.00 bis 18.00 Uhr zu besuchen. Die Mutter wurde verpflichtet, die Kinder zu diesem Zeitpunkt abholbereit zu halten, der Vater, sie zeitgerecht zurückzubringen. Der zum Sachverständigen bestellte Facharzt für Kinderheilkunde und Kinder- und Jugendneuropsychiater Prim.Dr.Werner G***** schlug in seinem Gutachten vom 6.11.1993 vor, daß der Vater beide Kinder vorerst an jedem ersten und dritten Samstag im Monat von 9.00 bis 18.00 Uhr mit sich nehmen kann, und daß in dieser Zeit auch die (väterlichen) Großeltern die Möglichkeit haben sollen, die Kinder zu umsorgen. Es sei günstiger, wenn beide Kinder gemeinsam die Kontakterfahrung erlebten. So könnte das Besuchsrecht bald zu einem fixen Bestandteil ihres Lebens werden und ihnen auch Sicherheit vermitteln. Diese bliebe ihnen versagt, wenn der hilflose Vater mit ihnen einige Stunden in L***** herumirren müsse. Gerade dann würden sie keinen Sinn sehen und die Spaziergänge aus der Geborgenheit der mütterlichen Wohnung heraus verweigern. Die Kinder würden nur dann mit dem Vater freiwillig mitgehen können, wenn ihnen die Mutter diesen als annehmbar und unbedrohlich darstelle. Nach Auflösung der Schwellenängste und einer Gewöhnung an die Besuchskontakte sollte das Besuchsrecht des Vaters nach etwa sechs Monaten so erweitert werden, daß er die Kinder auch einmal im Monat und zusätzlich an den großen Feiertagen bei sich haben könne, bzw sei es auch zu empfehlen, daß die Kinder einmal eine Woche in den Sommerferien beim Vater und den (väterlichen) Großeltern auf Urlaub sein können.

Das Erstgericht räumte dem Vater das Recht ein, beide Kinder bis Mai 1994 an jedem ersten und dritten Samstag im Monat von 9.00 bis 18.00 Uhr zu besuchen, ab Juni 1994 an jedem ersten Samstag von 9.00 bis 18.00 Uhr und an jedem dritten Wochende im Monat von Samstag, 14.00 Uhr bis Sonntag, 18.00 Uhr. Weiters wurde der Vater ermächtigt, die Kinder jeweils in der dreißigsten Woche von Montag, 9.00 Uhr bis zum darauffolgenden Sonntag, 18.00 Uhr mit sich zu nehmen.

Die erste Instanz ging im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Am 28.2.1993 (richtig 1992) wollte die Mutter in Begleitung ihrer Schwester ihre restlichen Fahrnisse aus der früheren Ehewohnung abholen. Dabei kam es zu einer Auseinandersetzung mit ihrem geschiedenen Mann, dem Vater der Kinder. Dieser beschimpfte, bespuckte und ohrfeigte die beiden Frauen, zertrümmerte einige Fahrnisse und beschädigte auch ein Fahrzeug seines früheren Schwiegervaters. Bis zu diesem Vorfall hatte der Vater Anna im Februar 1992 zweimal in der Wohnung der Mutter gesehen. Danach fand der nächste Besuchstag erst am 6.5.1992 statt. Dabei fuhr der Vater mit Anna in seinen Heimatort. Wegen Auseinandersetzungen zwischen dem Vater und den Eltern der Mutter und deren urlaubsbedingter Abwesenheit kam es erst am 26.9.1992 zum nächsten Besuchstag. Infolge der von beiden Elternteilen in Anspruch genommenen Erziehungsberatung und der Bemühungen der Kinderpsychologin kam es dann wieder zu regelmäßigen Besuchen des Vaters. Die Mutter bemühte sich, insbesondere Anna positiv auf diese Besuche vorzubereiten. Am 16.1.1993 wurde die besser gewordene Beziehung zwischen den Elten wieder schwer gestört. Der Vater teilte nämlich dem Lebensgefährten der Mutter Einzelheiten über deren Vorleben mit und sagte in Gegenwart der Kinder, wie arm sie mit einer solchen Mutter wären. Seither gab die Mutter die Kinder dem Vater - abgesehen von der einstweiligen Besuchsregelung durch das Rekursgericht - nicht mehr mit. Seit dem 16.1.1993 kam es auch häufiger vor, daß Anna vor allem beim Besuch des Kindergartens die große Notdurft in die Hose verrichtete. Dies steht jedoch in keinem Zusammenhang mit einem väterlichen Besuchskontakt oder einem nachteiligen Einfluß des Vaters. Bevor Anna in den Kindergarten geht, verläßt sie die Mutter üblicherweise nur mit Tränen. Im Kindergarten ist sie meist sehr verschlossen und wird nur durch Körperkontakt zutraulicher. Anna befindet sich überhaupt in einer auffälligen psychischen Verfassung. Sie wirkt blockiert, wenig kontaktfähig und ängstlich besetzt. Das Einkoten ist eine Folge der von der Mutter betriebenen Abgrenzung vor allem gegenüber der (bäuerlichen) Weltanschauung des Vaters und dessen Eltern. Die Beziehung zwischen Anna und dem Vater ist nach wie vor intakt. Sie ist auch an einer Wiederaufnahme des Kontaktes interessiert. Vor allem für sie ist es wichtig, daß ihre Stellung zwischen den Eltern geklärt wird. Für sie ist auch eine Beziehung zu den väterlichen Großeltern und zur Umgebung des Vaters, in der sie aufwuchs, wichtig. Es liegt auch im Interesse der Kinder, daß sie die Kontakte mit dem Vater gemeinsam erleben, und daß der Vater sie in einer entsprechenden Umgebung ausüben kann und nicht gezwungen ist, sich mit den Kindern im L***** Raum aufzuhalten.

Unter diesen Umständen fand das Erstgericht keinen Grund, das väterliche Besuchsrecht gegenüber dem üblichen Ausmaß einzuschränken oder gar zu entziehen. Die Eltern müßten im Interesse des Wohles ihrer Kinder eine tragfähige Grundlage für deren Verkehr mit dem Vater schaffen. Um den besonderen Umständen des Falles (Kontakt mit den väterlichen Großeltern und relativ große Entfernung des väterlichen Wohnortes) Rechnung zu tragen, sei schon jetzt eine Regelung für die fernere Zukunft zu treffen. Anna sollte - unabhängig von der Besuchsrechtsregelung - psychotherapeutisch behandelt werden. Auch der Vater sollte sich zur Bewältigung seiner Probleme therapeutischer Hilfe bedienen.

Etwa vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses und nach Einbringung eines Rekurses der Mutter gab der Vater an, daß er mit der vorgeschlagenen Therapie einverstanden sei und bereits einen Termin vereinbart habe. Es sei ihm aber nicht möglich gewesen, das vom Rekursgericht festgesetzte vorläufige Besuchsrecht auszuüben. Beim ersten Versuch am Wochenende nach Allerheiligen habe Anna nicht mitfahren wollen. Eine Kontaktaufnahme mit der Mutter zur Vereinbarung eines weiteren Besuchtstages sei nicht möglich gewesen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß es nicht gerechtfertigt sei, dem Vater das Recht, seine Kinder zu besuchen, zur Gänze zu versagen oder einzuschränken. Es liege im Interesse der Kinder, eine Regelung zu treffen, die die Herstellung eines echten und innigen Kontaktes (auch) zum Vater ermögliche. Eine gewisse Beunruhigung und Irritation der Kinder und eine ängstliche neurotische Reaktion derselben seien in Kauf zu nehmen. Ein Wochenendbesuchsrecht in der Form, daß der Vater beide Kinder an jedem ersten und dritten Samstag von 9.00 bis 18 Uhr zu sich nehmen könne, entspreche zur Zeit am besten dem Wohl der Kinder und sei auch altersgemäß. Ein Wochendbesuchsrecht mit Übernachtung sei grundsätzlich erst ab dem 6.Lebensjahr festzusetzen. Bei gutem Kontakt, gesicherter Aufsicht und ausreichender Übernachtungsmöglichkeit könne ein Kind aber schon früher beim Besuchsberechtigten übernachten. Im vorliegenden Fall könne angenommen werden, daß sich bei entsprechender Inanspruchnahme und Einhaltung des ausgemessenen Besuchsrechtes bis Juni 1994 ein guter Kontakt zwischen Vater und Kindern etwickeln werde. Dreijährige seien zwar grundsätzlich für eine Übernachtung beim nicht sorgeberechtigten Elternteil zu klein. Bei Georg sei jedoch zu berücksichtigen, daß er mit Anna in das Haus des Vaters komme. Auch ein Ferienbesuchsrecht komme grundsätzlich erst bei schulpflichtigen Kindern in Frage. Hier sei allerdings zu berücksichtigen, daß Anna eine beträchtliche Zeit ihres Lebens am väterlichen Bauernhof verbracht habe. Auch für Georg sei ein gemeinsamer Aufenthalt mit der Schwester förderlich. Durch einen einwöchigen Aufenthalt beim Vater werden sich die gegenseitigen Beziehungen zwischen ihm und den väterlichen Großeltern und den Kindern zweifellos beträchtlich vertiefen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter. Sie macht Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung (der Sache) geltend und beantragt, den angefochtenen Beschluß durch Abweisung des Antrages des Vaters auf Einräumung eines Besuchsrechtes abzuändern oder ihn allenfalls aufzuheben.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise auch berechtigt. Die Regelung der Ausübung des väterlichen Rechtes, mit den Kindern persönlich zu verkehren, wurde nämlich durch die Vorinstanzen insoweit nicht in einer dem Wohl der Kinder gemäßen Weise vorgenommen, als dem Vater ab Juni 1994 die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Kinder an jedem dritten Wochenende im Monat von Samstag, 14.00 Uhr bis Sonntag, 18.00 Uhr - also jeweils mit einer Übernachtung außerhalb der Wohnung der obsorgeberechtigten Mutter - und in der dreißigsten Woche eines jeden Jahres von Montag, 9.00 Uhr bis zum folgenden Sonntag, 18.00 Uhr - also mit mehrtägiger Trennung von der obsorgeberechtigten Mutter und mehreren Übernachtungen außerhalb ihrer Wohnung - zu sich zu nehmen.

Zunächst ist zu betonen, daß der Vater, dem die Pflege und Erziehung seiner minderjährigen Kinder nicht zustehe, nach § 148 Abs 1 ABGB doch das Recht hat, mit den Kindern persönlich zu verkehren. Bei diesem Recht handelt es sich um ein anerkanntes Menschenrecht und um ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung (EFSlg 68.627, 68.628; EFSlg

68.628 ua; Pichler in Rummel, ABGB2 I, Rz 1 zu § 148), das weder vom anderen Elternteil gewährt, noch vom Gericht eingeräumt wird. Das Gericht hat allerdings auf Antrag die Ausübung dieses Rechtes in einer dem Wohl des Kindes gemäßen Weise zu regeln oder nötigenfalls, besonders wenn die Beziehung des Kindes zu dem Elternteil, bei dem es aufwächst, unerträglich gestört würde, ganz zu untersagen.

Das - häufig einschränkend "Besuchsrecht" genannte - Recht auf persönlichen Verkehr soll insbesondere die Verbundenheit zwischen dem nicht pflege- und erziehungsberechtigten Elternteil und dem Kind aufrechterhalten oder wiederherstellen, eine Entfremdung zwischen diesen Personen verhindern und dem auf die im § 178 ABGB genannten Mindestrechte beschränkten Elternteil die Möglichkeit geben, sich von der Entwicklung des Kindes zu überzeugen (EFSlg 68.624 ua; Pichler aaO). Eine solche Beziehung zum nicht sorgeberchtigten Elternteil wird in der Regel dem Wohl des Kindes dienen und seine Entwicklung fördern (EvBl 1974/284; EvBl 1992/80 ua).

Die auch bei der Regelung des Verkehrsrechtes vorgeschriebene Berücksichtigung des Kindeswohls (§ 178a leg cit) erfordert es, daß der Oberste Gerichtshof bei der Erledigung eines Revisionsrekurses alle während des Verfahrens eingetretenen Entwicklungen berücksichtig (RZ 1992/84).

Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände erscheint die schon ab Juni 1994 verfügte Regelung des väterlichen Verkehrsrechtes insofern nicht dem Wohl der Kinder gemäß, als es die Ausübung dieses Rechtes an zwei Tagen des dritten Wochenendes im Monat mit Übernachtungsmöglichkeit und an sieben Tagen der dreißigsten Woche eines jeden Jahres mit mehreren Übernachtungsmöglichkeiten betrifft.

Selbst dann, wenn es Kindern im Alter von knapp fünf und drei Jahren im allgemeinen zumutbar wäre, länger als einen Tag nicht beim sorgeberechtigten, sondern beim von diesem getrennt lebenden Elternteil zu verbringen und bei diesem auch zu übernachten, wäre dies bei den hier pflegbefohlenen Kindern Anna und Georg aus folgenden Gründen anders:

Die Mutter und die beiden Kinder leben seit mehr als zwei Jahren vom Vater getrennt. Die Beziehungen zwischen den geschiedenen Eltern sind noch immer gespannt. Die Mutter möchte, daß dem Vater die Ausübung des Verkehrsrechtes ganz untersagt wird. Anna ist in einer auffälligen psychischen Verfassung; sie wirkt blockiert, wenig kontaktfähig und ängstlich besetzt und leidet seit Jänner 1993 an Einkoten. Selbst im Kindergarten ist sie meist sehr verschlossen. Üblicherweise trennt sie sich vor dem Kindergarten nur unter Tränen von der Mutter. Bis zur erstgerichtlichen Beschlußfassung konnte der Vater die Kinder nur einige Male besuchen. Dies hatte sich, wie aus dem Protokoll vom 21.12.1993 hervorgeht, bis dahin nicht geändert, obwohl in der Rekursentscheidung vom 30.9.1993 bis zur endgültigen Entscheidung eine vorläufige Regelung getroffen wurde. Auch in dem beim Erstgericht am 24.3.1994 eingelangten Schriftsatz klagt der Vater über Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Ausübung dieses Rechtes und beantragt, in diesem Zusammenhang auf die Mutter einzuwirken. Er berichtet, daß die Kinder am 9.3.1994 vor ihm die Kinderzimmertür geschlossen und zu ihm gesagt hätten: "Du bist böse". Dabei hätten sie ein Brett in der Hand gehabt und gesagt, sie würden es dem Vater auf den Kopf werfen.

Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang, daß der kinderpsychiatrische Sachverständige in seinem Gutachten vom 6.11.1993 eine Erweiterung des väterlichen Verkehrsrechtes im hier strittigen Sinn (mit Übernachtungsmöglichkeit einmal im Monat und während einer Ferienwoche) erst nach Auflösung der Schwellenängste und nach einer Gewöhnung an die Besuchskontakte (an jedem ersten und dritten Samstag im Monat von 9.00 bis 18.00 Uhr) nach etwa sechs Monaten empfahl, dann wird deutlich, daß diese vom Sachverständigen und ihm folgend von den Vorinstanzen angenommenen Voraussetzungen für die Erweiterung des Verkehrsrechtes noch nicht eingetreten sind.

Unter diesen Umständen würde die Erweiterung des väterlichen Verkehrsrechtes ab Juni 1994 derzeit noch das für die Regelung der Ausübung dieses Rechtes entscheidende Wohl der Kinder gefährden.

Daß die von den Vorinstanzen bis einschließlich Mai 1994 getroffene Regelung dem Wohl der Kinder gemäß ist, wurde auf Grund der ausreichenden Tatsachenfeststellungen von den Vorinstanzen zutreffend begründet. Auch die geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Wenn sich beide Elternteile in Zukunft im Interesse ihrer gemeinsamen Kinder um eine ungestörte Ausübung des nunmehr festgesetzen väterlichen Verkehrsrechtes bemühen, bietet diese auch im nunmehrigen Umfang dem Vater die Möglichkeit, ein echtes Naheverhältnis zu den Kindern herzustellen. Da er die Kinder an zwei Samstagen im Monat je neun Stunden mitnehmen kann und sein Wohnort nicht übermäßig weit vom Wohnort der Kinder entfernt ist, muß er die Besuchstage mit den Kindern nicht in der unmittelbaren Umgebung von L***** verbringen, sondern kann mit ihnen auch in seinen Bauernhof fahren. Dort können sie auch mit den väterlichen Großeltern Kontakt haben und den Vater in dessen Umwelt erleben und so bei einer auf ihrer Persönlichkeit und ihre Bedürfnisse Bedacht nehmenden sinnvollen Gestaltung der Besuchstage eine gute Beziehung zum Vater und seinen Lebensverhältnissen aufbauen.

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