OGH 15Os150/00

OGH15Os150/0023.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. November 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Krüger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas A***** wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss der Ratskammer des Jugendgerichtshofes Wien als Beschwerdegericht vom 20. Juli 2000, GZ 13 Vr 424/00-19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Andreas A***** war beim Jugendgerichtshof Wien ein Verfahren wegen des Verdachts der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde als Bestimmungstäter nach §§ 12 (zweiter Fall), 289 StGB anhängig. Aufgrund eines vom Journalrichter des Jugendgerichtshofs Wien am 21. Juni 2000 wegen § 175 Abs 1 Z 3 StPO antragsgemäß (zunächst nur mündlich) erlassenen Haftbefehls wurde der Beschuldigte am 22. Juni 2000 um 9.15 Uhr festgenommen und nach Aufhebung des Haftbefehls am 23. Juni 2000 gegen 0.30 Uhr enthaftet. Eine Zustellung des (erst am 23. Juni 2000 schriftlich ausgefertigten) Haftbefehls an den Beschuldigten erfolgte nicht; am 26. Juni 2000 wurde der Haftbefehl an den mittlerweile ausgewiesenen Verteidiger per Telefax zugestellt.

Gegen die verspätete Zustellung des Haftbefehls erhob Andreas A***** Beschwerde an die Ratskammer beim Jugendgerichtshof Wien und begehrte die Feststellung, dass er hiedurch in seinen Rechten auf Zustellung des Haftbefehls binnen 24 Stunden ab Festnahme und auf persönliche Freiheit verletzt worden sei. Mit Beschluss vom 20. Juli 2000 stellte die Ratskammer in Stattgebung der Beschwerde fest, dass Andreas A***** durch die Zustellung des am 21. Juni 2000 mündlich erteilten Haftbefehls an den Verteidiger am 26. Juni 2000 "in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Zustellung des Haftbefehls binnen 24 Stunden nach Festnahme verletzt" worden sei, weil dieser gemäß § 176 Abs 1 StPO und Art 4 Abs 1 PersFrG binnen 24 Stunden, somit bis spätestens 23. Juni 2000, 9.15 Uhr zugestellt werden hätte müssen. Das weitere Beschwerdebegehren (Feststellung einer Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit) wurde hingegen abgewiesen.

Dagegen richtet die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten, mit der er die Feststellung begehrt, dass er durch die erst am 26. Juni 2000 erfolgte Zustellung des Haftbefehls in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Grundrechtsbeschwerde ist unzulässig.

Gemäß § 1 Abs 1 GRBG steht dem Betroffenen eine Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof nach Erschöpfung des Instanzenzugs zu, wenn er durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt worden ist.

Beschwerdegegenstand kann nur ein richterlicher Akt - wie die Verhängung oder Aufrechterhaltung der Haft - sein, der für eine Freiheitsbeschränkung im Sinn einer Festnahme oder Anhaltung ursächlich ist. Nicht in den Schutzbereich des Grundrechts auf persönliche Freiheit fallen hingegen Maßnahmen, die nicht einer Festnahme oder Anhaltung gleichkommen (siehe JAB 852 BlgNR 17. GP zu § 2, abgedruckt bei Hager/Holzweber GRBG, insb S 20; 11 Os 22/94; 13 Os 99/95). Durch die bloße Überschreitung der Frist von 24 Stunden, binnen welcher die Zustellung des Haftbefehls an den Beschuldigten erfolgen muss (§ 176 Abs 1 StPO), kann eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit nicht bewirkt werden (vgl 14 Os 3/96), weil diese Gesetzesverletzung weder auf die Festnahme an sich noch auf die Dauer der (hier nur rund 15-stündigen) Anhaltung Einfluss hat.

Im Übrigen wurde der Beschwerdeführer aber auch bereits durch die Entscheidung der Ratskammer, die (ungeachtet der rechtlichen Bezeichnung, vgl EvBl 1997/89) der Sache nach die Gesetzesverletzung im Rahmen der ihr nach § 113 Abs 2 StPO zukommenden Kompetenz festgestellt hat, klaglos gestellt.

Einer (hier: bloß behaupteten) Grundrechtsverletzung wird nämlich bereits dadurch abgeholfen, dass im Instanzenzug in Stattgebung eines Rechtsmittels eine Gesetzesverletzung festgestellt wird, durch die auch das (hier: bloß behauptete) Grundrecht iSd § 1 Abs 1 GRBG verletzt worden sein soll. In diesem Fall ist das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen erloschen (vgl Hager/Holzweber GRBG S 8).

Die somit auch aus diesem Grund unzulässige Grundrechtsbeschwerde war daher zurückzuweisen.

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