OGH 4Ob233/00v

OGH4Ob233/00v24.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Dr. Wolfgang K*****, vertreten durch Dr. Helmut Valenta und Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hans Oberndorfer und andere Rechtsanwälte in Linz, Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei I***** AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in Wels, wegen 52.500 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 6. April 2000, GZ 11 R 355/99y-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 6. August 1999, GZ 15 C 1334/98m-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte, deren Unternehmensgegenstand die Verwertung und Vermarktung von Hotel- und Ferienanlagen im Rahmen von Timesharing ist, bot zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit seit 1985 Beteiligungen als echter stiller Gesellschafter an. Das in Form eines Prospekts aufgelegte Beteiligungsangebot sah die Aufnahme einer Vielzahl von stillen Gesellschaftern zur Deckung des Finanzbedarfs der Beklagten vor und stellte für die am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligten stillen Gesellschafter unter anderem für das Geschäftsjahr 1985/86 eine erwartete Verlustzuweisung in Höhe der jeweiligen Gesellschaftereinlage und für die Geschäftsjahre 1986/87 sowie 1987/88 eine Verzinsung der Einlage mit 4 % vom Nominale in Aussicht. Der Beteiligungsprospekt enthält unter der Überschrift "Rechtliche Grundlagen" folgenden Hinweis: "Alle Angaben im vorliegenden Prospekt wurden mit Sorgfalt zusammengestellt und entsprechen dem heutigen Stand von Gesetz und Rechtsprechung. Sie stehen unter dem Vorbehalt behördlicher oder gesetzlicher Neuregelungen einschließlich Spruchpraxis. Für vom stillen Gesellschafter angestrebte Steuervorteile wird eine Haftung ausgeschlossen, sie sind auch keinerlei Geschäftsgrundlage des stillen Gesellschaftsvertrages."

Mit Beteiligungserklärung vom 10. 10. 1986 machte der Kläger der Beklagten das Angebot, auf Grundlage des auf der Rückseite der Beteiligungserklärung abgedruckten Gesellschaftsvertrags eine stille Beteiligung in Höhe von 52.500 S zu übernehmen. Dieses Angebot wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 17. 11. 1986 angenommen. Der Kläger leistete eine Einlage von 50.000 S zum Ausgabekurs von 52.500 S. Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"§ 2 Gegenstand der Beteiligung

Der stille Gesellschafter ist am Gewinn und Verlust des Unternehmens des Geschäftsherrn ab Beginn des Geschäftsjahres 1985/86 gemäß den Bestimmungen des § 7 beteiligt. Maßgebend für Gewinn und Verlust ist das gemäß Steuerbilanz ausgewiesene Jahresergebnis unter Einschluß eventueller Investitionsbegünstigungen, berichtigt um Körperschaftssteuer und Vermögenssteuer des Geschäftsherrn sowie Außerachtlassung der Bildung bzw. Auflösung versteuerter Rücklagen. Der stille Gesellschafter ist am Vermögen des Geschäftsherrn nicht beteiligt; bei Ausscheiden aus der Gesellschaft steht ihm ein Auseinandersetzungsguthaben nach § 14 des Vertrages zu. Das Gesellschaftsverhältnis ist daher steuerrechtlich als echte stille Gesellschaft zu beurteilen.

§ 3 Beteiligungskapital

Der stille Gesellschafter erbringt eine Kapitaleinlage in Höhe der auf der Beteiligungserklärung angeführten Summe. (...) Der stille Gesellschafter nimmt zur Kenntnis, daß der Geschäftsherr durch gleichartige Verträge weitere stille Beteiligungen aufnimmt.

§ 4 Konten des stillen Gesellschafters

Die Einlage des stillen Gesellschafters wird auf einem fixen Einlagekonto ausgewiesen. Gewinn- und Verlustanteile, Zinsen und Entnahmen werden über variable Konten abgerechnet. Sie berühren das Beteiligungsverhältnis nicht.

§ 6 Verzinsung der stillen Einlagen

Der Geschäftsherr gewährt dem stillen Gesellschafter zu Lasten des Geschäftsergebnisses auf das Nominale seiner Einlage ab Beginn des Geschäftsjahres 1986/87 (bzw. frühestens ab nächsten Monatsersten, ab dem die Einlage dem Geschäftsherrn zur Gänze zur Verfügung steht) für die Geschäftsjahre 1986/87 und 1987/88 eine Verzinsung in Höhe von je 4 Prozent p. a.. Die Zinsen sind jeweils am Ende des Geschäftsjahres an den stillen Gesellschafter auszubezahlen. Die Auszahlungsbeträge werden um die direkt abzuführende Kapitalertragssteuer gekürzt.

§ 7 Beteiligung am Gewinn und Verlust

Die Einlagen sämtlicher stiller Gesellschafter per Bilanzstichtag stellen zusammen mit dem Stammkapital des Geschäftsherrn die Kapitalbasis für die Beteiligung am Gewinn und Verlust dar. Die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Gewinn und Verlust ergibt sich aus dem Verhältnis seiner gezeichneten Einlage zur Gesamteinlage aller Gesellschafter und dem Stammkapital des Geschäftsherrn. Verluste werden dem stillen Gesellschafter nur bis zur Höhe seiner Einlage zugewiesen. Es trifft ihn keine Nachschusspflicht. Darüberhinausgehende Verluste treffen den Geschäftsherrn. In der Folge erzielte und dem stillen Gesellschafter zustehende Gewinne sind zunächst zur Abdeckung jener Verluste zu verrechnen, die - über die Einlage des stillen Gesellschafters hinausgehend - dem Geschäftsherrn angelastet wurden. Nach deren Tilgung werden Gewinne nach dem Verhältnis der Einlage des stillen Gesellschafters zur Gesamteinlage aller stillen Gesellschafter und dem Stammkapital des Geschäftsherrn zugeteilt. Das an den stillen Gesellschafter zur Verteilung kommende bilanzmäßige Jahresergebnis ist zu kürzen um die Zinsen für die stillen Gesellschaftereinlagen sowie um die Vergütung an den Geschäftsherrn gemäß § 8 und um 20 % des Gewinnes, der dem Geschäftsherrn vorweg zusteht. An den stillen Gesellschafter wird, soferne es die Liquiditätslage zulässt, 60 % des nach der Bilanz und diesem Gesellschaftsvertrag ermittelten Gewinnanteiles ausgeschüttet. Die verbleibenden 40 % werden dem Gewinn- und Verlustverrechnungskonto gutgeschrieben. Soferne infolge der Liquidationslage keine Ausschüttung durchgeführt wurde, erfolgt zur Gänze eine Gutschrift auf dem variablen Gewinn- und Verlustverrechnungskonto. (...)

§ 10 Dauer der Gesellschaft, Kündigung

Die stille Gesellschaft beginnt mit der Annahme der Beteiligungserklärung durch den Geschäftsherrn und bleibt auf unbestimmte Zeit bestehen. Beide Vertragspartner verzichten darauf, aus welchem Grund auch immer, das Gesellschaftsverhältnis vor Ende des Geschäftsjahres 1995/96 aufzukündigen. (...)

§ 14 Abfindung des stillen Gesellschafters bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses

Ein Gesellschafter kann nur zum Ende eines Geschäftsjahres ausscheiden. In jedem Fall, in welchem ein stiller Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, erhält er seine nominelle Beteiligung zuzüglich oder abzüglich der Salden seiner Verrechnungskonten (insbesondere Gewinn- und Verlustverrechnungskonten) ausbezahlt (Buchwert der Einlage). Die dem ausscheidenden Gesellschafter entsprechend § 14 zu vergütenden Beträge sind in zwei gleichen aufeinanderfolgenden Jahresraten, beginnend ein halbes Jahr nach Ende des Geschäftsjahres, in welchem der Gesellschafter ausgeschieden ist, zur Zahlung fällig. Eine Verzinsung der auszuzahlenden Beträge erfolgt nicht.

§ 17 Schlussbestimmungen

(...) 3. Erwartungen der Vertragspartner über die sich aus diesem Vertrag ergebenden steuerlichen Konsequenzen sind weder Vertragsbestandteil noch Geschäftsgrundlage. Seitens des Geschäftsherrn wird dafür keinerlei Haftung übernommen."

Die vom Kläger erwarteten Steuervorteile traten für ihn deshalb nicht ein, weil die aus seiner Beteiligung resultierenden Verlustzuweisungen vom Finanzamt nicht anerkannt wurden. In den Jahren 1986 bis 1990 fielen Verlustzuweisungen in Höhe von insgesamt 43.191,75 S an, denen eine Gewinnausschüttung von 336 S aus dem Jahre 1989 gegenüberstand, sodass sich per Ende 1990, ausgehend von der geleisteten Einlage, ein Verrechnungskontostand von 9.644,25 ergab. In den Jahren 1991 bis 1996 entstanden Gewinne in Höhe von 8.221,50 S, denen ein Verlust von 409,50 S aus dem Jahre 1993 gegenüberstand; der Verrechnungskontostand per 31. 12. 1996 betrug somit 17.456,25 S. Mit Schreiben vom 20. 9. 1997 kündigte der Kläger das Gesellschaftsverhältnis zum 31. 12. 1997 auf; diese Kündigung wurde von der Beklagten mit dem Bemerken zur Kenntnis genommen, der dem Kläger gemäß § 14 des Gesellschaftsvertrages zustehende Abfindungsanspruch könne erst nach Fertigstellung und Prüfung der Bilanz für das Geschäftsjahr 1997 festgestellt werden. Mit Schreiben vom 30. 6. 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass im Jahr 1997 die Umsatzerlöse der Vorjahre nicht erreicht worden seien, weshalb die Einlage des Klägers zur Gänze aufgezehrt worden und der für die Berechnung seines Auseinandersetzungsguthabens maßgebliche Buchwert der Einlage per 31. 12. 1997 mit null anzusetzen sei.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung der Kapitaleinlage in der Höhe von 52.000 S sA. Er habe sich - auf Anraten der Nebenintervenientin - zum Zweck einer Verlustbeteiligung bei langfristiger Gewinnerwartung an der Beklagten als stiller Gesellschafter beteiligt. Da der zugesagte Beteiligungszweck nicht eingetreten sei, habe er seine Beteiligung zum 31. 12. 1997 aufgekündigt. Zu diesem Zeitpunkt habe auf Grund unerwartet eingetretener Verluste kein Restguthaben mehr bestanden. Die Beklagte habe ihn bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages bewusst über die Möglichkeit einer steuerlichen Geltendmachung von Beteiligungsverlusten getäuscht. Die Beteiligung sei so ausgestaltet, dass die Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters zur Gänze verbraucht werde. Der Gesellschaftsvertrag sei sittenwidrig, weil der stille Gesellschafter von jeglicher Überprüfungs- und Einsichtsmöglichkeit ausgeschlossen sei und die Beklagte Gewinn und Verlust einseitig festlegen könne. Der Kläger habe einen Schaden in Höhe seiner Einlage erlitten.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Dem Vertragsabschluss sei ein detaillierter Beteiligungsprospekt zugrundegelegen, der genaue Informationen über die Verlustzuweisung und Verzinsung der Einlage enthalten habe. Eine Haftung für angestrebte Steuervorteile sei durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen; steuerliche Begünstigungen seien auch nicht zur Geschäftsgrundlage gemacht worden. Die Beklagte könne als Publikumsgesellschaft nicht unter dem Titel der so genannten "Prospekthaftung" in Anspruch genommen werden. Selbst wenn die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nicht zur Anwendung kämen, stünde dem Kläger kein Abfindungsanspruch zu, weil seine Einlage durch die in den Geschäftsjahren 1986 bis 1989, 1990 und 1997 zu verrechnenden Verlustanteile mehr als aufgebraucht worden sei. Die ihm zustehenden Gewinne und Zinsen habe der Kläger erhalten.

Die auf Seite der Beklagten beigetretene Nebenintervenientin wendet ein, lediglich vermittelnd tätig gewesen zu sein; sie habe weder an der Erstellung des Beteiligungsangebotes mitgewirkt noch auf die Geschäftstätigkeit der Beklagten Einfluss gehabt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bei der Beklagten handle es sich um eine Publikumsgesellschaft, auf die die Grundsätze über die Behandlung fehlerhafter Gesellschaften zur Anwendung kämen. Danach könne auch die Anfechtung des gegenständlichen Gesellschaftsvertrages wegen List und/oder Irrtums nur zu einer ex nunc-Aufhebung führen, was einen Zugriff des Klägers auf die seinerzeit geleistete Kapitaleinlage ausschließe. Gleiches gelte für die Anfechtung des Gesellschaftsvertrags aus dem Titel der Sittenwidrigkeit. Die Beklagte könne aber auch nicht aus dem Titel der Prospekthaftung in Anspruch genommen werden, weil das Gesellschaftskapital nicht durch Schadenersatzansprüche einzelner Anleger ausgezehrt werden solle.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Schadenersatzhaftung einer Publikumsgesellschaft gegenüber einem echten stillen Gesellschafter fehle. Auch für die Beklagte hätten die Grundsätze des Gläubigerschutzes zu gelten. Es sei kein sachliches Argument dafür zu finden, den Haftungsausschluss, den die Rechtsprechung aus Gründen des Gläubigerschutzes der Publikums-Kommandit-Gesellschaft gegenüber Schadenersatzansprüchen eines atypischen stillen Gesellschafters zugesteht, nicht auch für Gesellschaften mit echten stillen Beteiligungen gelten zu lassen. Es mache für die Gläubiger des Geschäftsinhabers keinen Unterschied, ob ein stiller Gesellschafter an der Geschäftsführung oder am Gesellschaftsvermögen beteiligt sei oder nicht; in beiden Fällen scheine diese Beteiligung nicht nach außen auf. Die vom Gesellschafter geleistete Vermögenseinlage wachse dem Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes zu. Die Gläubiger der Publikumsgesellschaft seien daher von Schadenersatzansprüchen des atypischen stillen Gesellschafters in gleicher Weise betroffen wie von Schadenersatzansprüchen des typischen stillen Gesellschafters. Zudem sei jede stille Beteiligung an einer Gesellschaft als typisches Risikogeschäft zu werten. Der Kläger habe sich bewusst auf eine solche Beteiligung und damit auch auf ein mögliches Fehlschlagen des Unternehmens eingelassen. Unter diesem Gesichtspunkt sei auch die in § 7 des Gesellschaftsvertrags enthaltene Bestimmung über die Gewinn- und Verlustverteilung zu sehen, die als Teil des übernommenen Risikos und daher unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit nicht zu beanstanden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, weil neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs darüber fehlt, ob die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch auf die typischen Formen der stillen Gesellschaft anzuwenden sind und ob eine GmbH von ihrem typischen stillen Gesellschafter aus dem Titel der Prospekthaftung in Anspruch genommen werden kann; das Rechtsmittel ist berechtigt im Sinne seines Aufhebungsantrags.

Vorauszuschicken ist, dass die Vorinstanzen in Übereinstimmung mit Rechtsprechung (ÖBA 1993, 229 [Nowotny]; RdW 1996, 113; ecolex 1997, 774 [Fellner] = RdW 1997, 720 = WBl 1998, 45 = ÖBA 1998, 300 = GesRZ 1998, 87) und Lehre (Straube in Straube HGB I2 Rz 2 f und 22 ff zu § 178; siehe auch Rebhahn in Jabornegg HGB § 178 Rz 13, 14, 16, 19, 21 und 22) die Beteiligung des Klägers zutreffend als (typische) stille Gesellschaft beurteilt haben, ist doch der Kläger weder an den Steigerungen des Vermögenswerts der Gesellschaft noch an der Geschäftsführung beteiligt und daher nicht als Mitunternehmer zu beurteilen (SZ 68/176; SZ 69/208; zur einkommensteuerrechtlichen Beurteilung durch den VwGH siehe ecolex 2000, 609). Dies wird vom Rechtsmittelwerber auch nicht in Frage gestellt. Der Kläger sieht aber einen wesentlichen Unterschied zwischen typischer und atypischer stiller Gesellschaft darin, dass nur bei letzterer dem stillen Gesellschafter weitreichende Gesellschaftsrechte eingeräumt würden, weshalb es auch nur in solchen Fällen einer zusätzlichen Sicherung der Gesellschaftsgläubiger zur Verhinderung einer Aushöhlung des Gesellschaftsvermögens bedürfe; jene Rechtsprechung, welche die Aufhebung eines Gesellschaftsvertrags ex tunc für nicht zulässig erachte, sei daher auf typische stille Gesellschaften nicht übertragbar. Auch sei der Gesellschaftsvertrag sittenwidrig, weil er entgegen § 336 HGB (gemeint wohl: § 181 Abs 2 HGB) den stillen Gesellschafter vom Gewinn ausschließe.

Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft ist in Lehre und Rechtsprechung gleichermaßen zu allgemeiner Anerkennung gelangt (SZ 66/111 mwN) und lässt sich (etwa BGHZ 55, 5 folgend) dahin zusammenfassen, dass die Nichtigkeits- und Anfechtungsfolgen des bürgerlichen Rechts wegen ihrer Rückwirkung auf den Abschluss des Rechtsgeschäfts für Gesellschaftsverhältnisse im allgemeinen nicht passen; denn es würde zu unerträglichen Ergebnissen führen, eine derart auf Dauer angelegte und tatsächlich vollzogene Leistungsgemeinschaft, für die die Beteiligten Beiträge erbracht und Werte geschaffen, die Gewinnchancen genutzt und vor allem gemeinschaftlich das Risiko getragen haben, ohne weiteres mit rückwirkender Kraft aus dem Rechtsleben zu streichen und damit so zu behandeln, als ob sie niemals bestanden hätte. Ein solches Rechtsverhältnis, beurteilt an seinen typischen Erscheinungsformen, verdient daher bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund geltend gemacht wird, im Interesse der Gesellschaft Bestandschutz, sofern nicht ausnahmsweise die rechtliche Anerkennung des von den Parteien gewollten und tatsächlich vorhandenen Zustands aus gewichtigen Belangen der Allgemeinheit oder bestimmter schutzwürdiger Personen unvertretbar ist. In diesem Sinn gehört der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Gesellschaft regelmäßig nicht von Anfang an nichtig, sondern wegen des Nichtigkeits- und Anfechtungsgrundes nur mit Wirkung für die Zukunft vernichtbar ist, heute zum gesicherten Bestand des Gesellschaftsrechts.

Strittig ist in diesem Zusammenhang allerdings die Frage, ob diese Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaften nicht nur auf die atypische stille Gesellschaft, sondern gleichermaßen auch auf die typische stille Gesellschaft Anwendung zu finden haben.

Straube (aaO § 178 Rz 7) unterscheidet die beiden Gesellschaftsformen in der genannten Frage nicht; eine Gleichbehandlung bejahen auch Hämmerle/Wünsch (Handelsrecht II4 379 - im Anschluss an die Rsp des BGH mwN zum unterschiedlichen Meinungsstand), Zutt (in Staub, dHGB4 § 230 Rz 69) und Baumbach/Duden/Hopt (dHGB30 § 230 Rz 11).

Demgegenüber treten für eine Aufhebung ex tunc bei der echten stillen Gesellschaft Kastner/Doralt/Nowotny (Gesellschaftsrecht5 175 - ohne nähere Begründung) und die überwiegende dL (Nachweise bei Baumbach/Duden/Hopt aaO; Horn in Heymann, dHGB**2 § 230 Rz 28; K. Schmidt in Schlegelberger, dHGB5 § 230 Rz 106 ff mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstandes) aus der Überlegung ein, dem stillen Gesellschaftsverhältnis fehle nach dem gesetzlichen Modell der typische organisationsrechtliche Kern; es liege nur eine durch den gemeinsamen Zweck intensivierte schuldrechtliche Bindung ohne eine den Gesamthands-Handelsgesellschaften angenäherte Vermögens- und Organisationsstruktur vor, die keinen Bestandschutz gegen Nichtigkeitsfolgen verdiene.

Der Oberste Gerichtshof hat sich erst einmal (SZ 25/324 = HS 1486) mit der Auflösung einer typischen stillen Gesellschaft ex tunc befasst und damals ausgesprochen, eine solche käme deshalb in Betracht, weil der einer solchen Gesellschaft zugrundeliegende Gesellschaftsvertrag rechtliche Beziehungen bloß unter den Gesellschaftern bewirke, ohne dass solche auch nach außen entstehen könnten; die Wiederherstellung des zur Zeit des Vertragsabschlusses bestehenden früheren Zustands stoße unter den Parteien im Innenverhältnis nicht auf unüberbrückbare Schwierigkeiten. Zur atypischen stillen Gesellschaft vertritt der Oberste Gerichtshof hingegen die Ansicht, die Wirkung der anfechtbar entstandenen Gesellschaft nach außen, die faktische Tätigkeit der Gesellschaft und das zu schützende Vertrauen dritter, in Rechtsbeziehungen zur Gesellschaft stehender Personen auf den Rechtsschein rechtfertigten regelmäßig den Ausschluss einer Anfechtung des Gesellschaftsvertrags ex tunc (SZ 66/111).

Der BGH (Nachweise bei Baumbach/Duden/Hopt aaO) wendet die Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaftsverhältnisse auf alle Formen der stillen Gesellschaft an. Auch die typische stille Gesellschaft sei - ungeachtet der im allgemeinen schwächeren Bindung der Partner - eine echte Risikogemeinschaft mit einer meist auf lange Zeit vereinbarten Teilung des Gewinns und Verlusts des Unternehmens, zu dem auch der stille Gesellschafter seinen Beitrag erbracht habe. Die Gesichtspunkte, die gegen die Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften sprächen, träfen daher im Grundsatz auch hier zu; aus Gründen der Rechtssicherheit sei davon abzusehen, die Anwendung dieser Grundsätze von der individuellen Gestaltung des Einzelfalls abhängig zu machen. Die fehlerhafte typische stille Gesellschaft verdiene daher ebenso Bestandschutz wie andere Gesellschaftsformen.

Der erkennende Senat hält in der Frage der fehlerhaften Gesellschaft die insbesondere von K. Schmidt gegen die deutsche Rechtsprechung und der ihr folgenden Lehre vorgebrachten Argumente für überzeugend.

K. Schmidt (aaO Rz 112 ff) hat darauf hingewiesen, dass sich die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft über die Kapitalgesellschaften, sodann über das Außenrecht und schließlich über das Innenrecht der Personengesellschaften hin zur stillen Gesellschaft entwickelt hat. Die Grundlagen dieses Rechtsinstituts werden im Bestandschutz für Gesellschaften und im Verkehrsschutz gesehen. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach alle Dauerschuldverhältnisse Bestandschutz gegen Nichtigkeitsfolgen genössen, besteht aber nicht. Deshalb ist die Anwendung der Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaften auf die reine Innengesellschaft alles andere als selbstverständlich. Diese Grundsätze passen zwar auf solche atypische stille Gesellschaften, die eine den Gesamthands-Handelsgesellschaften angenäherte Vermögens- und Organisationsstruktur aufweisen. Dem stillen Gesellschaftsverhältnis in seinem gesetzlichen Modell fehlt hingegen der typische organisationsrechtliche Kern; es liegt nur eine durch den gemeinsamen Zweck intensivierte schuldrechtliche Bindung vor. Die Anwendung der Regeln über fehlerhafte Gesellschaftsverhältnisse ist daher auf die für Handelsgesellschaften charakteristische Kombination von Vermögensgemeinschaft und Mitgliedschaftsrechten zu beschränken, also auf jene stillen Gesellschaften, bei denen der stille Gesellschafter schuldrechtlich am Unternehmensvermögen beteiligt ist und mitgliedschaftliche Mitverwaltungsrechte mindestens in Gestalt eines Widerspruchsrechts besitzt.

Mag auch die typische stille Gesellschaft als auf Dauer angelegte Gesellschaft eine echte Risikogemeinschaft sein, rechtfertigt dieser Aspekt (entgegen Zutt aaO) noch nicht ihren Bestandschutz, zumal sie in der Regel über keine ausgeprägte Organisation verfügt. Die vom BGH zu Lasten der Rechtssicherheit befürchteten Abgrenzungsprobleme im Einzelfall zwischen "schutzwürdigen" und "nicht schutzwürdigen" Vertragsgestaltungen bei der stillen Gesellschaft lassen sich nach den aufgezeigten Abgrenzungskriterien durchaus vermeiden. Der Einwand von Hämmerle/Wünsch (aaO 380), die Annahme ursprünglicher Nichtigkeit auch bei der typischen stillen Gesellschaft führte dann zu nicht sachgerechten, weil den Geschäftsherrn einseitig bevorzugenden Ergebnissen, wenn die Gesellschaft schon längere Zeit bestanden habe und mit Hilfe der stillen Beteiligung Werte geschaffen worden seien, die bei Vernichtung des Gesellschaftsverhältnisses ex tunc allein dem Geschäftsinhaber verblieben, während sich der Stille mit der Rückforderung seiner ursprünglichen Vermögenseinlage begnügen müsse und auf mehr oder weniger unsichere Schadenersatzansprüche angewiesen sei, ist nicht zielführend: Warum nach einer ex tunc-Auflösung der stillen Gesellschaft ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Geschäftsherrn nicht möglich sein sollte, ist nicht zu erkennen.

Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlasst, von der schon in SZ 25/324 vertretenen Ansicht des Obersten Gerichtshofes, eine echte stille Gesellschaft könne ex tunc aufgelöst werden, abzuweichen.

Der Kläger hat vorgebracht, die Beklagte habe bereits vor Abschluss seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter gewusst, dass eine Verlustabschreibung ausgeschlossen und seine Beteiligung so gestaltet sei, dass seine Einlage zur Gänze verbraucht würde; er sei daher von der Beklagten bei Vertragsschluss über die wahren Verhältnisse getäuscht worden. Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht hat das Erstgericht die zum Beweis dieses Vorbringens beantragten Beweismittel nicht aufgenommen. Diesen Verfahrenmangel erster Instanz, den das Berufungsgericht auf Grund seiner unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht wahrgenommen hat, konnte der Kläger als Feststellungsmangel mit Rechtsrüge in der Revision geltend machen (SZ 39/139, MR 1996, 247 uva; Kodek in Rechberger ZPO**2 § 503 Rz 3); er führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen.

Im fortgesetzten Verfahren wird zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen einer Irrtumsanfechtung betreffend die stille Beteiligung des Klägers vorliegen oder nicht. Unzutreffend ist aber jedenfalls die Ansicht des Klägers, der Gesellschaftsvertrag sei deshalb sittenwidrig, weil er danach zwar am Verlust der Gesellschaft, nicht hingegen auch an deren Gewinn beteiligt sei: § 7 des Vertrages sieht ausdrücklich vor, dass dem stillen Gesellschafter Gewinne nach dem Verhältnis seiner Einlage zur Gesamteinlage aller stillen Gesellschafter und dem Stammkapital des Geschäftsherrn zuzuteilen sind. Dass diese Gewinnzuteilung erst dann erfolgt, wenn mit den Gewinnen jene Verluste abgedeckt worden sind, die - über die Einlage des stillen Gesellschafters hinausgehend - dem Geschäftsherrn angelastet wurden, macht den Gesellschaftsvertrag noch nicht sittenwidrig, weil dem Recht des Geschäftsherrn zur vorrangigen Verlustabdeckung seine Verpflichtung gegenübersteht, das alleinige Unternehmerrisiko zu tragen; eine Nachschusspflicht der stillen Gesellschafter besteht nämlich nicht. Eine den stillen Gesellschafter grob benachteiligende Verteilung von Rechten und Pflichten kann in dieser Methode der Gewinnverteilung nicht erblickt werden.

Soweit sich der Kläger im Rechtsmittelverfahren auch auf Schadenersatzansprüche berufen hat, hat ihn das Berufungsgericht auf Rechtsprechung verwiesen, wonach eine Publikums-Kommanditgesellschaft aus Gründen des Gläubigerschutzes von ihren atypischen stillen Gesellschaftern nicht unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung in Anspruch genommen werden könne (SZ 66/111 [zust Gruber ecolex 1994, 383]; SZ 69/166). Diese Rechtsprechung beruht allerdings auf dem Grundgedanken, dass die Kapitaleinlage eines atypisch stillen Gesellschafters ebenso wie die Pflichteinlage eines Kommanditisten Eigenkapitalcharakter besitzt, weshalb aus solchen Beteiligungen resultierende Schadenersatzansprüche nicht gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden können. Auf die Kapitaleinlage eines typischen stillen Gesellschafters, der weder an den Steigerungen des Vermögenswerts der Gesellschaft noch an der Geschäftsführung beteiligt und daher kein Mitunternehmer ist, trifft diese Wertung aber nicht zu, weil dessen Rechtsposition jener eines Kommanditisten gerade nicht angenähert ist. Schadenersatzansprüche des Klägers wegen falscher oder unvollständiger Prospektangaben (also im Zusammenhang mit dem Abschluss des Beteiligungsvertrags) wären daher ebenso wie Ansprüche infolge einer Schädigung im Rahmen der Geschäftsführung der Beklagten (also während der Abwicklung des laufenden Gesellschaftsverhältnisses) entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht grundsätzlich von vornherein ausgeschlossen.

Soweit der Rechtsmittelwerber allerdings einen Sorgfaltsverstoß darin erblickt, dass die Beklagte ab dem Zeitpunkt der Ablehnung einer steuerlichen Abschreibung von Verlustbeteiligungen keine notwendigen unternehmerischen Änderungen vorgenommen habe, er sich also auf Schadenersatz infolge unzweckmäßiger Geschäftsführung beruft, ist ihm zu entgegnen, dass er dazu kein substantiiertes Vorbringen in erster Instanz erstattet hat; ergänzendes Vorbringen zu diesem abschließend erledigten Streitpunkt im fortgesetzten Verfahren ist ihm aber verwehrt (SZ 28/96; SZ 55/164; SZ 58/182; Arb 11.122; SSV-NF 8/34; MR 1996, 247; Kodek aaO § 496 Rz 5). Unter diesem rechtlichen Aspekt erweist sich sein Begehren demnach jedenfalls als unbegründet.

Der Revision ist im Sinne ihre Aufhebungantrags Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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