OGH 6Ob275/66

OGH6Ob275/667.9.1966

SZ 39/139

Normen

WechselG Art17
WechselG Art17

 

Spruch:

Art. 17 WG. steht der Erhebung von Einwendungen aus den gegenüber dem Wechselinhaber bestehenden Rechtsbeziehungen nicht entgegen

Entscheidung vom 7. September 1966, 6 Ob 275/66

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz

Text

Der Beklagte wandte gegen den Wechselzahlungsauftrag des Kreisgerichtes Leoben vom 12. April 1966, dessen Aufhebung er beantragte, ein, daß der klagegegenständliche Wechsel nicht begeben worden sei, weshalb auch Einwendungen aus dem Grundgeschäft erhoben werden könnten. Die Klägerin habe den Wechsel blanko vom Beklagten mit der Vereinbarung erhalten, daß dieser nur als Ausfallsbürge für Anton B. jun. (offenbar den Wechselaussteller) haften solle. Der Beklagte könne noch nicht in Anspruch genommen werden, weil sich die Klägerin noch nicht gehörig bemüht habe, die Schuld von B. hereinzubekommen. Der Beklagte habe ferner nicht für 155.000 S den Wechselbetrag, die Ausfallsbürgschaft übernommen.

Die Klägerin beantragte, den Wechselzahlungsauftrag aufrechtzuerhalten. Der Wechsel sei weder blanko übergeben, noch vereinbarungswidrig ausgefüllt worden, es handle sich vielmehr um einen Prolongationswechsel, der aber nicht für eine bloße Ausfallsbürgschaft begeben worden sei.

Das Erstgericht sprach urteilsmäßig aus, daß der Zahlungsauftrag im vollen Umfang aufrecht bleibe. Es stellte fest, daß Anton B. mehrere vom Beklagten angenommene Wechsel bei der Klägerin eingereicht habe, die prolongiert worden seien. Schließlich sei der auf 143.275 S lautende Wechsel Nr. 1638 protestiert worden, etwa ein Monat später habe B. einen Wechsel gebracht, der blanko gewesen sein dürfte. Der Geschäftsführer der Klägerin N. habe der Wechselschuld die Zinsen hinzugeschlagen, sodaß die zum 29. Dezember 1965 fällig gestellte neue Wechselforderung 148.303 S betragen habe. Hiefür habe die Klägerin den von B. bereits auf 155.000 S ausgestellten Klagewechsel erhalten, der nicht mehr habe prolongiert werden können, weil das Konkursverfahren über B's Vermögen verhängt worden sei. Die Klägerin habe den Beklagen immer von der Hereinnahme seiner Akzepte verständigt und ihm die vorangegangenen Wechsel zurückgestellt. Da er keinen Einwand erhoben habe, stehe fest, daß er mit der Art der Wechselbegebung einverstanden gewesen sei, die Höhe der Wechselforderung sei ihm, auch wenn er blanko unterschrieben habe, aus dem eingeschriebenen Brief der Klägerin vom 30. Dezember 1965 bekannt gewesen. Die Konkurseröffnung über das Vermögen B. sei gerichtsbekannt.

Das Schreiben des vom Beklagten benannten Zeugen T., dessen Nichterscheinen zur Verhandlung und das Fernbleiben des Beklagten seien nur Verzögerungsmanöver, der Sachverhalt sei durch die aufgenommenen Beweismittel hinreichend geklärt, der Beklagte habe sich als Folge seines Verhaltens selbst zuzuschreiben, wenn er kein Gehör gefunden habe. Der Beklagte hafte auf Grund seines Skripturaktes, es könne weder von einer vereinbarungswidrigen Ausfüllung des Wechsels noch infolge der Insolvenz B's von mangelnder Fälligkeit der Forderung die Rede sein.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil wegen Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens erhobenen Berufung des Beklagten keine Folge; es bestätigte das erstinstanzliche Urteil mit der Maßgabe, daß der Wechselzahlungsauftrag aufrechterhalten bleibe. Der Beklagte erachtete sich dadurch beschwert, daß er und der Zeuge T. nicht vernommen worden seien. Dagegen vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß der Beklagte lediglich Einwendungen aus dem Grundgeschäft zwischen ihm und dem Aussteller erhoben und behauptet habe, daß der Wechsel nicht "begeben" worden sei. Dabei übersehe der Beklagte, daß der Wechsel durch Indossament an die Klägerin übertragen worden sei, daher komme Art. 17 WG. zur Anwendung. Es sei nicht behauptet worden, daß die Klägerin bei Wechselerwerb bewußt zum Nachteil des Schuldners gehandelt habe, nur diese Einwendung, nicht aber eine solche aus dem Grundgeschäft könne Erfolg haben. Die Aufnahme von Beweisen über das Grundgeschäft sei nicht erforderlich gewesen, sodaß die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vorliege.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist davon auszugehen, daß der Beklagte fristgerecht den Bestand eines zwischen ihm als Bürgen und der Klägerin als Gläubiger abgeschlossenen Bürgschaftsvertrages (§§ 1346, 1356 ABGB.) zugunsten des Wechselausstellers als Hauptschuldner eingewendet hat. Damit hat sich der Beklagte auf Rechtsbeziehungen berufen, in die er unmittelbar gegenüber dem Wechselinhaber getreten ist, er leitet seine Einwendungen weder von seinen eigenen Beziehungen zu dem Aussteller noch von dessen Rechtsverhältnis zum Wechselinhaber ab, sodaß - entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsauffassung - die Bestimmungen des Art. 17 WG. nicht anwendbar sind. Es kommt also nicht auf das Grundgeschäft zwischen dem Aussteller und dem Wechselgläubiger an, dem Annehmer steht vielmehr eine persönliche, selbständige Einwendung gegen den Wechselinhaber zur Verfügung (Staub - Stranz, WG.[13], S. 239, Anm. 26). Gegenstand der Beweisanträge des Beklagten waren aber seine unmittelbaren Beziehungen zur Klägerin.

Diese verweist zwar zutreffend auf die einhellige Rechtsmeinung des Obersten Gerichtshofes, von der auch im vorliegenden Fall abzuweichen kein Anlaß besteht, daß ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens nur im Berufungs-, nicht aber im Revisionsverfahren aufgegriffen werden darf. Dadurch vermag sie jedoch den Erfolg der Revision nicht zu verhindern, denn der Beklagte führt in der Revision, wenn auch nicht immer mit der wünschenswerten Deutlichkeit, aus, daß ihm eine persönliche Einwendung gegenüber der Klägerin zustehe. Die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens besteht darin, daß sich das Berufungsgericht mit dieser Einwendung, auf die sich die übergangenen Beweisanträge beziehen, nicht auseinandergesetzt hat, sodaß der geltend gemachte Revisionsgrund vorliegt. Da die Vorschrift des Art. 17 WG. nicht anwendbar ist und der Beklagte übrigens eine Rechtsrüge niemals erhoben hat, hätte sich das Berufungsgericht mit dem geltend gemachten Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens sachlich auseinandersetzen müssen. Dies hat es, ausgehend von einer nicht zu billigenden Rechtsansicht, unterlassen, sodaß dadurch das Berunfungsverfahren an einem Mangel leidet, der, ohne Nichtigkeit zu bewirken, eine erschöpfende Erörterung und grundliche Beurteilung der Streitsache verhindert hat (§ 503 Z. 2 ZPO.).

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