OGH 1Ob734/82

OGH1Ob734/823.11.1982

SZ 55/164

Normen

KSchG §36 Z15
ZPO §557 Abs1
KSchG §36 Z15
ZPO §557 Abs1

 

Spruch:

Die Aufhebung der Eventualmaxime im Wechselmandatsverfahren durch das Konsumentenschutzgesetz machte zwar Einwendungen ohne zeitliche Beschränkung zulässig, hat jedoch nichts daran geändert, daß im Prozeß nur über erhobene Einwendungen zu verhandeln und zu entscheiden ist

OGH 3. November 1982, 1 Ob 734/82 (OLG Linz 2 R 123/82; LG Salzburg 14 Cg 146/82)

Text

Das Erstgericht trug dem Beklagten mit Zahlungsauftrag vom 15. 5. 1982 auf Grund des vom Kläger ausgestellten und vom Beklagten akzeptierten Wechsels, der das Ausstellungsdatum 9. 12. 1982 trug und auf den 9. 3. 1982 fällig gestellt war, die Zahlung der Wechselsumme von 297 513 S samt Anhang auf.

Der Beklagte erhob fristgerecht Einwendungen, die kein Sachvorbringen enthielten. Im weiteren Verfahren brachte er vor, er habe vom Kläger einen Traktor zum Preis von 359 948 S mit der ausdrücklichen Zusage, daß es sich um einen neuen Traktor handle, der nur kurz als Vorführgerät eingesetzt gewesen sei, erworben. Der Kläger habe ihm, da es sich um ein Vorführgerät handelte, einen Preisnachlaß von 63 594.58 S zuzüglich Umsatzsteuer gewährt. Als Anzahlung sei ein Altgerät zum Preis von 30 000 S entgegengenommen worden. Tatsächlich weise der gekaufte Traktor das Baujahr 1976 und drei Vorbesitzer auf. Er begehre daher Wandlung, die Aufhebung des Verträges wegen Irreführung und mache auch die Rechtsfolgen nach den §§ 918 ff. ABGB geltend.

Der Kläger bestritt dieses Vorbringen. Verkauft und geliefert worden sei ein gebrauchter Traktor mit 500 Betriebsstunden, in den ein neuer Allradantrieb eingebaut werden sollte. Der gewährte Preisnachlaß trage dem Umstand Rechnung, daß es sich um ein gebrauchtes Fahrzeug handle.

Der Erstrichter hob den Wechselzahlungsauftrag auf und wies das Klagebegehren auf Zuspruch von 297 513 S samt Anhang ab. Ein Wechsel, der auf einen vor dem Ausstellungsdatum liegenden Verfalltag laute, sei wegen der Unmöglichkeit, die Zahlungsanweisung zu erfüllen, nichtig und wie ein formungültiger Sichtwechsel zu behandeln. Im Wechselprozeß habe sich der Rechtsstreit auf die Frage zu beschränken, ob der Wechselzahlungsauftrag aufrecht zu bleiben habe. Es sei nicht zulässig, auf Grund von Einwendungen den Wechselzahlungsauftrag aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung auf der Grundlage des der Wechselausstellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses zu verurteilen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge, hob es unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. In Lehre und Rechtsprechung werde die Frage, ob ein Wechsel mit einem nach dem Verfalltag liegenden Ausstellungstag gültig sei, nicht einheitlich beantwortet. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes sei der Verfalltag für die Gültigkeit des Wechsels bedeutsamer als der Ausstellungstag. Stehe der Verfalltag unzweifelhaft fest, könne von einer Unmöglichkeit, die Zahlungsanweisung zu erfüllen, keine Rede sein. Der Beklagte sei in seinen Einwendungen wie selbstverständlich davon ausgegangen, daß der vom Kläger geltend gemachte Verfalltag, der 9. 3. 1982, der Wechselausstellung zugrunde liege und inter partes wirksam sei. Die Einwendungen hätten sich demgemäß auch ausschließlich mit der Darstellung des Grundgeschäftes befaßt. Es sei demnach offenkundig, daß bei der Ausfüllung des Wechsels ein Schreibfehler unterlaufen sei. Dieser Mangel sei zumindest im Verhältnis zwischen Aussteller und Bezogenem unschädlich. Es wäre sittenwidrig, wenn der Bezogene diesen Irrtum als Gültigkeitsmangel einwenden würde. Der Beklagte werde daher in dem vom Erstgericht in erster Instanz fortzusetzenden Verfahren ungeachtet des Umstandes, daß die Eventualmaxime durch das Konsumentenschutzgesetz beseitigt worden sei, diese Einwendung auch nicht mehr wirksam nachholen können. Das Erstgericht habe aber seine Prüfungsbefugnis gemäß § 557 Abs. 1 ZPO schon bei der Erlassung des Wechselzahlungsauftrages verbraucht, so daß nunmehr über das Sachvorbringen der Parteien abzusprechen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Wechselmandatsverfahren ist in der Zivilprozeßordnung als besondere Verfahrensart vorgesehen, durch die eine zweckmäßigere ökonomischere Rechtsdurchsetzung ermöglicht werden soll (Fasching, Kommentar IV 567). Voraussetzung für die Einleitung des Wechselmandatsverfahrens ist zunächst das Vorliegen der allgemeinen Prozeßvoraussetzungen bzw. das Fehlen eines Prozeßhindernisses, darüber hinaus aber auch das Vorliegen eines in Urschrift vorgelegten Wechsels, der alle Erfordernisse der Gültigkeit besitzt und gegen dessen Echtheit keine Bedenken bestehen; weiters muß ein ausdrücklicher Antrag auf Erlassung eines Zahlungsauftrages gestellt werden. Nach Lehre und Rechtsprechung hat das Gericht bei Erlassung des Wechselzahlungsauftrages erst- und letztmalig amtswegig die besonderen Prozeßvoraussetzungen für das Mandatsverfahren zu prüfen. Wird ein Zahlungsauftrag unter Außerachtlassung dieser Voraussetzungen erlassen, etwa trotz Fehlens eines wesentlichen Wechselbestandteils (ZBl. 1926/161) oder trotz Ungültigkeit der Wechselerklärung wegen einer beigesetzten Bedingung (EvBl. 1959/210), dann kann dieser Verstoß nur wahrgenommen werden, wenn er in den Einwendungen ausdrücklich gerügt wird; eine amtswegige Wahrnehmung solcher Mängel ist also ausgeschlossen (Fasching aaO 610; Neumann, Kommentar[4] 1441). Der Grundsatz, daß das Gericht den zur Entscheidung vorgelegten Sachverhalt nach allen rechtlichen Richtungen dahin zu prüfen hat, ob der geltend gemachte Anspruch daraus abgeleitet werden könne, ist im Wechselmandatsprozeß nicht anzuwenden; nur im gewöhnlichen Wechselprozeß (ohne Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages) ist auch ohne dahin abzielenden Antrag des Beklagten zu prüfen, ob der vorgelegte Wechsel sämtliche Gültigkeitserfordernisse des § 1 WG aufweist (JBl. 1978, 547). Im Wechselmandatsprozeß ist hingegen der Prozeß über (§§ 552 Abs 3, 559 ZPO) die erhobenen Einwendungen, die den Prozeßgegenstand umreißen, abzuführen (SZ 23/189; JBl. 1955, 22). Die Rechtsprechung hat aus dem Wort "seine" im früheren § 557 Abs. 1 ZPO außerdem abgeleitet, daß für die Erhebung von Einwendungen ganz allgemein die Eventualmaxime gilt, also Einwendungen nicht ergänzt werden dürfen (EvBl. 1975/7; SZ 23/189; so auch Fasching aaO 611). Durch § 36 Z 15 KSchG wurde § 557 Abs. 1 ZPO dahin geändert, daß das Wort "seine" aufgehoben wurde. Nach den Erläuterungen (744 BlgNR, XIV. GP 55) sollte das Institut der Eventualmaxime im Wechselverfahren abgeschafft werden. Den Erläuterungen ist aber kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß darüber hinaus auch eine Änderung der Struktur des Wechselmandatsverfahrens und eine (weitere) Angleichung an das ordentliche Verfahren bezweckt war. Dem Beklagten steht es daher nunmehr zwar frei, seine Einwendungen bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung zu ändern oder zu ergänzen, es bleibt aber dabei, daß im Mandatsprozeß (wie auch im Bestandverfahren) der Prozeß über die erhobenen Einwendungen, durch die der Prozeßgegenstand umrissen wird, abzuführen ist. Der Beklagte hat daher auch nach der neuen Rechtslage, wenn auch ohne die früher durch die Eventualmaxime gegebene zeitliche Beschränkung, im einzelnen auszuführen, welche Einwendungen er erhebt. Nur diese Einwendungen sind auf ihre Berechtigung zu prüfen. Da der Beklagte Einwendungen dahin, der Wechsel sei wegen der Divergenz zwischen dem Zeitpunkt der Ausstellung und dem der Fälligkeit unwirksam, nicht erhoben hat, war dieser Mangel vom Erstrichter von Amts wegen nicht mehr zu beachten. Im fortgesetzten Verfahren werden daher die vom Beklagten aus dem der Wechselausstellung zugrunde liegenden Grundverhältnis erhobenen Einwendungen auf ihre Berechtigung zu prüfen sein.

Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß der Beklagte Einwendungen aus dem Wechsel im fortgesetzten Verfahren nicht mehr nachholen kann. Durch die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils gemäß § 496 Abs. 1 Z 3 ZPO tritt das Verfahren allerdings in den Stand vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurück; die Parteien haben daher grundsätzlich alle Befugnisse, die ihnen im erstinstanzlichen Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt zukommen (SZ 43/194; SZ 43/151 ua.). Es ist daher den Parteien auch nicht verwehrt, neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen, früher nicht beantwortete Behauptungen zu bestreiten oder das Klagebegehren zu ergänzen oder abzuändern; eine Beschränkung besteht jedoch insoweit, als die aufhebende Instanz eine bestimmte Frage auf Grund des gegebenen Sachverhaltes bereits abschließend entschieden hat; dann darf die Beantwortung dieser Frage auch auf Grund neuer Tatsachen nicht mehr in Zweifel gezogen werden; abschließend erledigte Streitpunkte können nicht wieder neu aufgerollt werden (SZ 28/96; in diesem Sinne auch SZ 46/18). Die Frage, über welche Einwendungen aus dem Wechsel abzusprechen ist, ist bereits abschließend gelöst. Stunde der Beklagte nicht dem Kläger als dem Aussteller des Wechsels, sondern zufolge Wechselbegebung einer dritten Person gegenüber, wäre der Rechtsstreit bei gutgläubigem Wechselerwerb durch den Dritten auch bereits zu beenden. Daß der Beklagte nicht einem Dritten, sondern dem Aussteller des Wechsels gegenübersteht, kann nicht zur Folge haben, daß im fortgesetzten Verfahren nicht nur die noch unerledigten Einwendungen aus dem Grundgeschäft zu prüfen wären, sondern der Beklagte auch noch die Möglichkeit hätte, Einwendungen aus dem Papier nachzutragen.

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