OGH 13Os107/00

OGH13Os107/0011.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Koenig als Schriftführer, in der Strafsache gegen Kingsley O***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 6. Juli 2000, GZ 9 Vr 707/99-101, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Mag. Bauer, des Angeklagten Kingsley O*****, sowie dessen Verteidigers Mag. Ralf Nössler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird jedoch das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch A I. genannten Tat unter § 28 Abs 1 SMG, demgemäß auch im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung sowie des Einziehungs- und Abschöpfungserkenntnisses) aufgehoben und im Umfang dieser Aufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Kingsley O***** hat durch die zu Punkt A I. angenommenen Tatsachen das Vergehen nach dem zweiten Fall des § 27 Abs 1 SMG begangen.

Er wird hiefür sowie für die unberührt gebliebenen Schuldsprüche zu A II. wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG sowie zu B der Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG erster und zweiter Fall nach § 28 Abs 2 SMG unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Kingsley O***** wurde des Vergehens nach § 28 Abs 1 (zweiter Fall) SMG (A. I.), des Verbrechens nach § 28 Abs 2 (vierter Fall) SMG (A. II.) und des Vergehens nach § 27 Abs 1 (erster und zweiter Fall) SMG (B.) schuldig erkannt, weil er

in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtmittel, und zwar

zu A. im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit seiner Ehefrau Bettina O***** als Mittäterin (§ 12 StGB)

I. am 7. November 1999 ca 2 Gramm Heroin und 5,7 Gramm Kokain in Reinsubstanz mit dem Vorsatz besaß, dass es in Verkehr gesetzt werde;

II. im Zeitpunkt von Frühjahr 1999 bis Anfang November 1999 ca 60 Gramm brutto Heroin und 75 Gramm brutto Kokain, somit in großer Menge (Abs 6) durch Verkauf, teilweise über Vermittlung, an eine Mehrzahl von Abnehmern in Verkehr setzte;

B. zur Eigenkonsumation erwarb und besaß, und zwar von ca August 1999 bis 7. November 1999 Heroin und Kokain.

Zu Punkt A. II. stellte das Erstgericht fest, der Angeklagte habe in der Absicht gehandelt, durch das jeweilige Inverkehrsetzen kleinerer Mengen eine (iS von einzige) insgesamt große Menge Suchtgift zu verkaufen und durch die ständige Wiederholung sich eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 6). Hingegen habe für seine weitergehende Absicht, er hätte sich durch das Inverkehrsetzen jeweils großer Suchtmittelmengen eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffen wollen, kein Beweis erbracht weden können (US 8).

Die Staatsanwaltschaft bekämpft mit ihrer Subsumtionsrüge (Z 10) die Unterlassung der Qualifikation des dem Urteilsfaktum A. II. zu Grunde liegenden Sachverhaltes nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG, indes zu Unrecht.

Rechtliche Beurteilung

Der Anklagebehörde ist zwar beizupflichten, dass § 28 Abs 2 SMG auch durch Addition von Teilmengen von Suchtgift auf Grund einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung rechtlich möglich ist, wenn die betreffenden Einzelakte mit einer am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierten Kontinuität gesetzt werden und auf der subjektiven Tatseite der (zumindest bedingte) Vorsatz des Täters jeweils auch den an die bewusst kontinierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfasste (SSt 50/38 = EvBl 1980/20 uva; siehe auch Foregger/Litzka/Matzka SMG § 28 Erl III.2; Kodek/Fabrizy SMG § 28 Anm 1.2; Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 107).

Die von der Beschwerdeführerin reklamierte Anwendung der Qualifikation des § 28 Abs 3 erster Fall SMG verlangt jedoch, dass die in § 28 Abs 2 bezeichnete Tat gewerbsmäßig (§ 70 StGB) begangen wird; dh, dass sich die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Täters auf wiederkehrende Begehung von strafbaren Handlungen bezieht, die jeweils für sich allein als Verbrechen nach Abs 2 zu beurteilen sind (13 Os 8, 11/98; 11 Os 129/98; 13 Os 27/99; 13 Os 28/00; 15 Os 52/00 und zuletzt 15 Os 58/00). Da § 28 Abs 2 SMG auch in Teilakten verwirklicht werden kann, kann dies auch wiederkehrend geschehen (vgl Ratz aaO), sofern sich die Absicht des Täters auch auf diese sukzessive Wiederholung von Handlungskomplexen, die jeweils als solche für sich als Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG zu werten wäre, erstreckt (11 Os 91/00).

Nach den Urteilsfeststellungen handelte der Angeklagte beim wiederholten Verkauf kleinerer Suchtgiftmengen zwar in einer auf fortlaufende Erzielung nicht unbeträchtlicher Einkünfte gerichteten Absicht, die sich aber bloß auf das Inverkehrsetzen einer (einzigen) insgesamt großen Suchtgiftmenge richtete (US 6).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlass war hingegen der dem angefochtenen Urteil zu Schuldspruch A. I. wegen des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG anhaftende, nicht geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen:

Dem Angeklagten wird in diesem Schuldspruch zur Last gelegt, dass er "ca 2 Gramm Heroin" (exakt 2,3 Gramm, siehe US 4, somit 46 % der "Grenzmenge" von 5 Gramm) und 5,7 Gramm Kokain (dies entspricht 38 % der "Grenzmenge" von 15 Gramm) - jeweils in Reinsubstanz - mit dem im § 28 Abs 1 SMG genannten Verteilungsvorsatz besaß.

Verschiedene Suchtgifte, mit denen im Zuge eines einheitlichen Tatgeschehens in einer dem § 28 Abs 1 oder Abs 2 SMG entsprechenden Weise verfahren wurde, sind zusammenzurechnen, weil es nach dieser Bestimmung nur darauf ankommt, ob die einzelnen Suchtgifte insgesamt eine große Menge darstellen (vgl 11 Os 109/97; 13 Os 91/97; 12 Os 111/87). Auch bei solcherart vorgenommener Addition der vorliegenden Suchtmittelmengen ergibt sich insgesamt keine "große Menge". Somit wurde zu A I nicht § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG, sondern (bloß) § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG begangen.

Das Urteil war sohin in der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch A. I. genannten Tat unter § 28 Abs 1 SMG, demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben, im Umfang dieser Aufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst dahin zu erkennen, dass der Angeklagte durch die zu A. I. genannten Tat (nur) das Vergehen nach dem zweiten Fall des § 27 Abs 1 SMG begangen hat.

Bei der zufolge dieser Entscheidung notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe, die nach § 28 Abs 2 SMG unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB zu erfolgen hat, war erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Delikte und der längere Deliktszeitraum, mildernd hingegen das teilweise Geständnis, das Alter des Angeklagten zur Tatzeit von weniger als 21 Jahren und der bisherige ordentliche Lebenswandel des Angeklagten. Dabei erweist sich die bereits vom Schöffengericht verhängte zweijährige Freiheitsstrafe als im Ergebnis richtig, ist doch zugunsten des Angeklagten das Delikt nach § 28 Abs 1 SMG weggefallen, wogegen der vom Erstgericht übersehene Erschwerungsgrund der Deliktshäufung jedoch hinzukommt.

Aus den auch vom Erstgericht zutreffend angeführten Gründen kam eine bedingte Strafnachsicht nicht in Betracht.

Auf diese Entscheidung war die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung zu verweisen.

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