Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlaß (§ 290 Abs 1 StPO) wird das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich
- des Ausspruches, daß das Verbrechen laut Punkt I 1 des Urteilssatzes gewerbsmäßig begangen wurde, und der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung der Tat nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG,
- des Schuldspruches laut Punkt II wegen des Vergehens der teils versuchten, teils vollendeten Hehlerei nach §§ 164 Abs 2, 15 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 (zweiter Fall) StGB und
- des Schuldspruches laut Punkt V wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG 1996,
sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde Sahla Ben Brahim D***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 und Abs 3 SMG (I 1) und der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (III) sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG (I 2), der teils versuchten, teils vollendeten Hehlerei nach §§ 164 Abs 2, 15 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 (zweiter Fall) StGB (II), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (IV), der teils versuchten, teils vollendeten Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (VI) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffenG 1996 (V) schuldig erkannt.
Darnach hat er in Wien
(zu I) den bestehenden Vorschriften zuwider
1) gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, indem er
A) von 1990 bis zum 14. Jänner 1998 eine unbekannte Menge, mindestens
jedoch 25 Gramm Heroin unbekannten Personen und
B) von 1992 bis 1994 30 Gramm Heroin an den abgesondert verfolgten
Michael R***** verkaufte;
2) am 17. Februar 1994 Suchtgift, nämlich 0,8 Gramm Haschisch besaß;
(zu II) von April bis Mai 1994 eine nicht mehr genau feststellbare Anzahl an Schecks sowie drei fremde Scheckkarten, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hat, an sich gebracht, sowie versucht, Brigitte P***** dazu zu bestimmen, diese Sachen Dritten zu verschaffen, indem er sie aufforderte, die Schecks und Scheckkarten in einem Lokal zu verkaufen;
(zu III) Nachgenannte mit Gewalt (und) durch gefährliche Drohung zu einer Handlung zu nötigen versucht, und zwar
1) am 29. März 1994 Mohamed Salah R*****, indem er ihm eine Gabel an den Hals hielt, sowie durch die Äußerung, er werde ihn umbringen, mithin durch Drohung mit dem Tod zur Bezahlung von 10.000 S
2) Brigitte P*****
a) Ende September 1994, indem er den abgesondert verfolgten Mohamed Ben Hedi M***** dazu bestimmte, dieser mit dem Fuß einen Schlag gegen die Nierengegend zu versetzen, was Schmerzen in der Dauer von einer Woche zur Folge hatte, sowie
b) am 11. Oktober 1994, indem er vor Brigitte P***** eine Pistole zog und vor der ebenfalls anwesenden Mutter der Genannten sagte, wenn Brigitte P***** etwas passiere, sei er das gewesen, sowie durch die Äußerung, er werde sie umbringen, mithin durch Drohung mit dem Tod,
zum Verkaufen von Suchtgift;
(zu IV) am 29. März 1994 durch Einschlagen einer Fensterscheibe der Wohnung des Mohamed Salah R***** eine fremde Sache in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert beschädigt;
(zu V) am 11. Oktober 1994 unbefugt eine Pistole, mithin eine genehmigungspflichtige Schußwaffe, geführt und
(zu VI) vom 2. April 1994 bis 22. April 1994 Miroslav Ri***** dazu bestimmt beziehungsweise zu bestimmen versucht, einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten durch die Behauptung, ihm seien insgesamt vier Fahrräder gestohlen worden, die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich das Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB wissentlich vorzutäuschen.
Rechtliche Beurteilung
Nur die Schuldsprüche I 1 A und B, II, III 2 a und b, V und VI bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.
Vorweg ist festzuhalten, daß sich der Oberste Gerichtshof bei Prüfung der Nichtigkeitsbeschwerde davon überzeugen konnte, daß dem Ausspruch gewerbsmäßiger Begehung des Suchtmittelverbrechens (I 1) sowie den zu II und VI ergangenen Schuldsprüchen Nichtigkeit begründende Feststellungsmängel anhaften, welche vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wurden und demzufolge von amtswegen wahrzunehmen waren (§ 290 Abs 1 StPO):
Die zum Faktum I angenommene Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG verlangt die Absicht des Täters, sich durch wiederkehrende Begehung der in § 28 Abs 2 SMG bezeichneten Tat, nämlich Erzeugen, Einführen, Ausführen oder Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge Suchtgift, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (13 Os 8, 11/98). Die demnach zur Subsumtion erforderlichen Konstatierungen enthält das Urteil, welches sich insoweit mit der Feststellung begnügt, es sei in der Absicht des Angeklagten gelegen, sich durch den fortlaufenden Heroinhandel eine regelmäßige Einnahmensquelle zu verschaffen (US 8), nicht. Der darin begründete Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO erzwingt die Aufhebung des davon betroffenen Qualifikationsauspruch (§§ 281 Abs 1 Z 10, 290 Abs 1 StPO).
Nach den Urteilsannahmen, die dem Schuldspruch wegen Hehlerei zugrundeliegen (II), forderte der Angeklagte im April oder Mai 1994 Brigitte P***** auf, für ihn Schecks samt drei Scheckkarten zu verkaufen, wobei sie pro Scheck einen Preis von 700 S verlangen sollte. Die Schecks stammten von der Postsparkasse, der Bank Austria und der "Ersten". Die Scheckkarten lauteten auf eine Frau mit jugoslawischem und zwei Männer mit österreichischem Namen. Brigitte P***** weigerte sich, dem Wunsch nachzukommen. Dem Angeklagten war bewußt, daß er über die fremden Scheckkarten und Schecks nicht verfügen durfte und durch seine Vorgangsweise verhinderte - und auch Brigitte P***** dazu zu bestimmen versuchte - daß diese Urkunden vom rechtmäßigen Besitzer im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes gebraucht werden, fand sich jedoch mit dieser Tatsache ab (US 8).
Zu diesem in den Entscheidungsgründen als rechtsirrig bezeichneten Schuldspruch wurden keine für eine Beurteilung nach § 164 Abs 2 StGB ausreichenden Feststellungen getroffen. Mangels näherer Beschreibung der Schecks ist ihre vom Erstgericht voreilig - im Gegensatz zum (als rechtsirrig bezeichneten) Schuldspruch - verneinte (US 15) Eignung als Objekt eines Diebstahls oder einer Hehlerei derzeit nicht zu beurteilen: Ausgestellte Schecks können Wertträger sein (SSt 54/32), bloße Scheckformulare mangels wirtschaftlicher Bedeutung nicht (SSt 56/34; Leukauf/Steininger Komm3 § 127 RN 6 bis 8). Zudem fehlen Konstatierungen über eine nach § 164 StGB strafrechtlich relevante Herkunft dieser Sachen. Scheckkarten sind in keinem Fall Wertträger (SSt 54/38) und daher nicht hehlereitauglich.
Angesichts der aufgezeigten Feststellungsmängel, die eine Teilkassation erfordern (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, 10 StPO), bedarf die durch den zusätzlichen Vorwurf einer Bestimmung zur Beuteverwertung (II) aktuelle Subsumtionsfrage nach dem Vorliegen einer straflosen Nachtat (Leukauf/Steininger aaO § 28 RN 51, 53) keiner Erörterung.
Der Schuldspruch wegen unbefugten Führens einer Pistole am 11. Oktober 1994 nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG 1996 (V) steht im Widerspruch zur Übergangsvorschrift des § 62 Abs 2 WaffG 1996, wonach das (in der Strafdrohung mildere) WaffG 1986 auf vor dem 1. Juli 1997 verwirklichte Tatbestände weiterhin anwendbar bleibt. Zudem fehlen für die rechtliche Beurteilung des Geschehens ausreichende Konstatierungen (US 10). Denn "Führen" einer Schußwaffe setzt voraus, daß sie der Täter in schußbereitem Zustand oder doch unter Umständen, unter denen sie leicht schußbereit gemacht werden kann, bei sich trägt (12 Os 48/82). Auch diese Mängel des Urteils bewirken Nichtigkeit, die ohne Geltendmachung in der Beschwerde des Angeklagten zu seinen Gunsten von Amts wegen zu beachten ist und auch diesbezüglich zur Anordnung einer neuen Hauptverhandlung führt (§§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10, 290 Abs 1 StPO).
Im verbleibenden Anfechtungsumfang ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht berechtigt.
Mit Hinweisen auf Abweichungen der Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung von Angaben im Vorverfahren vermag der Beschwerdeführer in keinem Punkt Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Das Erstgericht fand die Tendenz von Zeugen, den Angeklagten durch Abschwächung früherer Aussagen zu entlasten, unter Einbeziehung des unmittelbaren persönlichen Eindrucks in der Hauptverhandlung zum Teil durch erhebliche Angst begründet. Demnach wirkte insbesondere Brigitte P***** während der Konfrontation mit dem Angeklagten "unter starkem Druck" stehend. Daneben waren für die Heranziehung der Depositionen bei den polizeilichen Vernehmungen der geringere Zeitabstand zum inkriminierten Geschehen und die Genauigkeit jener Angaben von Bedeutung (US 11 bis 13).
Unter diesen aktenkonformen Gesichtspunkten (vgl S 95, 106, 111/II) läßt das Beschwerdevorbringen an den beanstandeten Feststellungen, die auf polizeilichen Aussagen der Zeugen Brigitte P***** (zu I 1 A, II, III 2 a und b, V), Michael R***** (I 1 B) und Miroslav Ri***** (VI) und in einzelnen Bereichen auf deren Wiederholung vor dem erkennenden Gericht beruhen (S 97, 101 ff, 119, 215/I, 102 ff/II), keine erheblichen Zweifel aufkommen. Mit Einwänden gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen unternimmt der Beschwerdeführer, teils auf rein spekulativer Grundlage, bloß einen unstatthaften Angriff auf die erstrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher im bezeichneten Umfang als offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.
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