OGH 15Os52/00

OGH15Os52/0015.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Juni 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lackner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen El Sayed Abdel Hakim A***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und 3 erster Fall SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. Oktober 1999, GZ 8 Vr 3165/98-73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen, jedoch aus deren Anlass gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, der Angeklagte habe "eine große Suchtgiftmenge (§ 28 Abs 6 SMG) gewerbsmäßig" in Verkehr gesetzt, und in der rechtlichen Unterstellung der zu I. des Ersturteils beschriebenen strafbaren Handlung (auch) als Verbrechen nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG sowie demgemäß im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch die erfolglos gebliebene Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch rechtskräftige Freisprüche enthaltenden) Urteil wurde El Sayed Abdel Hakim A***** (zu I.) des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und 3 erster Fall SMG und (zu II.) des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift

I. in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) wiederholt, teils gewerbsmäßig (§ 70 StGB) in Verkehr gesetzt, indem er von 1993/1994 bis 10. November 1998 an 12 im Urteil namentlich genannte, teilweise noch jugendliche Personen und an weitere unbekannt gebliebene Jugendliche zumindest 600 Gramm Heroin, 30 Gramm Kokain, 2500 Gramm Cannabisprodukte, 15 Stück LSD-Trips, 220 Gramm Amphetamine und 20 Stück Ecstasy-Tabletten teils unentgeltlich, überwiegend jedoch entgeltlich weitergab;

II. von Februar 1989 bis 10. November 1998 erworben und besessen, indem er Heroin, Kokain, Cannabisprodukte, LSD-Trips, Ecstasy-Tabletten und Amphetamine in nicht mehr feststellbaren Mengen konsumierte.

Rechtliche Beurteilung

Die (inhaltlich nur gegen den Schuldspruch I.) vom Angeklagten aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde entbehrt der gesetzmäßigen Ausführung, weil sie nicht vom gesamten subjektiven Tatsachensubstrat ausgeht und nicht auf dessen Basis den Nachweis erbringt, dass dem Erstgericht ein beweismäßig indizierter Feststellungsmangel zum "Vorsatz" des Angeklagten, er habe "den bestehenden Vorschriften zuwider eine große Menge in Verkehr gesetzt", unterlaufen ist.

Abgesehen davon, dass dem Beschwerdeführer im - mit den Gründen eine untrennbare Einheit bildenden - Urteilsspruch (US 2) unmissverständlich vorgeworfen wird, "den bestehenden Vorschriften zuwider" Suchtgift in Verkehr gesetzt (I.), erworben und besessen zu haben (II.), und er sich im Verfahren niemals damit verantwortet hat, etwa auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung, also legal, gehandelt zu haben, kommt in den erstgerichtlichen Feststellungen die vorsätzlich vorschriftswidrige Tätigkeit mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck.

Soweit darüberhinaus prozessordnungswidrig lediglich anhand einzelner, isoliert aus dem Gesamtzusammenhang gelöster Konstatierungsteile gerügt wird, es werde nur die "Willenskomponente" in Bezug auf das Inverkehrsetzen einer großen Menge festgestellt, übergeht die Beschwerde verfahrensvorschriftswidrig, dass der Angeklagte nach dem Urteilssachverhalt (US 7 f) gemäß seinem "Plan und seinem gesamten Tatentschluss" von Anfang 1997 bis März 1998 beinahe täglich Heroin von durchschnittlicher Qualität allein an Michael O***** von insgesamt zumindest 350 Gramm, zusätzlich mindestens 30 Gramm Kokain sowie LSD-Trips und an Cornelia O*****, die zuletzt pro Tag 5 bis 6 Gramm benötigte, mindestens 150 Gramm Heroin und überdies weitere Heroinmengen kostenlos überlassen hat. Bei gebotener, vom Rechtsmittel indes vernachlässigter Beachtung der gesamten Tatsachengrundlage hat das Erstgericht fallbezogen den von der Beschwerde vermissten auf das Inverkehrsetzen einer großen Suchtgiftmenge (vgl auch US 19) gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers (noch) deutlich genug umschrieben (auch wenn es den Terminus "Gesamtvorsatz" bzw "Additionseffekt" - vgl hiezu Foregger/Litzka/Matzka SMG Anm III. 1. zu § 28 - nicht explizit verwendet).

Welche Konstatierungen zur objektiven Tatseite fehlen sollten, bleibt im Dunkeln.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass das erstgerichtliche Urteil bezüglich des Vorwurfs, der Angeklagte habe gewerbsmäßig große Suchtgiftmengen in Verkehr gesetzt, an einem (von keiner der Prozessparteien gerügten, sich zum Nachteil des Beschwerdeführers auswirkenden) materiellen Feststellungsmangel nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO leidet.

§ 28 Abs 3 SMG verlangt, dass die in Abs 2 bezeichnete Tat (anders als § 27 Abs 2 Z 2 SMG) gewerbsmäßig (§ 70 StGB) begangen wird. Dazu muss es dem Täter darauf ankommen (§ 5 Abs 2 StGB), sich durch wiederkehrendes (u.a.) Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge (d.i. die in § 28 Abs 2 SMG bezeichnete Tat) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (Foregger/Litzka/Matzka aaO Anm VIII. 1. zu § 28; 13 Os 8, 11/98).

Da die aufgezeigten (nach der Aktenlage indizierten) Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite vom Obersten Gerichtshof wegen seiner strikten Bindung an die erstgerichtliche Tatsachengrundlage nicht nagetragen werden können und somit insoweit die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung unerlässlich ist, war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hat, von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) im Ausspruch, der Angeklagte habe gewerbsmäßig eine große Suchtgiftmenge in Verkehr gesetzt, und in der rechtlichen Beurteilung dieser Tat als Verbrechen nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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