OGH 4Ob230/00b

OGH4Ob230/00b3.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.

M*****Kommanditgesellschaft, *****, 2. M***** & Co Kommanditgesellschaft, *****, beide vertreten durch Dr. Gottfried Korn und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Barfuß Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1,000.000 S), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 31. Mai 2000, GZ 2 R 171/99b-31, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ein Gesetzesverstoß ist sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn er subjektiv vorwerfbar und geeignet ist, einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Kein sittenwidriges Handeln liegt vor, wenn die Auffassung des Beklagten über die Auslegung der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann. Ist dies der Fall, so kann eine auf dieser Auslegung beruhende Tätigkeit nicht mehr als eine gegen das Anstandsgefühl der betroffenen Verkehrskreise verstoßende Handlung angesehen werden (stRsp ua WBl 1989, 25 - Heizöl-Leicht Avanti 2003;

ÖBl 1992, 268 - Naturfreunde; WBl 1997, 260 - Ungarischer Zahnarzt;

MR 1997, 113 = ÖBl 1998, 9 - SN-Presseförderung; 4 Ob 35/00a uva). Steht (objektiv) die Rechtsauffassung des Beklagten nicht im Gegensatz zu einem klaren Gesetzeswortlaut, zur offenkundigen Absicht des Gesetzgebers oder zu einer feststehenden höchstrichterlichen Judikatur (ÖBl 1994, 213 - Haushaltsübliche Reinigungsarbeiten ua), kommt es nicht weiter darauf an, auf Grund welcher subjektiven Umstände er gerade zu dieser Rechtsauffassung gelangt ist (4 Ob 192/00i).

Die Beklagte hat stets den Standpunkt vertreten, die von ihr in ihrer Hausdruckerei vorgenommenen Tätigkeiten fielen nicht unter die Bestimmungen jener Kollektivverträge und Sonderbestimmungen für das grafische Gewerbe, die vom Bundeseinigungsamt zur Satzung erklärt worden sind. Eine gegenteilige behördliche Entscheidung ist in dieser Frage nicht ergangen. Auf Anfrage hat das Bundeseinigungsamt am 29. 7. 1992 die Ansicht vertreten, die Grafikersatzungen kämen für den Druckbereich der Beklagten dann zur Anwendung, "wenn deren Hausdruckerei regelmäßig geführt wird und von der Art der Produktion her mit einem sonstigen grafischen Betrieb vergleichbar ist". Diese Bedingung (Gleichartigkeit der Arbeitsverhältnisse) sieht die Beklagte - unter anderem gestützt auf zwei im Verfahren eingeholte Rechtsgutachten von angesehenen Universitätsprofessoren für Arbeitsrecht - deshalb nicht verwirklicht, weil sie auf dem Standpunkt steht, ihre Hausdruckerei entspreche nach ihrer Struktur (keine Gewerbeberechtigung erforderlich; keine Entgegennahme von Druckaufträgen Dritter; keine eigene Betriebsabteilung infolge weitestgehender Integration in das übrige Unternehmen hinsichtlich Personalverwaltung, Lohnverrechnung, Einkauf und Telefonanlage) und den angewendeten Arbeitstechniken (Verwendung einer in grafischen Unternehmen unüblichen Druckmaschine für ein Mischverfahren aus Tief- und Hochdruck) nicht solchen graphischen Unternehmen, die den genannten arbeitsrechtlichen Vorschriften unterlägen.

Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage den rechtlichen Schluss gezogen haben, eine allfällige Missachtung arbeitsrechtlicher Vorschriften könne der Beklagten subjektiv nicht vorgeworfen werden, weil deren Auslegung mit guten Gründen vertreten werden könne, liegt darin keine iSd § 502 Abs 1 ZPO wahrzunehmende Verkennung der Rechtslage. Daran ändert auch nichts, dass es sich beim Schreiben des Bundeseinigungsamts vom 29. 7. 1992 um ein "offizielles Behördenschriftstück" handelt, wird doch die darin vertretene Rechtsauffassung der Behörde von einer Bedingung abhängig gemacht, deren Vorliegen die Beklagte mit guten Gründen bestreitet. Auch ist - anders als bei dem der von der Rechtsmittelwerberin zitierten Entscheidung 4 Ob 35/00a zugrundeliegenden Sachverhalt - der behauptete Gesetzesverstoß nicht von der zuständigen Behörde in dem zur Beurteilung dieses Verstoßes vorgesehenen Verfahren verneint worden. Letzlich ist eine bestimmte Rechtsauffassung nicht schon deshalb unvertretbar, weil sie durch im Verfahren eingeholte Rechtsgutachten bestätigt wird.

Schon die (nach den unstrittigen Feststellungen erwiesene) Struktur der Hausdruckerei (keine Gewerbeberechtigung erforderlich; keine Entgegennahme von Druckaufträgen Dritter; weitestgehende Integration in das übrige Unternehmen hinsichtlich Personalverwaltung, Lohnverrechnung, Einkauf und Telefonanlage) erlaubt die ausreichende Beurteilung der Rechtsfrage, ob eine bestimmte Auslegung arbeitsrechtlicher Normen mit gutem Grund vertreten werden konnte; das Berufungsgericht hat deshalb zutreffend eine Verbreiterung der Tatsachengrundlage durch weitere Beweisaufnahmen als unerheblich beurteilt.

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Stichworte