OGH 10ObS246/00z

OGH10ObS246/00z19.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Heinrich Lahounik (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Erwin Macho aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Wolfgang S*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 2000, GZ 8 Rs 85/00d-82, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7. Dezember 1999, GZ 29 Cgs 232/96m-77, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Der Revisionswerber hält an seinem Standpunkt fest, er habe Berufsschutz als angelernter Elektromonteur (= Elektroinstallateur) erworben. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Der Berufsschutz nach § 255 Abs 1 ASVG setzt voraus, dass der Versicherte überwiegend in einem erlernten Beruf tätig war. In einem erlernten Beruf war der Versicherte - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen (vgl § 27a BAG) - aber nur tätig, wenn und nachdem er für den betreffenden Lehrberuf die Lehrabschlussprüfung erfolgreich abgelegt hat (10 ObS 71/99k; SSV-NF 12/12; 3/122; RIS-Justiz RS0052716). Soweit der Revisionswerber demgegenüber meint, das Fehlen eines Lehrabschlusszeugnisses dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, ist ihm entgegenzuhalten, dass das Ziel der im BAG geregelten fachlich-praktischen Ausbildung im Bereich der gewerblichen Berufsausbildung die Lehrabschlussprüfung ist. Zweck der Lehrabschlussprüfung ist es festzustellen, ob sich der Lehrling die im betreffenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse angeeignet hat und in der Lage ist, die dem erlernten Lehrberuf eigentümlichen Tätigkeiten selbst fachgerecht auszuführen (§ 21 Abs 1 BAG). Erst wenn der Ausbildungsstand vom Betreffenden in dieser dafür vorgesehenen Weise nachgewiesen ist, kann vom Vorliegen eines erlernten Berufes im Sinn des § 255 ASVG ausgegangen werden (in diesem Sinne auch Berger/Fida/Gruber, BAG Anm 8 zu § 21). Der erfolgreich abgelegten Lehrabschlussprüfung kommt auch im Gewerberecht, im Dienstrecht der öffentlich Bediensteten sowie in verschiedenen Kollektivverträgen hinsichtlich der Einstufung in bestimmten Lohn- oder Gehaltsgruppen Bedeutung zu (vgl dazu die Aufzählung bei Berger/Fida/Gruber aaO).

Da der Kläger keine Lehrabschlussprüfung abgelegt hat, kommt somit nur noch in Betracht, dass er in einem angelernten Beruf tätig war. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist hiefür entscheidend, dass der Versicherte über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des jeweiligen Berufes in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten (Berufsgruppe) unter Berücksichtigung einer betrieblichen Einschulungszeit verlangt werden. Es reicht allerdings nicht aus, wenn sich die Kenntnisse oder Fähigkeiten nur auf ein Teilgebiet oder mehrere Teilgebiete eines Tätigkeitsbereiches beschränken, der von ausgelernten Facharbeitern allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht wird (SSV-NF 9/96; 7/108; 5/122 jeweils mwN ua). Das Fehlen von einzelnen, nicht zentralen Kenntnissen und Fähigkeiten eines Lehrberufes steht dagegen der Annahme des Berufsschutzes nicht entgegen (SSV-NF 7/108 ua). Während die Lösung der Frage, ob der Versicherte in einem angelernten Beruf tätig war, zur rechtlichen Beurteilung gehört, fallen die Feststellungen der Kenntnisse und Fähigkeiten, über die der Versicherte verfügt, in den Tatsachenbereich (SSV-NF 3/70 mwN ua). Es ist daher der Oberste Gerichtshof an die Feststellung der Tatsacheninstanzen, dass der Versicherte in seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit keine qualifizierten Kenntnisse erworben hat, gebunden (SSV-NF 8/21; 7/88; 4/166 ua). Die Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit vorliegen - hier die Frage, ob Berufsschutz besteht - ist auf Grund der Verhältnisse im Zeitpunkt des durch die Antragstellung auf die begehrte Versicherungsleistung ausgelösten Stichtages vorzunehmen (SSV-NF 3/27; 3/89 uva; RIS-Justiz RS0084509).

Es ist dem Revisionswerber zwar darin zu folgen, dass die Entlohnung des Versicherten als Facharbeiter ein Indiz dafür sein wird, dass der Versicherte keine reinen Hilfsarbeiten durchgeführt hat (vgl 10 ObS 252/92 ua). Entscheidend ist aber, ob der Versicherte über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des jeweiligen Berufes auf dem Arbeitsmarkt verlangt werden. Nach den maßgebenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen fehlen dem Kläger jedoch einfachste praktische und theoretische Fähigkeiten und Kenntnisse eines gelernten Elektroinstallateurs in der derzeitigen Berufspraxis. Er besitzt auch nur sehr mangelhafte Kenntnisse auf dem Gebiet der wesentlichen einschlägigen Installations- und Sicherheitsvorschriften sowie der entsprechenden Schutzmaßnahmen. Die Vorinstanzen haben auch festgestellt, dass das Fehlen dieser für den Lehrberuf eines Elektroinstallateurs zentralen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht auf gesundheitliche Beeinträchtigungen des Klägers infolge von zwei Schlaganfällen zurückzuführen ist. Die Verneinung eines Berufsschutzes des Klägers im Sinn des § 255 Abs 2 ASVG durch die Vorinstanzen erfolgte damit aber zu Recht.

Dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, wie ebenfalls bereits die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, jedenfalls ausreichende Verweisungstätigkeiten gegeben sind, die mit dem festgestellten medizinischen Leistungskalkül vereinbar sind, wird in der Revision nicht in Frage gestellt. Damit liegt aber eine Invalidität im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG nicht vor.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit wurden nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich.

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