Spruch:
Der Rekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 526 Abs 2 ZPO).
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.871,04 S (darin 811,84 S USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin befand sich ab September 1996 beim Beklagten in zahnärztlicher Behandlung. Sie begehrt die Rückzahlung des von ihr für die Behandlung geleisteten Betrags von 23.400 S, Schmerzengeld in Höhe von 25.000 S sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Forderungen aus der ihrer Behauptung nach nicht lege artis durchgeführten Zahnbehandlung. Der Beklagte habe einen ärztlichen Kunstfehler begangen und seine Aufklärungspflicht gegenüber der Klägerin dadurch verletzt, dass er eine Zahnbrücke in einer Ausführungsvariante als unbedingt notwendig empfohlen und angefertigt habe, die sich später als untauglich herausgestellt habe. Der Klägerin seien dadurch unnötige Kosten und Schmerzen entstanden; Spät- und Folgeschäden der Fehlbehandlung (Entfernung von Zähnen, Behandlung von Zahnfleischentzündungen und Karies) seien zu befürchten.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe die Arbeiten ordnungsgemäß durchgeführt und die Klägerin von Anfang an darauf hingewiesen, dass eine optimale statische Ausführung und Haltbarkeit der Brücke im Unterkiefer nur unter Einbeziehung des Zahnes 33 zu erreichen sei; diesen Vorschlag habe die Klägerin abgelehnt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte unter anderem fest, der Beklagte habe die Behandlung fachgerecht durchgeführt und der Beklagten als beste Lösung eine Zahnbrücke unter Einbeziehung des Zahnes 33 empfohlen, was von der Klägerin - trotz Hinweises auf die möglichen Folgen - abgelehnt worden sei. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht daraus, dass dem Beklagten weder eine Fehlbehandlung noch eine ungenügende Aufklärung vorgeworfen werden könne.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 52.000 S übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil jüngere höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob die Übergehung eines Zeugen, der keine unmittelbaren Wahrnehmungen zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt gemacht habe, als Verfahrensfrage oder als Beweisfrage (Nichtaufnahme eines Kontrollbeweises) zu beurteilen sei. Dem Erstgericht sei dadurch ein Verfahrensmangel unterlaufen, dass es den von dieser als Zeuge geführten Gatten der Klägerin nicht vernommen habe. Zwar gestehe die Klägerin selbst zu, dass ihr Gatte während der Gespräche zwischen den Streitteilen nicht anwesend gewesen sei; es stehe der Klägerin aber grundsätzlich frei, auch mittelbare oder indirekte Beweise zu führen, mit deren Hilfe zwar nicht der gesetzliche Tatbestand selbst, aber Hilfstatsachen bewiesen werden könnten, aus denen unter Zuhilfenahme der Erfahrung auf das Vorhandensein der Haupttatsachen geschlossen werden könne. Die Klägerin habe die Einvernahme ihres Gatten auch zum Beweis der Äußerungen und Empfehlungen des Beklagten gegenüber der Klägerin beantragt; die Klägerin habe ihren Gatten nämlich darüber informiert. Damit sei aber dieses Beweismittel nicht schon abstrakt ungeeignet, zur erschöpfenden Erörterung und Beurteilung der Streitsache beizutragen. Der in der Übergehung des Beweisantrags liegende Verfahrensmangel führe zur Aufhebung der Entscheidung, weshalb die Tatsachenrüge in der Berufung nicht weiter zu behandeln sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist entgegen dem - den OGH nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt:
Der Beklagte vertritt den Standpunkt, der von der Klägerin namhaft gemachte Zeuge könne - mangels persönlicher Anwesenheit bei den entscheidenden Gesprächen zwischen den Streitteilen - aus eigener Wahrnehmung nur das berichten, was ihm die Klägerin erzählt habe; seine Aussage sei daher allenfalls zur Überprüfung der Übereinstimmung der damaligen Angaben der Klägerin mit jenen in ihrer Parteienvernehmung geeignet; es liege damit ein Kontrollbeweis vor, dessen Unterlassung keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens begründe.
Kontrollbeweise dienen zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit bereits aufgenommener Beweismittel zum selben Beweisthema oder zum Nachweis für die Unrichtigkeit eines Beweisergebnisses. Darunter fallen etwa Beweise über seinerzeitige Darstellungen von Vorgängen durch eine im Rechtsstreit bereits als Zeugen oder Partei vernommene Person gegenüber anderen Personen (6 Ob 524/85, teilweise abgedruckt in EFSlg 49.403) und Kontrollgutachten (SZ 63/133; 5 Ob 508/96). Die Frage nach der Aufnahme von Kontrollbeweisen gehört in den Bereich der (irrevisiblen) Beweiswürdigung (stRsp ua SSV-NF 5/7; SSV-NF 6/28;
SZ 65/56; 5 Ob 508/96; 4 Ob 355/98d; 4 Ob 297/99a); die Unterlassung der Aufnahme solcher Beweise fällt somit nicht unter den Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (SZ 53/117 mwN;
OLG Wien SVSlg 28.124 und JBl 1985, 437; Fasching IV 311 § 503 ZPO Anm 13 und LB**2 Rz 1910; Fucik, Möglichkeiten und Grenzen der Verfahrensbeschleunigung in Zivilrechtssachen, RZ 1993, 218 ff [221]).
Für den Rechtsmittelwerber ist damit aber noch nichts gewonnen. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichts wegen eines primären Verfahrensmangels (unterlassene Einvernahme des Zeugen Dr. S*****) aufgehoben. Dieser Zeuge wurde - als eines von mehreren Beweismitteln - zu den (Haupt-)Beweisthemen der zwischen den Streitteilen geführten Gespräche und den von der Klägerin erlittenen Schmerzen geführt, die beide maßgebliche anspruchsbegründende Voraussetzungen betreffen. Damit handelt es sich um keinen Kontrollbeweis, weil der Zeuge weder zum Nachweis für die Unrichtigkeit eines Beweisergebnisses noch für die Unglaubwürdigkeit eines Beweismittels geführt worden ist. Dieses Beweismittel ist auch nicht abstrakt ungeeignet, zur Wahrheitsfindung beizutragen. Es ist deshalb dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, verwehrt, dem Auftrag zur Verfahrensergänzung entgegenzutreten oder zu überprüfen, ob die vom Berufungsgericht aufgetragene Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (Kodek in Rechberger ZPO**2 Rz 5 zu § 519 ZPO; JBl 1990, 322; SZ 64/3; JBl 1992, 785 uva).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
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