OGH 8ObA80/00y

OGH8ObA80/00y7.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Krajcsir und Heinrich Dürr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Arbeiterbetriebsrat der I*****gesellschaft, *****, 2. Erich E*****,

3. Alois M*****, 4. Christian Z*****, alle vertreten durch Dr. Georg Freimüller, Univ. Doz. Dr. Alfred J. Noll, Dr. Alois Obereder und Mag. Michael Pilz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Arbeiterbetriebsrat des Betriebes N*****gesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigkeit einer Betriebsratswahl, in eventu Anfechtung einer Betriebsratswahl, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. November 1999, GZ 10 Ra 242/99b-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 2. Juni 1999, GZ 28 Cga 265/98i-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 13.725,-- (darin S 2.287,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger wurde in der in der Zeit vom 8. bis 10. 10. 1997 abgehaltenen Wahl zum Arbeiterbetriebsrat gewählt. Die Zweit- bis Viertkläger sind aufgrund dieser Wahl Mitglieder des Erstklägers. Die Wahl wurde von einer wahlwerbenden Gruppe und einem (ehemals) wahlberechtigten Arbeitnehmer mit Klage angefochten. Die erstinstanzliche Entscheidung in diesem Verfahren steht noch aus.

Der aus der Wahl zunächst als Betriebsratsvorsitzender hervorgegangene Arbeitnehmer wurde mit gerichtlicher Zustimmung von der Dienstgeberin entlassen. Sein Betriebsratsmandat wurde ihm gerichtlich aberkannt. Vorsitzender des Erstklägers ist nunmehr der Zweitkläger. Die Zweit- bis Viertkläger sind als Schlafwagenschaffner tätig. Sie haben ein unmittelbar vor der Betriebsratswahl 1997 von der Betriebsleitung an die Schlafwagenschaffner gerichtetes Angebot in das Angestelltenverhältnis übernommen zu werden, anders als die überwiegende Zahl der Schaffner, nicht angenommen. 25 der 29 im Betrieb beschäftigten Arbeiter sind Reinigungskräfte und Lagerarbeiter.

Seit seiner Wahl hat der Erstkläger keine ordentliche Betriebsgruppenversammlung einberufen. Am 12. 8. 1998 überreichte das vierte Mitglieder des Erstklägers, nunmehr Vorsitzender der Beklagten, dem Vorsitzenden des Erstklägers eine von 18 Dienstnehmern unterschriebene Aufforderung zur Einberufung einer Betriebsgruppenversammlung mit dem Tagesordnungspunkt "Beschlussfassung über die Enthebung des Betriebsrats". Aufgrund dieses Schreibens hielt der Erstkläger eine Sitzung ab, zu welcher der nunmehrige Vorsitzende der Beklagten nicht erschien. Die anwesenden Mitglieder beschlossen der Aufforderung nicht nachzukommen, weil sie gehört hatten, die Unterschriften seien nur über Druck der Firmenleitung geleistet worden.

Daraufhin beriefen das an Lebensjahren älteste Mitglied der Belegschaft und der nunmehrige Vorsitzende der Beklagten eine Betriebsgruppenversammlung ein. Bei der am 30. 10. 1998 abgehaltenen Betriebsgruppenversammlung wurde der Erstkläger mit einer Stimmenmehrheit von 15:1 seines Amtes enthoben und ein Wahlvorstand gewählt. Die Wahl wurde für den 27. 11. 1998 anberaumt. Eine gegen den Wahlvorstand gerichtete Klage des Erstklägers auf Unterlassung der Durchführung dieser Betriebsratswahl wurde mit Urteil vom 24. 11. 1998 abgewiesen. Am 27. 11. 1998 erfolgte die Wahl der Beklagten. Seit diesem Zeitpunkt wird der Erstkläger von der Firmenleitung nicht mehr anerkannt und erhält von der Dienstgeberin keine Informationen mehr. Der Viertkläger wurde am 31. 3. 1998 unter Berufung auf die Beendigung seiner Betriebsratstätigkeit entlassen.

Mit ihrer am 23. 12. 1998 überreichten Klage begehrten die Kläger die Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 27. 11. 1998, allenfalls dass diese Betriebsratswahl für ungültig erklärt werde. Eine Betriebsversammlung könne gemäß § 45 Abs 1 ArbVG nur vom Betriebsrat einberufen werden. Der älteste Dienstnehmer sei für diese Maßnahme nicht zuständig gewesen, sodass in Wahrheit keine Belegschaftsversammlung vorgelegen sei. Die in der Versammlung gefassten Beschlüsse seien nichtig. Der Erstkläger sei bis zum Ablauf seiner Funktionsperiode am 9. 10. 2001 weiterhin rechtmäßiger Belegschaftsvertreter. Die Betriebsratswahl vom 27. 11. 1998 sei auch deshalb rechtswidrig, weil sie gemäß § 10 Abs 2 Betriebsrats-Wahlordnung nicht früher als zwölf Wochen vor Ablauf der Tätigkeitsdauer des bestehenden Betriebsrats hätte abgehalten werden dürfen. Die während der Funktionsperiode des bestehenden Betriebsrats abgehaltene Wahl verletzte elementarste Grundsätze des Arbeitsverfassungsgesetzes und sei daher nichtig. Die Kläger hätten schon deshalb ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit dieser Wahl, weil sie von der Firmenleitung keinerlei Informationen im Sinne der Betriebsverfassung mehr erhalten und ihnen für den Fall der Betätigung als Betriebsräte vom Dienstgeber disziplinäre Sanktionen angedroht worden seien. Sollte das Gericht zu der Ansicht gelangen, dass die Verstöße gegen die Wahlgrundsätze nicht den Grad der Nichtigkeit erreichen, werde die Betriebsratswahl eventualiter innerhalb offener Monatsfrist angefochten.

Der Beklagte wendete dagegen ein, dass der Erstkläger die Interessen der Belegschaft in keiner Weise vertreten, insbesondere seit seiner Wahl im Oktober 1997 keine ordentliche Betriebsgruppenversammlung einberufen habe. Die Kläger hätten die Aufforderung vom 12. 8. 1998 zur Einberufung einer Betriebsversammlung deshalb ignoriert, weil sie ihre Abwahl befürchteten. Sie seien der ihnen gemäß § 43 Abs 2 ArbVG obliegenden Verpflichtung zur Einberufung der Betriebsversammlung binnen 14 Tagen nicht nachgekommen, sodass sich der Erstkläger in dieser Hinsicht als funktionsunfähig erwiesen habe. Sei der Betriebsrat beschlussfähig, nehme jedoch entgegen bestehender gesetzlicher Verpflichtung keine Einberufung vor, dann sei eine sogenannte "vorübergehende Handlungsunfähigkeit" gegeben, welche mit der vorübergehenden Funktionsunfähigkeit vergleichbar sei. Es bestehe dann das subsidiäre Einberufungsrecht gemäß § 45 Abs 2 ArbVG, weil es aus dem Blickwinkel der Belegschaft keinen Unterschied mache, ob der Betriebsrat vorübergehend funktionsunfähig sei, oder einer ihn treffenden Rechtspflicht nicht nachkomme. Nach dem Sinn der Regelung sei im letzteren Fall die analoge Anwendung des § 45 Abs 2 ArbVG gerechtfertigt. Die Funktionsperiode des Erstklägers habe daher am 30. 10. 1998 geendet, weshalb die Kläger nicht aktiv legitimiert seien.

Das Erstgericht stellte fest, dass die Betriebsratswahl vom 27. 11. 1998 nichtig sei. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, dass die bloße Unwilligkeit des Betriebsrats nicht mit dessen vorübergehender Funktionsunfähigkeit gleichgesetzt werden dürfe. Auch sei der Erstkläger nicht untätig geblieben, sondern habe nach Erhalt der Aufforderung eine Betriebsgruppenversammlung einzuberufen den Beschluss gefasst, dieser Aufforderung nicht nachzukommen. Die Betriebsgruppenversammlung vom 30. 10. 1998 sei daher von einem dafür nicht zuständigen Organ einberufen worden; die von ihr gefassten Beschlüsse seien ungültig. Da der Erstkläger im Zeitpunkt der Betriebsratswahl am 27. 11. 1998 weiterhin bestanden habe, sei die Wahl, durch die bewusst in die Funktionsperiode des bestehenden Betriebsrats eingegriffen worden sei, nichtig iSd § 60 ArbVG. Dies gelte auch für den Fall, dass die Wahl der Erstklägerin angefochten worden sei. Das Feststellungsinteresse der Kläger ergebe sich aus ihrer Organstellung sowie aus dem Umstand, dass sie die Firmenleitung nicht mehr als rechtmäßige Belegschaftsvertretung ansehe. Bleibe der Betriebsrat untätig, stehe es jedem Arbeitnehmer frei, die Einberufung der Betriebsversammlung bei Gericht zu begehren. Dieses Urteil könne sodann im Wege der Ersatzvornahme exekutiv durchgesetzt werden.

Mit dem angefochten Urteil gab das Gericht zweiter Instanz der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, dass gegen eine Verletzung der im § 43 Abs 2 ArbVG normierten Pflicht zur Einberufung einer Betriebsversammlung nur Abhilfe durch gerichtliche Entscheidung gesucht werden könne. Eine wirksame Enthebung des Erstklägers habe daher in der von einem unzuständigen Organ einberufenen Betriebsversammlung nicht erfolgen können. Der bewusste Eingriff in die Funktionsperiode des Erstklägers ziehe die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 27. 11. 1998 nach sich.

Rechtliche Beurteilung

Die gemäß § 46 Abs 3 Z 2 ASGG jedenfalls zulässige Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Zur Aktivlegitimation der Kläger ist vorerst darauf zu verweisen, dass über die Klage auf Anfechtung der Wahl des Erstklägers - wie der Oberste Gerichtshof erhoben hat - bislang noch nicht erstinstanzlich entschieden wurde. Im Fall der Anfechtung einer Betriebsratswahl trifft das Gericht eine rechtsgestaltende Entscheidung; bis zu dieser bleibt der Betriebsrat bestehen, seine Funktionsperiode ist daher weiter aufrecht. Er kann daher ohne Rücksicht auf die Anfechtung seine Tätigkeit in vollem Umfang aufnehmen. Erst ab Ungültigerklärung der Wahl, die die Tätigkeitsdauer des Betriebsrats gemäß § 62 Z 5 ArbVG vorzeitig beendet, können wirksame Rechtshandlungen nicht mehr vorgenommen werden. Dabei wird gemäß § 61 Abs 1 ASGG das der rechtsgestaltenden Anfechtungsklage stattgebende Urteil des Gerichtes erster Instanz, mit dem die Betriebsratswahl für ungültig erklärt wird, wirksam, sodass nicht die rechtskräftige Beendigung des Anfechtungsverfahrens abgewartet werden muss (ArbSlg 11.530; 9 ObA 2187/96z; SZ 70/94). Mangels Vorliegens einer erstinstanzlichen Entscheidung erübrigt es sich daher auf die Bestimmung des § 61 Abs 2a ArbVG einzugehen, wonach im Falle der erstinstanzlichen Ungültigerklärung einer Wahl aufgrund Anfechtung nach § 59 Abs 1 ArbVG unter anderem die Einberufung der Betriebsgruppenversammlung nach der Bestimmung des § 45 Abs 2 ArbVG zu erfolgen hat.

Des weiteren ist vor Eingehen in die Sache selbst die Tatsache einer Würdigung zu unterziehen, dass das Erstgericht nicht gemäß § 62 Abs 2 ASGG vorgegangen ist. Nach dieser Bestimmung ist in Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 2 ASGG, die nicht namentlich bestimmte Arbeitnehmer betreffen, außer den Zustellungen an die Parteien auch die Bekanntmachung des Gegenstandes der Rechtsstreitigkeit sowie des Termins der ersten Tagsatzung vorzunehmen. Die Bekanntmachung ist unter den im Gesetz weiters genannten Bedingungen durch einen Gerichtsbediensteten in dem Betrieb anzuschlagen auf den sich die Rechtsstreitigkeit bezieht. Unter den vom Gesetz genannten "anderen Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 2" ASGG sind unter anderem Rechtsstreitigkeiten über die Anfechtung einer Wahl und über die Feststellung der Nichtigkeit einer Wahl zu verstehen (Kuderna ASGG2 409). § 62 Abs 1 ASGG ordnet an, dass dann wenn Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 2 ASGG namentlich bestimmte Arbeitnehmer betreffen, die nicht Partei sind, diesen die Klage und die Ladung zur ersten Tagsatzung zuzustellen ist. Die Rechtskraft der in diesen Streitigkeiten ergehenden Urteile sowie die Wirkungen nach § 61 ASGG erstrecken sich auch auf diese namentlich bestimmten Arbeitnehmer. Eine gleichartige Bestimmung über die Rechtskrafterstreckung findet sich in dem bereits zitierten Abs 2 dieser Gesetzesstelle nicht. Kuderna aaO 410 führt dazu aus, dass es nicht erforderlich erschien, im Gesetz ausdrücklich zu sagen, Urteile in Rechtsstreitigkeiten nach § 62 Abs 2 ASGG wirkten gegenüber jedermann. Derartige Urteile äußerten, da sie sich Kraft des ihnen zugrundeliegenden materiellen Rechtsverhältnisses auf einen nicht mit individuellen Merkmalen umschriebenen Personenkreis beziehen, allgemeine Rechtskraft- bzw Tatbestandswirkung. Dies bedeute, dass etwa ein Urteil mit dem eine Betriebsratswahl für ungültig erklärt werde, nicht nur im Verhältnis zwischen den Prozessparteien, sondern auch im Bezug auf die gesamte Belegschaft des betreffenden Betriebes und auf den Betriebsinhaber wirke. Der Autor verweist zwar darauf, dass die Erstreckung der Wirkung einer Entscheidung auf Personen, die in dem Verfahren nicht Partei sind, voraussetze, dass diesen im Verfahren ihr rechtliches Gehör gewährleistet ist, kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Unterlassung des Anschlages der Bekanntmachung oder eine den Bestimmungen nicht entsprechende Bekanntmachung keine Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO begründe, weil das Gesetz darüber und über die Erstreckung der Rechtskraftwirkung keine Bestimmung enthalte. Die zitierte Nichtigkeitsvorschrift habe nur die Zustellungen an die Prozessparteien nicht aber an die materiell Betroffenen im Auge. Eine Unterlassung oder nicht gehörige Bekanntmachung bleibe ohne Rückwirkung auf dem Prozess. Demgegenüber vertritt Fasching (LB2 Rz 2293) die Ansicht, die Unterlassung des Anschlages müsse wohl den Intentionen des Gesetzes folgend, einen Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO bilden. Mit diesem Problemkreis hat sich auch Schima ("Streitigkeiten aus der Betriebsverfassung und ASGG [Teil II]", JBl 1989, 419) auseinandergesetzt. Er behandelt vor allem unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK kritisch die These Kudernas vom Eintritt der allseitigen Rechtskraftwirkung, gesteht jedoch zu (aaO S 429), dass bei dem einer Wahlanfechtungsklage stattgebenden Urteil die Gestaltungswirkung dazu führe, dass jedermann die durch das Urteil bewirkte Umgestaltung der Rechtslage als "Tatsache im Rechtssinn" gegen sich geltend lassen müsse und neuerliche Anfechtungsklagen abzuweisen seien. Er verweist weiters darauf, dass das rechtliche Gehör immer dann gewahrt erscheine, wenn der Betriebsrat oder ein sonstiges gewähltes Belegschaftsorgan im Verfahren auftritt, weil dieses zur umfassenden Vertretung und insbesondere zur Wahrung der Belegschaftsinteressen verpflichtet sei (aaO S 431). Zur generellen Problematik einer allgemeinen Rechtskrafterstreckung selbst bei Einhaltung der im § 62 Abs 2 ASGG normierten Vorgangsweise muss hier nicht abschließend Stellung genommen werden, weil die Befugnisse der Belegschaft durch die Organe der Arbeitnehmerschaft ausgeübt werden (vgl hiezu auch Kostka, "Die Parteifähigkeit im Rechtsstreit über Beschlüsse der Betriebsversammlung ....", ZAS 1988, 145) und ein bestehender Interessengegensatz (vgl Schima aaO S 431) im hier zu entscheidenden Fall schon dadurch überbrückt wird, dass sich die Vertreter der divergierenden Interessentengruppen gegenüberstehen. § 60 letzter Satz ArbVG normiert, dass das Urteil des Gerichts über die Nichtigkeit der Wahl bindende Wirkung habe. Damit wird ähnlich § 163b ABGB ("Die Feststellung der Vaterschaft wirkt gegenüber jedermann") die zumindest für alle Behörden (Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht4 Bd I, 74) geltende generelle Bindungskraft des Nichtigkeitsurteils normiert. Die unterlassene Bekanntmachung der Klage und des Verhandlungstermins durch das Erstgericht blieb daher hier auf den Lauf des Verfahrens ohne Einfluss.

In der Sache selbst ist zu erwägen:

Das Arbeitsverfassungsgesetz hat im zweiten Hauptstück der Gemeinschaft der Arbeitnehmer eines Betriebes oder Unternehmens eine rechtliche Organisation verliehen und diese Gemeinschaft mit bestimmten betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen ausgestattet. Die Belegschaft ist der materielle Träger dieser Befugnisse. Sie ist aber für sich allein nicht handlungsfähig. Sie gewinnt ihre Handlungsfähigkeit und nur durch die Errichtung der im Gesetz (§ 40 ArbVG) genannten Organe. Der Betriebsrat ist der im Gesetz vorgeschriebene direkte Vertreter der Belegschaft. Die der Arbeitnehmerschaft zustehenden Befugnisse werden, soweit nicht anderes bestimmt ist, durch die Betriebsräte ausgeübt. Der Betriebsrat ist der direkte Vertreter der Belegschaft, der gemäß § 53 Abs 1 ASGG parteifähig ist und somit im Prozess als selbständiger Träger von Rechten und Pflichten im eigenen Namen auftritt (vgl jüngst: Kuderna, Über die rechtliche Problematik der Vertretung der Arbeitnehmerschaft in Betrieben aufgrund privatautonomer Gestaltung, DRdA 2000, 103). Der Betriebsrat ist als Entscheidungsträger demokratisch legitimiert. Das Repräsentationsprinzip bei mittelbarer Demokratie muss auch bei Betriebsratswahlen nicht nur in persönlicher sondern auch in zeitlicher Hinsicht gewahrt werden. Dem dient die gesetzliche Festsetzung einer Tätigkeitsdauer des Betriebsrats (§ 61 Abs 1 ArbVG) und die Sollvorschrift des § 10 Abs 2 BRWO, dass der Wahlvorstand nicht früher als 12 Wochen vor Ablauf der Tätigkeitsdauer gewählt werden soll (ArbSlg 10.866). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass bei Missachtung der Funktionsperiode des bisherigen Betriebsrats durch Wahl eines neuen Betriebsrats diese Wahl als den elementarsten Grundsätzen einer Wahl widersprechend als absolut nichtig zu qualifizieren ist (ArbSlg 8.322; SZ 63/104; ArbSlg 10.867; ZAS 1994, 158; SZ 68/86 ua). Die Wahl muss in einem derartigen Fall schon deshalb als nichtig beurteilt werden, um Kollisionen zwischen gültigen Rechtshandlungen von zwei Betriebsräten zu vermeiden (ArbSlg 10.866).

Die dargestellte Rechtsprechung zur Nichtigkeit von Betriebsratswahlen wird von den Verfahrensparteien nicht in Frage gestellt. Fraglich ist jedoch, ob die Funktionsperiode des Erstklägers iSd § 42 Abs 1 Z 4 ArbVG (Beschlussfassung der Betriebs-(gruppen-)versammlung über die Enthebung des Betriebsrats) vorzeitig endete. Gemäß § 45 Abs 1 ArbVG ist die Betriebs-(gruppen-)versammlung vom Betriebsrat einzuberufen. Nur wenn kein Betriebsrat besteht oder dieser vorübergehend funktionsunfähig ist, so sind gemäß Abs 2 der genannten Gesetzesstelle zur Einberufung berechtigt, der an Lebensjahren älteste Arbeitnehmer oder mindestens so viele Arbeitnehmer als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind (Z 1), in Betrieben, in denen dauernd mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind, eine zuständige freiwillige Berufsvereinigung oder die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer, wenn die nach Z 1 zur Einberufung Berechtigten diese trotz Aufforderung innerhalb von zwei Wochen nicht vornehmen (Z 2). Der Beklagte vertritt nun die Ansicht, der Erstkläger sei deshalb als vorübergehend funktionsunfähig anzusehen gewesen, weshalb der an Lebensjahren älteste Arbeitnehmer zur Einberufung der Betriebsversammlung berechtigt gewesen sei, weil der Erstkläger trotz Aufforderung gemäß § 43 Abs 2 ArbVG keine außerordentliche Betriebsversammlung einberufen habe. Der Sinn des Gesetzes erfordere es § 45 Abs 2 ArbVG auch in jenen Fällen analog anzuwenden in denen der Betriebsrat, seine Abwahl fürchtend, untätig bleibe. Zu dieser Frage führt Schwarz (in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG, Bd II, 201 und 212) aus, dass bei Bestehen eines Betriebsrats das Einberufungsrecht auch dann nicht auf andere Personen als den Vorsitzenden des Betriebsrats übergehe, wenn dieser untätig bleibe. Jeder (in der Betriebsversammlung) stimmberechtigte Arbeitnehmer könne in einem derartigen Fall bei Gericht die Einberufung der Betriebsversammlung begehren. Eine ersatzweise Einberufung der Betriebsversammlung durch das Gericht sei zwar im Gesetz selbst nicht vorgesehen, könne aber im Weg der Exekution einer rechtskräftigen Entscheidung im Wege der Ersatzvornahme durch das Exekutionsgericht angeordnet werden. Diese Ansicht vertritt auch Floretta (in Floretta/Strasser, KommZ ArbVG 274), welcher die Antragsteller aufgrund des damals in Geltung gestandenen § 157 Abs 1 Z 2 ArbVG auf die Anrufung des Einigungsamtes verweist, das dem Betriebsrat mittels Bescheides den Auftrag, die Betriebsversammlung mit der verlangten Tagesordnung abzuhalten, zu erteilen habe. Mit diesen beiden Lehrmeinungen setzten sich in jüngerer Zeit drei Autoren auseinander: Wolff ("Die subsidiäre Einberufung von Betriebsversammlungen", ecolex 1999, 640) legt dar, dass die "vorübergehende Funktionsunfähigkeit" dem Fall der rechtswidrigen Weigerung gleiche. In beiden Fällen sei die Belegschaft von der Möglichkeit abgeschnitten in der Betriebsversammlung ihre politischen Kontrollrechte auszuüben. Dass der Gesetzgeber diese beiden gleichgelagerten Fälle differenzierend habe regeln wollen, könne ihm nicht unterstellt werden. Auch Stärker ("Wer kann Betriebsversammlungen einberufen?", ecolex 2000, 304) vertritt die Ansicht, dass vieles dafür spreche, der Betriebsrat solle seine Abberufung durch das zweite Belegschaftsorgan nicht dadurch verhindern können, dass er einfach die Einberufung verweigere. Der Zweck des Gesetzes liege darin, die Einberufung der Betriebsversammlung in all jenen Fällen zu sichern, in denen aus faktischen Gegebenheiten - wie beispielsweise der vorübergehenden Funktionsunfähigkeit des Betriebsrats, aber auch wegen der Weigerung, die Betriebsversammlung einzuberufen - eine Einberufung nicht erfolge. Ausgehend von diesem Gesetzeszweck biete sich die Analogie zu § 45 Abs 2 ArbVG geradezu an, sodass auch bei dem hier vorliegenden Sachverhalt die dort normierte Rechtsfolge der Einberufung durch den ältesten Arbeitnehmer greife. Demgegenüber vertritt Obereder ("Zur Zulässigkeit von 'wilden' Betriebsversammlungen", ecolex 1999, 840) die These, der Begriff der "Funktionsunfähigkeit" orientiere sich ausschließlich an der Handlungsfähigkeit des Betriebsrats, wobei dessen Beschlussfähigkeit iSd § 68 Abs 1 ArbVG besondere Bedeutung zukomme. Funktionsfähigkeit oder Funktionsunfähigkeit des Betriebsrats sei demnach eine Frage der rechtlichen Möglichkeit, einen Willen zu bilden und danach zu handeln. Eine Gesetzeslücke liege im Fall der Verweigerung gesetzmäßigen Verhaltens durch den Betriebsrat nicht vor, weil zur Durchsetzung des Rechts auf Einberufung einer Betriebsversammlung den Arbeitnehmern die Möglichkeit der Anrufung des Gerichts zur Verfügung stehe.

Vorweg ist - entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsmeinung - klarzustellen, dass der in § 45 Abs 2 ArbVG verwendete Begriff "funktionsunfähig" mit jenem des § 62 Z 2 ArbVG ident ist und der Unterschied lediglich in der zeitlichen Dauer liegt, weil das subsidiäre Einberufungsrecht des § 45 Abs 2 ArbVG bei vorübergehender Funktionsunfähigkeit eintritt, während die Tätigkeitsdauer des Betriebsrats gemäß § 62 Z 2 ArbVG nur dann vorzeitig beendet wird, wenn er dauernd funktionsunfähig geworden ist. § 62 Z 2 ArbVG nennt als Beispiel der dauernden Funktionsunfähigkeit des Betriebsrates das Absinken der Zahl der Mitglieder unter die Hälfte der in § 50 Abs 1 ArbVG festgesetzten Mitgliederzahl. Damit nimmt das Gesetz Bezug auf § 68 Abs 1 ArbVG wonach der Betriebsrat dann beschlussfähig ist, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. In seiner Entscheidung SZ 67/59 hat der Oberste Gerichtshof Funktionsunfähigkeit des aus zwei Mitgliedern bestehenden Betriebsrats auch dann angenommen, wenn die Mitgliederzahl auf die Hälfte, also auf ein Mitglied, absinkt und in diesem Zusammenhang Beschlussunfähigkeit und Funktionsunfähigkeit gleichgesetzt. In der Lehre wurde die Frage der dauernden Funktionsunfähigkeit des Betriebsrats insbesondere im Zusammenhang mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. 11.1978, 1280/77, über den nachträglichen Wegfall der Betriebseigenschaft diskutiert. Wie Schrammel in ZAS 1979, 186 darstellt, vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass die Aufzählung in § 62 ArbVG zwar nur demonstrativ sei, dass aber nur solche Sachverhalte zu einer vorzeitigen Beendigung der Tätigkeitsdauer führen könnten, die den in den Z 1 bis 6 genannten vergleichbar seien. Der Autor fügt hinzu, dass der Bestimmung des § 62 Z 2 ArbVG in der Tat nur solche Sachverhalte unterstellt werden könnten, die eine Funktionsunfähigkeit des Betriebsrats bewirkten (aaO S 187). Spielbüchler in DRdA 1979, 203 verweist darauf, dass das in § 62 Z 2 ArbVG angeführte Sinken der Mitgliederzahl des Betriebsrates ein Beispiel nur für die dauernde Funktionsunfähigkeit des Betriebsrates darstelle. Diesen Beispielen könnten nur solche Sachverhalte gleichgestellt werden, die eine Funktionsunfähigkeit des Betriebsrats bewirkten (aaO S 206). Grießer ("Untergang des Betriebsrates im Kleinstbetrieb?", RdW 2000/259) beschäftigt sich ebenfalls mit diesem Problemkreis und verneint die Analogiefähigkeit des § 62 ArbVG, weil gerade bei einem Verlust von Rechten keine extensive Gesetzesauslegung stattfinden solle. Der Rechtsanwender müsse sich in erster Linie auf den Gesetzestext verlassen können, sodass dessen Korrektur aus rechtstheoretischen Überlegungen den Ausnahmefall darstellen solle. Wenngleich die drei Autoren in der Behandlung des in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen gestellten - hier jedoch nicht weiter zu untersuchenden - Rechtsproblems zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, stimmen sie doch darin überein, dass der Begriff der Funktionsunfähigkeit nicht erweiternd auszulegen ist.

Für die vom Beklagten gewünschte Analogie lassen sich auch sonst aus dem Gesetz keine Anhaltspunkte gewinnen. Entgegen seiner Ansicht hat der Gesetzgeber pflichtwidriges Handeln von Belegschaftsorganen durchaus bedacht und im Gesetz darauf Rücksicht genommen. § 67 Abs 3 ArbVG regelt ausdrücklich den Fall, dass der (die) Vorsitzende des Betriebsrats seiner (ihrer) Verpflichtung zur Einberufung des Betriebsrats nicht nachkommt. In diesem Fall hat das Gericht auf Antrag eines Drittels der Betriebsratsmitglieder, mindestens jedoch zweier Mitglieder, die Sitzung unter sinngemäßer Anwendung des § 92 Abs 2 ASGG anzuordnen. Gegen diesen Beschluss des Gerichts erster Instanz ist kein Rechtsmittel zulässig. In seiner Entscheidung SZ 62/158 hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass diese gesetzliche Antragslegitimation einen weitergehenden Rechtsschutz des einzelnen Betriebsratsmitgliedes nicht ausschließe. Das überstimmte Betriebsratsmitglied könne in Angelegenheit der Geschäftsführung des Betriebsrates geltend machen, dass der (mehrheitlich) gefasste Beschluss wegen schwerwiegender Verfahrensmängel nichtig sei. Der Oberste Gerichtshof verweist in dieser Entscheidung auch ausdrücklich auf die Bestimmung des durch das ASGAnpG, BGBl 1986/563, aufgehobenen § 157 Abs 1 Z 2 ArbVG, wonach die Einigungsämter über Antrag eines hiezu Berechtigten unter anderem Entscheidungen in Streitigkeiten zu fällen hatten, über die Bestellung und die Geschäftsführung sowie die Beendigung der Funktion der Organe der Arbeitnehmerschaft. Die früher im § 157 ArbVG geregelten Angelegenheiten fallen nunmehr im Sinn der umfassenden Generalklausel des § 50 Abs 2 ASGG in die Kompetenz der Arbeits- und Sozialgerichte (SZ 62/158; Strasser/Jabornegg, ArbVG3, 709). Der materiell rechtliche Inhalt der Bestimmungen blieb unverändert (AB 1106 BlgNR 16. GP).

Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Frage der Einberufung von Betriebsversammlungen durch den Betriebsrat dessen Geschäftsführung betrifft, sodass gegen das rechts- und pflichtwidrige Verhalten des Erstklägers jedenfalls die Anrufung des Gerichts offenstand. Der mit dem Repräsentationsprinzip der Betriebsverfassung nicht im Einklang stehende, von der Beklagten gewünschte Analogieschluss ist daher auch deshalb unzulässig, weil das behauptete Rechtschutzdefizit nicht besteht.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 58 Abs 1 ASGG, §§ 50, 41 ZPO.

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