OGH 1Ob207/00y

OGH1Ob207/00y29.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Alexander B*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Christian M*****, wegen 1.892 S sA infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 12. Juli 2000, GZ 22 R 451/97y-113, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er durch folgenden Ausspruch ergänzt wird:

"Die Haftstrafe ist nur so weit zu vollziehen, als nicht der Bestrafte die ausständige Geldstrafe erlegt oder Zahlung durch öffentliche Urkunde nachweist."

Text

Begründung

Das Landesgericht Wels wandelte die von ihm über den Kläger mit Beschluss vom 17.12.1997 verhängte Ordnungsstrafe von 5.000 S gemäß § 220 Abs 3 ZPO in eine Haftstrafe von 2 Tagen um, weil die Geldstrafe nach einer Mitteilung der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Linz vom 18.5.2000 (Einlangen) "wegen Uneinbringlichkeit gelöscht" wurde. Ferner sprach es die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof aus.

Der Rekurs des Klägers ist zulässig; er ist teilweise auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 220 Abs 3 ZPO ist die Geldstrafe im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Bestraften in Haft im Höchstausmaß von 10 Tagen umzuwandeln. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist für diese Umwandlung jenes Gericht zuständig, das die Geldstrafe verhängte, also etwa auch ein Gericht zweiter Instanz (1 Nd 8/98 mwN).

2. Nach der im Verlauf dieses Rechtsstreits ergangenen Entscheidung 1 Ob 235/97h kommt der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 1 ZPO bei Verhängung einer Ordnungs- oder Mutwillensstrafe nicht zum Tragen, weil Entscheidungsgegenstand nicht der Klageanspruch als geldwerte Leistung ist, sondern die Tatsache der Bestrafung, die einen Verweis beinhaltet und eine Missbilligung zum Ausdruck bringt.

Der Rekurs gegen den Beschluss eines Gerichts zweiter Instanz, von dem eine solche Geldstrafe verhängt wurde, ist somit unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstands der Rechtssache, in der der Beschluss erging, von der Höhe der Ordnungs- oder Mutwillensstrafe und vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nach § 528 Abs 1 ZPO zulässig.

Was für die Verhängung einer Ordnungsstrafe in Geld gilt, muss in gleicher Weise für deren Umwandlung in eine Haftstrafe gelten. Es ist daher auch der angefochtene Umwandlungsbeschluss des Gerichts zweiter Instanz anfechtbar (Gitschthaler in Rechberger, ZPO2 § 220 Rz 6 und 14).

3. Der Kläger wendet ein, "die Verhängung einer Haftstrafe auf Grund einer Ordnungsstrafe" widerspreche "dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit", weshalb § 220 Abs 3 ZPO verfassungswidrig sei.

Der erkennende Senat sprach bereits in der dem Kläger bekannten Entscheidung 1 Nd 8/98 aus, dass gegen § 220 Abs 3 ZPO keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Die Ordnungsstrafgewalt österreichischer Gerichte falle nicht unter Art 6 EMRK und die dort genannten Verfahrensgarantien. Das stehe im Einklang mit der überwiegenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die Haft als Strafe für zivilverfahrensrechtliche "Delikte" finde ihre zureichende Grundlage in den Bestimmungen des Art 5 Abs 1 lit a EMRK und des Art 2 Abs 1 Z 1 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG), wonach die Freiheit einem Menschen unter anderem dann entzogen werden dürfe, wenn er nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht rechtmäßig in Haft gehalten wird.

Daran ist festzuhalten. Daraus folgt aber die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des angefochtenen Umwandlungsbeschlusses.

4. Der Kläger ist weiters der Ansicht, die feststehende Uneinbringlichkeit der Geldstrafe sei mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die Umwandlung der Geldstrafe in eine Haftstrafe nicht gleichzusetzen. Überdies wäre - wie in der Entscheidung 1 Nd 8/98 - auszusprechen gewesen, dass die Haftstrafe durch Bezahlung der Geldstrafe abgewendet werden könne.

Die Umwandlung einer Geld- in eine Ersatzfreiheitsstrafe ist dann zulässig, wenn der Bestrafte "derzeit zahlungsunfähig" ist (SZ 44/117).

Der Kläger behauptete in seinem Vermögensbekenntnis zur Erlangung der Verfahrenshilfe vom 18.2.1999 (ON 88), über kein Einkommen zu verfügen, für seine Wohnung an Betriebskosten etwa 1.500 S monatlich zahlen zu müssen und Unterhaltspflichten für fünf Kinder im Betrag von insgesamt 21.200 S monatlich zu haben. Die Unterhaltsrückstände beliefen sich auf rund 700.000 S. Seiner geschiedenen Ehegattin schulde er 2,3 Mio S. Ferner habe er Verbindlichkeiten von etwa 2,5 Mio S für den "Hausbau". Das Haus gehe "praktisch zur Gänze an die geschiedene Frau". Bargeld habe er rund 500 S. Der Stand auf seinem Bankkonto betrage etwa 2.000 S. Begünstigter einer Ablebensversicherung (Versicherungssumme 148.000 S) sei ein Dritter.

Nach dem Inhalt des weiteren Vermögensbekenntnisses vom 8.3.2000 (ON 110) hat sich an der Einkommenslage des Klägers nichts geändert: Er habe kein Bankkonto und keine Lebensversicherung mehr und verfüge über Bargeld von etwa 700 S. Sein Schuldenstand habe sich - verglichen mit dem Vermögensbekenntnis vom 18.2.1999 - noch erhöht. Angesichts dieser Einkommens- und Vermögenslage nimmt es nicht wunder, dass die Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Linz dem Erstgericht am 18.5.2000 (ON 111) die Löschung der Geldstrafe "wegen Uneinbringlichkeit" mitteilte. Im Lichte solcher Tatsachen ist der Kläger als "derzeit zahlungsunfähig" anzusehen, weshalb die Geldstrafe vom Gericht zweiter Instanz rechtmäßig in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt wurde.

Dem Kläger ist jedoch zuzugestehen, dass der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe der gleichen Einschränkung unterliegt, wie sie schon in der Entscheidung 1 Nd 8/98 verdeutlicht wurde. Demnach ist die Haft nur so weit zu vollziehen, als die Leistung der Geldstrafe endgültig unterbleibt. Der angefochtene Beschluss ist somit durch einen derartigen Ausspruch zu ergänzen.

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