OGH 7Ob163/00x

OGH7Ob163/00x26.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Werner S*****, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde V*****, vertreten durch Dr. Peter Semlitsch und Dr. Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, wegen S 250.000,-- sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 6. April 2000, GZ 4 R 44/00y-41, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29. November 1999, GZ 39 Cg 44/98i-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.195,-- (darin enthalten S 2.032,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 17. 4. 1992 beauftragte die beklagte Partei den Historiker Prof. S***** mit der Verfassung einer Chronik "Geschichte der Stadt V*****", die anlässlich der 750 Jahrfeier der Stadt V***** im Jahr 1995 bis 1. 11. 1994 erstellt werden sollte. Die Beklagte lud den Kläger ein, die Produktion der Chronik zu übernehmen. Das darauf vom Kläger gemachte Anbot, die Chronik mit einer Auflage von 2000 Stück zu einem Preis von S 594.000,-- zuzüglich Mehrwertsteuer zu verlegen, nahm die Beklagte mit Schreiben vom 12. 11. 1992 an, ohne dass ein Liefertermin vereinbart wurde. Vom Autor, den er zur Klärung von Detailfragen hinsichtlich des Layouts, der Ausstattung und des Umfanges des Buches kontaktierte, wurde der Kläger dahin informiert, dass die Chronik im Jubiläumsjahr 1995 fertig sein müsse. Im Zuge seiner Recherchen kam Prof. S***** allerdings zum Ergebnis, dass die Stadtgemeinde V***** im Jahr 1995 noch keine 750 Jahre lang bestünde. Er teilte dies dem Kläger mit; er werde dies auch in der Chronik offenlegen. In der Folge geriet die Weiterführung der Arbeiten ins Stocken. Der Kläger wurde davon nicht informiert. Zwischen ihm und dem Autor kam es zwischen Herbst 1993 und Mitte 1995 zu keinem wesentlichen Kontakt mehr. Die Verzögerung der Verfassung der Chronik über das Jubiliäumsjahr 1995 hinaus wurde von der Beklagten akzeptiert; sie wollte die Chronik auch noch später veröffentlichen. Der Kläger wurde von Prof. S***** im Jahr 1995 informiert, dass die Chronik erst nach dem Jubiläumsjahr veröffentlicht werde. Auf seine Anfrage bei der Beklagten, wann die Produktion des Buches beginnen sollte, teilte diese dem Kläger mit Schreiben vom 17. 1. 1996 mit, dass an der Chronik kein Interesse mehr bestehe. In weiterer Folge verstarb Prof. S*****, ohne die Chronik verfasst zu haben.

Der Kläger, der sich durch das Unterbleiben der Buchproduktion S 227.900,-- an Fremdleistungen und S 125.000,-- an Eigenleistungen ersparte, begehrte mit der Klage den Zuspruch von S 250.000,-- (sA). Die Ausführung des Werkes sei nur durch auf Seiten der Beklagten gelegene Umstände verhindert worden. Er sei stets leistungsbereit gewesen und erst 1995 davon in Kenntnis gesetzt worden, dass die Chronik nicht mehr geschrieben werde. Ihm stehe daher ein um die Eigenersparnis vermindeter Werklohn von S 250.000,-- zu.

Die Beklagte wendete, soweit noch wesentlich, ein, nachdem die Herstellung des Werkes aus nicht ihrer Sphäre zuzuordnenden Gründen bis zum Jubiläumsjahr 1995 unterblieben und Prof. S***** verstorben sei, sei die wesentliche Grundlage des Geschäfts der Streitteile weggefallen. Der Kläger habe daher keinen Entgeltanspruch.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage müsse eine gemäß § 901 ABGB gemeinsam unterstellte typische Voraussetzung betreffen, um beachtlich zu sein. Dies sei hier nicht der Fall, weshalb ein gültiger, nicht anfechtbarer Werkvertrag vorliege, dessen endgültige Vollendung unterblieben sei. Gemäß § 1168 ABGB gebühre dem Unternehmer trotz Unterbleibens der Werkausführung gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit gewesen sei und lediglich durch Umstände, die auf Seiten des Bestellers lägen, daran gehindert worden sei. Er müsse sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt habe. Die Leistungsbereitschaft des Klägers sei gegeben gewesen, er sei auch in der Lage gewesen, das Werk herzustellen und behalte daher den Entgeltsanspruch auch ohne Werkherstellung. Die Nichtverfassung der Chronik sei eindeutig der Sphäre der Beklagten zuzurechnen, die im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht die ihr gegenüber dem Autor zustehenden Ansprüche nicht eingefordert habe. Der Kläger habe Anspruch auf den "reinen Verdienst", der ihm im Fall der Ausführung zugekommen wäre. Der Entgeltanspruch nach § 1168 Abs 1 ABGB werde um jene Beträge reduziert, die sich der Unternehmer erspare. Jedoch müsse der Besteller, hier also die Beklagte, konkret behaupten und beweisen, was sich der Unternehmer infolge Unterbleibens der Arbeit erspart habe. Die Beklagte hätte daher konkrete Behauptungen darüber aufzustellen gehabt, welche Einsparungen der Kläger an Material und Mehraufwendungen gehabt habe. Zur Ersparnis zählten erspartes Material und nicht aufgewendeter Arbeitslohn, nicht aber die eigenen Arbeitsleistungen des Unternehmers, sodass im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der eingetretenen Ersparnis der geltend gemachte Betrag von S 250.000,-- im Anspruch des Klägers jedenfalls Deckung finde.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, die von der Beklagten darin erblickt wurde bzw wird, dass kein zweiter Sachverständiger zur Frage des Verdienstentganges des Klägers beigezogen wurde. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht, soweit noch wesentlich, aus, der vorliegende Sachverhalt sei dem § 1168 ABGB zu unterstellen. Der in ständiger Rechtsprechung vertretene Grundsatz, dass ein Vertrag bei Wegfall der Geschäftsgrundlage unter Umständen gelöst werden dürfe, werde immer dahin eingeschränkt, dass sich niemand auf das Nichtvorhandensein einer Vertragsvoraussetzung berufen dürfe, die sich auf Tatsachen der eigenen Sphäre beziehe. Jeder Vertragspartner müsse vielmehr die Gefahr aller Umstände auf sich nehmen, die sich in seinem Bereich ereigneten. Die Risikoverteilung ergebe sich aus dem Vertrag. Im vorliegenden Fall sei das Unterbleiben der Ausführung des Werkes auf Umstände zurückzuführen, die iSd § 1168 ABGB auf Seiten der Beklagten lägen; stehe doch fest, dass die Stadtgemeinde zunächst auch mit einer Veröffentlichung der Chronik nach dem Jahr 1995 einverstanden gewesen sei und dem Kläger erst 1996 - noch vor dem Tod des Autors - mitgeteilt habe, nunmehr kein Interesse mehr an der Chronik zu haben. Es betreffe die Sphäre des Bestellers, wenn er die Werkherstellung widerrufe bzw das Werk abbestelle. Der Sphäre des Werkbestellers gehöre aber auch der von ihm beigestellte Stoff an. Seit jeher werde in Lehre und Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass der Ausdruck "Stoff" weit auszulegen sei. Es werde darunter alles verstanden, aus dem oder mit dessen Hilfe ein Werk herzustellen sei, weshalb auch die hier im Auftrag des Beklagten vom Autor zu verfassende Chronik unter diesen Begriff falle. Aus welchem Grund die Chronik letztlich nicht mehr verfasst wurde (mangelndes Interesse der Beklagten, Ablauf des "Jubiläumsjahres" oder Tod des Autors) sei hingegen gleichgültig. Dem leistungsbereiten Kläger gebühre daher auf Grund des der Sphäre der Beklagten zuzuordnenden Unterbleibens der Werkausführung der eingeschränkte Entgeltsanspruch nach § 1168 Abs 1 ABGB. Er müsse sich jedoch (ua) anrechnen, was er infolge des Unterbleibens der Arbeit erspart habe, wobei die betreffende Behauptungs- und Beweislast nicht den Unternehmer, sondern den Besteller treffe. Konkrete Behauptungen in diese Richtung habe die Beklagte allerdings nicht aufgestellt, weshalb es schon aus diesem Grund bei den vom Erstgericht ohnedies anerkannten Abzügen vom vereinbarten Werklohn zu verbleiben habe. In dem sich nach den Feststellungen des Erstgerichtes über die abzuziehenden Fremdleistungen ergebenden Entgeltsanspruch finde die eingeklagte Forderung Deckung.

Seinen Ausspruch der Zulässigkeit der ordentlichen Revision nach § 502 Abs 1 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision der beklagten Partei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes hält sich im Rahmen der ständigen gesicherten oberstgerichtlichen Rechtsprechung, wonach sich eine Partei nicht auf das Nichtvorhandensein oder den Wegfall einer Vertragsvoraussetzung berufen kann, wenn dieser sich auf Tatsachen der eigenen Sphäre bezieht; jeder Vertragspartner muss die Gefahr aller Umstände tragen, die sich in seinem Bereich ereignen (RIS-Justiz RS0017504 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Beim Werkvertrag kann sich daher der Besteller gegenüber dem Entgeltanspruch des Unternehmers nicht auf das Nichtvorhandensein oder Wegfallen einer - wenngleich typischen (SZ 47/149; JBl 1989,

650) - Vertragsvoraussetzung berufen, die sich auf Tatsachen der eigenen Sphäre bezieht (vgl RIS-Justiz RS0017649). Die von der Beklagten in der Revision aufgeworfene, iSd § 502 Abs 1 ZPO als erheblich angesehene Rechtsfrage, welche Umstände bei Nichtausführung eines Werkes von den Vertragsparteien zu vertreten seien, hängt demnach nach stRsp davon ab, in wessen Sphäre die betreffenden Umstände fallen. Der Sphäre des Werkbestellers gehören nach stRsp (RIS-Justiz RS0021934) der ihm beigestellte Stoff und die von ihm erteilten Anweisungen (§ 1168a letzter Satz ABGB) und alle sonstigen, die Werkherstellung störenden, auf der Seite des Bestellers gelegenen Umstände an. Dem Besteller ist insbesondere auch jedes - auch nicht sorgfaltswidrige (SZ 67/92 = JBl 1995, 658) - Verhalten von Personen zuzurechnen, die auf seiner Seite stehen. Dazu zählen ohne jeden Zweifel auch Personen, denen sich der Besteller zur Wahrnehmung seiner vertraglichen Obliegenheiten (insbesondere Mitwirkungslasten) bedient (vgl Rebhahn in Schwimann2 VI Rz 22 zu § 1168 ABGB). Ob eine dritte Person, die zum Gelingen des Werkes beizutragen hat, der Seite des Unternehmers oder des Bestellers zuzurechnen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Die betreffende Zuordnung stellt daher keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage dar, es sei denn, dass dabei die Rechtslage krass verkannt würde. Davon kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein: dass die Vorinstanzen den von der beklagten Partei mit der Verfassung der Chronik Beauftragten der Sphäre der beklagten Werkbestellerin zugeordnet haben, erscheint sachgerecht und begegnet keinerlei Bedenken.

Auch die Mängelrüge der Beklagten vermag, entgegen deren Ansicht, eine erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechtes nicht aufzuzeigen. Die Beklagte beharrt auf ihrer bereits im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung, dass das Erstgericht einen weiteren Sachverständigen beizuziehen gehabt hätte, weil die Ausführungen des bestellten Sachverständigen zweifelhaft wären. Diesen Einwand hat das Berufungsgericht mit einer durch die Aktenlage gedeckten Begründung verworfen. Wurde - wie dies also hier der Fall ist - ein Mangel erster Instanz in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint, dann kann der Mangel nach stRsp nicht mehr in der Revision gerügt werden (Kodek in Rechberger2 Rz 3 zu § 503 ZPO mwN).

Mangels Vorliegens eines tauglichen Revisionsgrundes war das Rechtsmittel der Beklagten daher zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung aufdie Unzulässigkeit der Revision aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO ausdrücklich hingewiesen.

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