OGH 9ObA30/00b

OGH9ObA30/00b5.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter OLWR Mag. Werner Dietschy und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christine B*****, Sekretärin, *****, vertreten durch Dr. Sonja Schröder, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A*****werbung GmbH, *****, vertreten durch Alix Frank Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Anfechtung einer Kündigung (Streitwert S 216.800,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Oktober 1999, GZ 15 Ra 90/99v-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. April 1999, GZ 16 Cga 155/98v-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.665,-- (darin S 1.777,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der von der Revisionswerberin behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wurde geprüft; er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Verfahrensmängel erster Instanz, welche nicht mit der Berufung geltend gemacht wurden, im Revisionsverfahren nicht mehr nachgeholt werden können (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu § 503 mwN). Das Berufungsgericht hat sich überdies mit der Beweisrüge der Beklagten betreffend die Feststellungen über die Bemühungen der Klägerin, eine andere Stelle zu finden, auseinandergesetzt, sodass auch daraus ein Verfahrensmangel nicht abzuleiten ist. Die Überprüfung der Beweiswürdigung selbst ist dem Obersten Gerichtshof hingegen entzogen (Kodek aaO Rz 1).

Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Sozialwidrigkeit (§ 105 Abs 3 Z 2 ArbVG) der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Entgegen dem Revisionsvorbringen der Beklagten stützte das Berufungsgericht seine Beurteilung keineswegs vorrangig auf eine im Alter der Klägerin gelegene eingeschränkte Vermittelbarkeit. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen verdiente die im Zeitpunkt der Kündigung 43-jährige Klägerin zuletzt S 16.200,-- brutto im Monat. Da sie von ihrem Ehegatten getrennt lebt, kommt ihr defacto die alleinige Obsorge für zwei Kinder im Alter von 10 bzw 14 Jahren zu. Sie trägt die monatlichen Kosten für ein gemietetes Haus in Höhe von S 8.000,-- bis S 9.000,--; für die Rückzahlung eines Kredites zum Zwecke des Ankaufs eines PKWs sind monatlich S 1.300,-- aufzubringen. Sie bezieht von ihrem getrennt lebenden Gatten noch keinen Unterhalt; auf den Kindesunterhalt werden Unterhaltsvorschüsse gewährt. Die Klägerin ist seit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen der Beklagten per 31. 8. 1998 arbeitslos; sie war dies auch noch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz (Ende April 1999). Sie ist beim Arbeitsamt gemeldet, jedoch konnte ihr noch keine Stelle vermittelt werden. Sie bemühte sich selbst um Arbeitsstellen, konnte jedoch im Hinblick auf den Wunsch nach einer Halbtagsbeschäftigung bzw einer Beschäftigung mit einer Maximalzahl von 30 Wochenstunden noch nicht fündig werden. Eine Ganztagsbeschäftigung kommt für die Klägerin im Hinblick auf ihre Obsorgepflichten für die beiden minderjährigen Kinder noch nicht in Frage.

Es ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass eine bereits im Zeitpunkt der Kündigung für die Klägerin ungünstige Beschäftigungsprognose in der bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz andauernden Arbeitslosigkeit ihre Bestätigung gefunden hat. Soweit die Beklagte diese Prognose im Hinblick darauf bezweifelt, dass es der Klägerin auch schon vor ihrer Beschäftigung bei der Beklagten möglich gewesen sei, in angemessener Zeit Beschäftigungen zu finden, so ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich dabei einerseits um Arbeitsstellen handelte, welche sie noch vor der Geburt ihrer Kinder innehatte und andererseits die Klägerin den nach ihrem Wiedereintritt in das Berufsleben erlangten Arbeitsplatz gerade wegen des Betreuungsaufwandes für ihre Kinder aufgeben musste (AS 156). Zusammenfassend ergibt sich, dass das Berufungsgericht die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für das Vorliegen einer Beeinträchtigung wesentlicher Interessen von Arbeitnehmern (RIS-Justiz RS0051806, insbesondere ZAS 1992/19, RS0051741, insbesondere SZ 65/43, RS0051753 uva) genauso beachtet hat wie das Nichtvorliegen der von der Beklagten behaupteten, jedoch nicht unter Beweis gestellten betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen könnten (§ 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG.

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