OGH 6Ob117/99w

OGH6Ob117/99w9.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****-AG, ***** vertreten durch Kaan, Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei S*****Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Martin Piaty, Rechtsanwalt in Graz, wegen 81,025.000,64 S über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 11. März 1999, GZ 3 R 216/98d-51, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Beweislastverteilung sowohl hinsichtlich des Rückforderungsanspruches nach § 1431 ABGB als auch hinsichtlich einer behaupteten, vom Wortlaut einer Urkunde abweichenden Parteienabsicht zutreffend dargestellt. Eine unrichtige Anwendung dieser Beweislastregeln durch die Vorinstanzen ist nicht zu erkennen.

Die von der beklagten Partei behauptete, vom Vertragstext abweichende Willensübereinstimmung der Streitteile dahin, dass die "5 %-Klausel" auf die erste Vertragsperiode zu beschränken sei, wurde nicht erwiesen. Es wurde im Gegenteil festgestellt, dass die klagende Partei davon ausging, diese Klausel solle für die gesamte Vertragsdauer gelten. Damit ist insoweit für die Frage der Beweislast ohnehin kein Raum. Bei Auslegung der strittigen Vereinbarung in dem Sinn, dass eine Unterschreitung der vereinbarten Abnahmemengen keine Nachzahlungspflicht auslöst, wenn die durchschnittliche Zuwachsrate in "irgendeiner" der Fünfjahresperioden unter 5 % liegt, ist der klagenden Partei als Kondiktionsgläubigerin folgerichtig auch der Beweis gelungen, dass die nunmehr kondizierte Leistung zum Zweck der Tilgung einer Schuld erfolgte, die in Wirklichkeit nicht bestand.

Entspricht die Auslegung von Vertragsbestimmungen durch das Berufungsgericht den Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB und ist sie weder unlogisch noch mit den Sprachregeln unvereinbar, so liegt nach ständiger Rechtsprechung insoweit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor (7 Ob 1535/88 ua). Ein Problem der Vertragsauslegung kann nur dann eine solche Rechtsfrage darstellen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (1 Ob 2380/96y). Im vorliegenden Fall ist aber weder eine Missachtung von Auslegungsgrundsätzen noch ein Verstoß gegen Denkgesetze seitens der Vorinstanzen erkennbar. Selbst bei Berücksichtigung des nachfolgenden, in der außerordentlichen Revision im Einzelnen umfangreich dargestellten Verhaltens der klagenden Partei (Bildung von Rückstellungen für das Pönale, vorbehaltlose Zahlung usw) ist das von der beklagten Partei gewünschte Auslegungsergebnis keineswegs zwingend, geriet doch die (bloß in einem "side-letter" festgehaltene) Vereinbarung in Vergessenheit. Dadurch ist das in der Revision behauptete Verhalten der Klägerin einfach zu erklären. Es liegen daher auch keine entscheidungsrelevanten Feststellungsmängel vor.

Die Behauptung, das Berufungsgericht sei ohne Beweiswiederholung von den Feststellungen des Erstgerichtes abgewichen, ist durch den Akteninhalt nicht gedeckt. Schon aus den Feststellungen des Erstgerichtes geht hervor, dass die klagende Partei bei Vertragsabschluss im Jahr 1978 die Absicht hatte, weitere (drei bis vier) Kraftwerke zu errichten, dass der beklagten Partei klar war, dass eine Ausbausperre gegenüber der klagenden Partei auf Grund der damaligen politischen Situation nicht durchsetzbar gewesen wäre und dass die beklagte Partei von ihrem ursprünglichen Verhandlungsstandpunkt, die klagende Partei dürfe nach dem Bau des Kraftwerkes W***** keine weiteren Kraftwerke errichten, abgewichen ist. In der Ansicht des Berufungsgerichtes, dass der Koordinationsvertrag diese Umstände berücksichtigte und dass sich die beklagte Partei auch nicht grundsätzlich gegen den Bau weiterer Kraftwerke im Rahmen der Bedarfszuwächse stellte, kann eine Fehlinterpretation der erstgerichtlichen Feststellungen nicht erblickt werden.

Ob die Vereinbarung der Streitteile dahin auszulegen ist, dass die beklagte Partei selbst bei Berücksichtigung der 5 %-Klausel eine Minderabnahme in Rechnung stellen hätte können, wenn der Anteil der Eigenproduktion höher gewesen wäre als bei Zugrundelegung einer fiktiven 5 %igen Bedarfszuwachssteigerung, ist - abgesehen davon, dass eine solche Interpretation im Gegensatz zur Ansicht der Revision nicht "denkunmöglich" ist und letztlich ohnehin der beklagten Partei (und nicht der klagenden Partei) zum Vorteil gereichen könnte - nicht entscheidungswesentlich. Dieser Fall ist nach den insoweit unbekämpften Ausführungen des Berufungsgerichtes in der dritten Vertragsperiode, um die es hier geht, gar nicht eingetreten.

Selbst der Umstand, dass die vereinbarte Klausel allenfalls den Vorgaben der Aufsichtsbehörden widersprach und von diesen bei Kenntnis beanstandet worden wäre, vermag das von der klagenden Partei gewünschte Auslegungsergebnis nicht zu bekräftigen. Diese Klausel wurde ja gerade deshalb nicht in das "offizielle" Vertragswerk aufgenommen, sondern bloß in internen Vermerken festgehalten, um sie nicht weiter publik zu machen.

Da nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen feststeht, dass sich die Klägerin bei Zahlung des nunmehr kondizierten Betrages in einem Irrtum über das Bestehen der Schuld befand, weil die sie von der Pönaleverpflichtung in der dritten Vertragsperiode befreiende Klausel in Vergessenheit geraten war und der klagenden Partei erst im Jahr 1995 durch ein zufällig aufgefundene Urkunde aus dem Jahr 1979 und daraufhin angestellten Nachforschungen wieder zur Kenntnis kam, stellt sich insofern die Frage der Beweislast für das Vorliegen des Irrtums bei Zahlung eines nach § 1431 ABGB zurückgeforderten Betrages nicht.

Ob die Zahlung aus der Sicht des Empfängers als schlüssiges Anerkenntnis verstanden werden durfte, das Rückforderung ausschließt (SZ 58/95; WBl 1992, 402; VR 1996, 107), stellt eine nach den konkreten Umständen zu lösende Frage des Einzelfalles und somit keine erhebliche Rechtsfrage dar. Je mehr bei den Parteien das Bewusstsein von der Unsicherheit der Rechtslage hervortritt, umso eher ist ein konstitutives Anerkenntnis anzunehmen (EvBl 1981/122; 9 Ob 132/99y ua). Da der Anspruch der klagenden Partei zwischen den Parteien nicht strittig war und von der klagenden Partei bis zur Zahlung nicht bezweifelt wurde, ist auch insoweit eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, die zur näheren Befassung des Obersten Gerichtshofes mit dieser Frage Anlass geben könnte, nicht zu erblicken.

Soweit die Revision neuerlich die Nichtigkeit des Verfahrens wegen Verfassungswidrigkeit des Geschäftsverteilungsbeschlusses, mit dem das Verfahren der erkennenden Erstrichterin zugewiesen wurde, geltend macht, ist ihr zu erwidern, dass ein diese Nichtigkeit verneinender Beschluss des Berufungsgerichtes vorliegt, der gemäß § 519 ZPO unanfechtbar ist. Im Hinblick auf diese bindende Entscheidung (Zurückweisung der Berufung, soweit diese Nichtigkeit geltend macht) kann die Nichtigkeit nicht mehr in der Revision geltend gemacht werden (SZ 54/190; 4 Ob 2314/96i ua). Die unter Umständen zu einer Befassung durch den Obersten Gerichtshof Anlass gebende Fallkonstellation, dass die Nichtigkeit von der Vorinstanz infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache verworfen wurde (vgl 5 Ob 2102/96w ua), liegt hier nicht vor.

Stichworte