Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 6.695,04 (hierin enthalten S 1.115,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Die Streitteile sind Eigentümer aneinandergrenzender Liegenschaften. Das Grundstück der Klägerin wird einerseits durch einen Gartenzaun und andererseits durch eine unmittelbar an die Grenze anschließende Garage, welche 1939 nach baubehördlicher Bewilligung gebaut wurde, gegen das Grundstück der Beklagten abgegrenzt. Auf deren Grundstück stehen zwei Bäume unmittelbar im Grenzbereich, deren Stämme einerseits gegen den Betonsockel des Gartenzauns der Klägerin und andererseits gegen das Betonfundament der Garage drücken, welche hiedurch beschädigt werden.
Gegenstand des Verfahrens bildet das Klagebegehren, die beklagten Parteien schuldig zu erkennen, sofort dafür zu sorgen, dass die Bäume auf ihrer Liegenschaft keine weiteren Schäden verursachen, und weiters die durch den Baumbewuchs bereits entstandenen Schäden zu beseitigen. Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren - unter Hinweis auf die Sonderregelung des § 422 ABGB - ab.
Das Berufungsgericht hat die von der Rechtsprechung (insb in den Entscheidungen SZ 55/69, SZ 58/121 und EvBl 1988/47) entwickelten Grundsätze zur Beeinträchtigung eines Nachbarn durch überhängenden Bewuchs zutreffend wiedergegeben: Danach ist die von einem Baum oder Strauch ausgehende Beeinträchtigung des Nachbargrundes nach der besonderen nachbarrechtlichen Bestimmung des § 422 ABGB zu beurteilen. Die Frage, ob über das dort normierte Selbsthilferecht hinaus die Möglichkeit besteht, ein auf § 523 ABGB gestütztes Begehren zu stellen, wird von der Rechtsprechung (Nachweise wie zuvor) sowie vom gesamten einhelligen Schrifttum (Klang in Klang II2 294; Spielbüchler in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 422; Klicka in Schwimann, ABGB2 Rz 1 zu § 422;
Gschnitzer/Faistenberger/Barta/Call/Eccher, Sachenrecht2 69) abgelehnt; darnach sind die Rechte des Nachbarn im § 422 ABGB abschließend geregelt, sodass ihm außer dem dort vorgesehenen Selbsthilferecht kein auf das Eigentum gestützter Beseitigungsanspruch zusteht. Die für überhängende Äste und auf das Nachbargrundstück reichende Wurzeln geltenden Grundsätze gelten dabei auch für überhängende, auf ein Nachbargrundstück reichende Baumstämme bzw Teile von solchen (Stubenrauch, ABGB8 523; Spielbüchler aaO Rz 4 zu § 422). Demnach besteht auch betreffend "überhängender Stämme" für den Nachbarn grundsätzlich lediglich die Möglichkeit der im § 422 ABGB normierten Selbsthilfe; er kann also den in den Luftraum seines Grundstücks eindringenden Stamm nur bis zur Grundgrenze "zurückstutzen".
Die von einem Baum (oder Strauch) ausgehende Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks stellt aber auch grundsätzlich keine Immission nach § 364 Abs 2 ABGB dar und ist daher auch nach dieser Gesetzesstelle nicht zu beurteilen (SZ 55/69, SZ 57/121; EvBl 1988/47). § 422 ABGB stellt auch insoweit eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung des vom Überhang (in welcher Art und Weise auch immer) betroffenen Grundeigentümers dar, dem das Gesetz nur ein Selbsthilferecht gibt, aber (sonstige) Abwehransprüche und auch einen Beseitigungsanspruch betreffend Wurzeln und Äste versagt (vgl RIS-Justiz RS0011094). Der Nachbar kann daher nicht die Entfernung des Baumes durch den Eigentümer verlangen, sondern hat den Bewuchs als gesetzliche Eigentumsbeschränkung aus Rücksichten der Nachbarschaft - wie auch sonst die natürliche Umgebung - hinzunehmen (SZ 58/121, EvBl 1988/47; Feil, Privates Nachbarrecht und Immissionen, 14).
Auch in Fällen mit einem derartigen Wuchs verbundener schadensgeneigter und schadenskausaler Auswirkungen auf im Eigentum des betroffenen Nachbarn stehende Sachobjekte hat der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung keine, die Selbsthilferechte gemäß § 422 ABGB erweiternde Rechtsverfolgungsmaßnahmen (Unterlassungs- und/oder Beseitigungsansprüche) für zulässig erachtet (so im Falle 4 Ob 603/87 = EvBl 1988/47, wo durch an der Grundgrenze gepflanzte Thujen das Drahtgeflecht eines Maschendrahtzaunes des Nachbarn rostig wurde; ebenso jüngst auch 2 Ob 286/99v, mit welcher Entscheidung eine außerordentliche Revision gegen das klageabweisliche Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 6. 7. 1999, 5 R 14/99i, begründungslos zurückgewiesen wurde: Gegenstand des dortigen Verfahrens bildete dabei [durchaus vergleichbar mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt] das Begehren des Nachbarn, ua das Ausschwenken von Baumstämmen bei Wind, wodurch die Dachtraufe und insbesondere die Dachrinnen beschädigt werden können, sowie das Auflehnen der Bäume auf das Gebäude des Klägers zu unterlassen und für eine dauerhafte Hintanhaltung solcher Immissionen Sorge zu tragen; das Berufungsgericht führte - vom Obersten Gerichtshof gebilligt - aus, dass der Kläger wegen der mit einem hinzunehmenden Bewuchs allenfalls verbundenen Schäden weder nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche noch mangels rechtswidrigen Verhaltens des Nachbarn Schadenersatzansprüche erheben kann). Nichts anderes hat auch für den hier zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt zu gelten. Gerade in der zuletzt genannten Entscheidung vom 21. 10. 1999 hat es der Oberste Gerichtshof - erneut
- abgelehnt, von seiner bisherigen und - wie gezeigt - ständigen Rechtsprechung zu § 422 ABGB abzurücken. Ein solches Ergebnis mag zwar - wie auch vom Berufungsgericht ausgeführt - unbefriedigend erscheinen; die Änderung einer rechtspolitisch nicht befriedigenden Gesetzesnorm obliegt jedoch ausschließlich dem hiefür kompetenten Gesetzgeber und kann nicht den ordentlichen Gerichten im Rahmen ihrer Rechtsprechung überbürdet werden (1 Ob 78/99y). Auch die in der Revision in den Vordergrund ihrer Ausführungen gerückte Entscheidung 7 Ob 613/91 (SZ 64/158) vermag daran nichts zu ändern, lag ihr doch ein dem vorliegenden nicht vergleichbarer andersgelagerter Sachverhalt zugrunde: Dort hat der Oberste Gerichtshof zwar ausgesprochen, dass das Eigentumsrecht an einer Mauer auch das Recht einschließe, dem Nachbarn die Benützung der Mauer durch das Ansetzen von emporrankenden Kletterpflanzen zu untersagen; der Eigentümer der Mauer sei daher dazu befugt, mittels Eigentumsfreiheitsklage die Entfernung solcher Kletterpflanzen zu begehren. Wächst aber ein Baum
- wie hier - ohne Inanspruchnahme fremder Mauern, an die er sich bloß "anlehnt", zur Gänze auf dem Grund des Nachbarn, so stellt das Hinüberwachsen auf das Nachbargrundstück eben gerade keinen Eingriff in fremdes Eigentum dar und muss das Ausbreiten von Wurzeln und Ästen (einschließlich Stamm) im Rahmen des § 422 ABGB geduldet werden bzw kann hiegegen bloß mit den in dieser Gesetzesstelle eingeräumten Selbsthilfemaßnahmen Abhilfe geschaffen werden.
Da sich das Berufungsgericht an diese Judikatur des Obersten Gerichtshofes gehalten hat und von ihr nicht abgewichen ist, liegt eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO somit nicht vor. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.
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