OGH 1Ob228/99g

OGH1Ob228/99g14.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Viktor Igali-Igalffy, Rechtsanwalt, Wien 3, Landstraßer Hauptstraße 34, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der P***** Gesellschaft mbH, ***** wider die beklagte Partei Ahmed A*****, vertreten durch Dr. Hans Bichler, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wegen 1,246.150 S sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. April 1999, GZ 3 R 238/98m-20, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 22. September 1998, GZ 15 Cg 179/9h-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 23.400 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.900 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Beklagte übernahm am 27. September 1993 die Geschäftsführung der am 14. Juni 1982 mit einem Stammkapital von 500.000 S gegründeten P***** Gesellschaft mbH in Wien (im folgenden Gemeinschuldnerin oder Gesellschaft) im Rahmen eines Management-Buy-Outs (gegenüber der amerikanischen Muttergesellschaft) und dabei auch eine Stammeinlage von 100.000 S. Bei Anwendung jener Sorgfalt, zu der er verpflichtet und in der Lage gewesen wäre, hätte der Beklagte den - am 30. September 1994 erfolgten - Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft jedenfalls am 30. November 1994 erkennen können. Er setzte jedoch zunächst die Geschäftstätigkeiten fort und beantragte erst am 21. Dezember 1994 die Eröffnung des Konkurses. Zwischen 30. November und 31. Dezember 1994 stiegen die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber einer näher bezeichneten Bank von 804.477 S auf 906.866 S, gegenüber Lieferanten von 50,773.303 S auf 51,917.064 S, während sonstige Verbindlichkeiten von 3,640.290 S auf 2,533.697 S fielen. Die Gemeinschuldnerin ging somit in diesem Zeitraum neue Schulden von 1,246.150 S ein und zahlte alte Schulden von 1,106.593 S zurück. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde am 5. Jänner 1995 der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. Juli 1996 wurde der Beklagte gemäß § 159 Abs 1 Z 1 StGB (Vergehen der fahrlässigen Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit) für schuldig erkannt, vom 27. September 1993 bis 30. September 1994 als Geschäftsführer der Gesellschaft, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, fahrlässig deren Zahlungsunfähigkeit insbesondere dadurch herbeigeführt zu haben, dass er den Geschäftsbetrieb ohne genügende Kapitalausstattung und trotz stetiger Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation und der Voraussetzungen für eine erfolgreiche Geschäftsgebarung (Entfall des Hardware-Handels, Wegfall der Wartungs- und Servicearbeiten, Unterbleiben des erhofften Schuldennachlasses und Unmöglichkeit des Erlangens ausreichender Kredite) geführt und durch hohe Mietenzahlungen unverhältnismäßig Aufwand getrieben habe. Hingegen wurde er vom Vorwurf des Vergehen der Konkursverschleppung nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB, vom 30. November bis 21. Dezember 1994 als Geschäftsführer der Gesellschaft, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger gewesen sei, in Kenntnis deren Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines Teils von ihnen vereitelt oder geschmälert zu haben und zwar insbesondere dadurch, dass er neue Schulden von 1,246.150 S eingegangen sei und alte Schulden von 1,106.593 S bezahlt habe - unbekämpft - freigesprochen, weil der Antrag auf Konkurseröffnung innerhalb der Frist des § 69 Abs 2 KO erfolgt sei.

Der klagende Masseverwalter begehrte vom Beklagten die Bezahlung von 1,246.150 S sA aus dem Titel des Schadenersatzes. Der wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida schuldig gesprochene Beklagten habe noch nach Erkennbarkeit des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit am 30. November 1994 neue Verbindlichkeiten in Höhe des Klagebetrags aufgenommen. Die "Neugläubiger" der Gesellschaft seien vom Beklagten in Höhe des Klagsbetrags geschädigt worden und hätten, "vertreten durch den Masseverwalter", Anspruch auf Ersatz ihres gesamten kausalen Schadens, der im Verlust ihrer jeweiligen Forderung bestehe. "Vorsichtsweise" werde der Klagsanspruch auch auf § 25 GmbG gestützt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Gegenüber der Gemeinschuldnerin hafte der Beklagten nach § 25 GmbHG, weil er im Ausmaß der Hereinnahme der Neuschulden seine Obliegenheiten gegenüber der Gesellschaft verletzt habe. Eine rechtzeitige Konkursanmeldung hätte das Entstehen dieser Verbindlichkeiten verhindert.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab, weil zur Geltendmachung von aus einer Verletzung des § 159 Abs 1 Z 1 StGB abgeleiteten Schadenersatzansprüchen der Gläubiger der Masseverwalter nicht legitimiert und die Klage, soweit sie "vorsichtsweise" auf § 25 GmbHG gestützt werde, unschlüssig sei. Zwar löse ein Verstoß gegen § 159 StGB immer auch eine Haftung nach § 25 GmbHG aus, über die Pflichten der Geschäftsführung enthalte § 25 GmbHG (abgesehen von Abs 3 Z 2) aber nichts. Sie ergäben sich vielmehr aus der mit der Organstellung verbundenen Geschäftsführungsaufgabe, damit verbundenen Loyalitätspflichten und einzelnen Spezialregelungen. Auch Abs 1 enthalte daher keinen Rechtswidrigkeitsmaßstab. § 25 Abs 3 Z 2 GmbH sehe eine besondere Schadenersatzpflicht vor, wenn der Geschäftsführer nach dem Zeitpunkt, zu dem er die Konkurseröffnung hätte beantragen müssen, noch "Zahlungen" leiste. Auch bei (richtigerweise) weiter Interpretation des Wortes "Zahlungen" sei der vom Kläger behauptete Schaden (nach dem 30. November 1994 eingegangene Neuverbindlichkeiten von 1,246.150 S) darunter nicht subsumierbar. Zwar habe das Erstgericht nach dem 30. November 1994 Zahlungen des Beklagten von 1,106.593 S festgestellt, gerade darauf beziehe sich aber das Klagebegehren nicht. Zu prüfen sei daher, ob der Beklagte, der wegen fahrlässiger Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin rechtskräftig und für das Zivilgericht bindend verurteilt worden sei, durch die damit verbundene Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer einen Schaden herbeigeführt habe/haben könne, der dem Klagebegehren entspreche. Dies sei zu verneinen. Zwar habe sich der Oberste Gerichtshof bisher nur mit der Klärung des Umfangs des Schadens der Gesellschaft bei Konkursverschleppung bzw bei Verletzung von § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG und nicht mit einer "einfachen" fahrlässigen Krida (§ 159 Abs 1 Z 1 StGB) auseinanderzusetzen gehabt, schon seine diesbezüglichen Überlegungen zeigten aber, dass der Schaden niemals undifferenziert mit der "Höhe der Zahlung" oder "dem Verlust" gleichzusetzen sei (zu letzterem: WBl 1988, 29). Auch wenn bei Konkursverschleppung zum Betriebsverlust alle Schäden aus Zahlungen und infolge Begründung neuer Verbindlichkeiten kämen, sei dadurch - schon weil eine direkte Zuordnung der Schadenersatzansprüche der Gläubiger an die Gesellschaft mangels gesetzlicher Grundlage nicht möglich sei - für den Kläger nichts gewonnen. Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, wieso eine nach dem 30. November 1994 eingegangene Verbindlichkeit in voller Höhe einem Schaden der Gesellschaft gleichzusetzen sein solle. Vielmehr seien den neuen Verbindlichkeiten auch Gegenleistungen gegenüberstanden, die der Masse zugutegekommen seien; das Ansteigen der Lieferantenverbindlichkeiten könne nur von einer Erhöhung des Warenstands begleitet gewesen sein, ein Anstieg der Kreditverbindlichkeiten müsste zu einer Erhöhung des Barvermögens geführt haben. Der Kläger hätte daher behaupten und beweisen müssen, warum gerade die ins Treffen geführten Verbindlichkeiten in voller Höhe einen Betriebsverlust darstellen sollten. Eine Beweislastumkehr, wie sie die Rspr bei Verletzung von Schutzgesetzen annehme, greife hier nicht Platz, weil § 25 Abs 1 und 2 GmbHG kein solches Schutzgesetz und § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG unanwendbar sei. Da die Klagserzählung diese Neuverbindlichkeiten eindeutig dem begehrten Betrag von 1,246.150 S zuordne, könne auch aus der Überlegung, dass der im Strafurteil festgestellte Betrag der Überschuldung von 35,587 Mio S zum 31. Dezember 1994 den Klagebetrag erheblich übersteige, für den Klagestandpunkt nichts gewonnen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision der klagenden Partei ist mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

a) Der klagende Masseverwalter stützt sein Begehren, wie er zuletzt in der Berufungsbeantwortung ON 18 verdeutlichte, primär auf eine deliktische (Außen-)Haftung des Geschäftsführers gegenüber den durch ihn - freilich nicht rechtsgeschäftlich - "vertretenen" Neu-Gesellschaftsgläubigern, weil der Beklagte, obwohl er den Eintritt der Konkurseröffnungsvoraussetzungen bereits hätte erkennen müssen, weitere Schulden in Höhe des Klagebetrags eingegangen sei, sekundär ("vorsichtsweise") auf die (Innen-)Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft nach § 25 GmbHG, wobei weitere Ausführungen sowie eine Ausdehnung des Klagebegehrens ausdrücklich vorbehalten wurden (ON 1 AS 7). Ein weiteres Vorbringen zu § 25 GmbHG unterblieb indes, sodass auf diesen Rechtsgrund nicht weiter eingegangen werden kann, weil den nun dazu erstatteten Ausführungen das Neuerungsverbot entgegensteht.

Die Haftung des Beklagten als Geschäftsführer der Gesellschaft (§ 69

Abs 3 erster Satz KO) für die Folgen der mit dem primär erhobenen

Begehren geltend gemachten Konkursverschleppung nach § 159 Abs 1 Z 2

StGB ist zu verneinen: Der Beklagte wurde von diesem Vorwurf im

Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen. Der Masseverwalter im

Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft mbH kann deren

Geschäftsführer, der vom Vorwurf der Konkursverschleppung nach § 159

Abs 1 Z 2 StGB freigesprochen wurde, zwar an sich wegen Verstoßes

nach § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG iVm § 69 Abs 2 KO belangen, doch obliegt es

dann ihm als Vertreter der geschädigten Gesellschaft, den zur

Herstellung des Tatbestands erforderlichen Sachverhalt durch

Anführung konkreter Tatsachen zu behaupten und unter Beweis zu

stellen. Solche Tatsachen wurden indes hier nicht vorgetragen. Die

anspruchstellende Gesellschaft mbH bzw hier deren - insoweit aktiv

klagelegitimierte (SZ 45/46, SZ 63/124 ua, zuletzt 9 ObA 416/97k =

ecolex 1998, 772 = ZIK 1999, 36; Koppensteiner aaO § 25 Rz 26) -

Masseverwalter trägt die Behauptungs- und Beweislast insbesondere

dafür, dass das Verhalten des Geschäftsführers einen konkreten

Schaden der Gesellschaft zur Folge hatte (Reich-Rohrwig, Das österr.

GmbH-Recht2 Rz 2/417 mwN in FN 353; vgl auch 3 Ob 34/97i = SZ 71/108

= GesRZ 1998, 208 = ecolex 1998, 774). Der Schaden besteht darin,

dass die Konkursmasse durch die verspätete Konkursanmeldung und die inzwischen geleisteten Zahlungen insofern geschmälert wurde, als die nach Eintritt des Insolvenzfalls gezahlten Beträge in ihr fehlen (SZ 63/124; ecolex 1998, 778 ua; RIS-Justiz RS0059751). Auch solche Tatsachen wurden hier nicht vorgetragen, sodass die von der zweiten Instanz insoweit angenommene Unschlüssigkeit des Klagebegehrens einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof nicht bedarf. Der Auslegung einzelner Klagebehauptungen dahin, ob das Klagebegehren aus ihnen schlüssig abgeleitet werden kann, kommt für den geltend gemachten Anspruch nach stRsp keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (zuletzt 7 Ob 360/98m). Ob ein Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw inwieweit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (10 Ob 516/94 ua).

b) Die Vorschrift des § 159 Abs 1 Z 1 StGB pönalisiert die

fahrlässige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner

mehrerer Gläubiger schlechthin. Ihr Schutzzweck ist daher weiter als

jener des § 159 Abs 1 Z 2 StGB und erstreckt sich auf die Vermeidung

aller Schäden, die den Gläubigern durch die fahrlässige Herbeiführung

der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners verursacht werden (RdW 1989,

63 ua, zuletzt EvBl 1999/179; RIS-Justiz RS0027570). Der Beklagte

wurde zwar wegen dieses Vergehens rechtskräftig und für das

Zivilgericht bindend verurteilt. § 159 Abs 1 Z 1 StGB ist auch ein

Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB (SZ 59/116, SZ 67/128 ua, zuletzt 1 Ob

50/99f = EvBl 1999/179; RIS-Justiz RS0027521; Koppensteiner, GmbHG, §

25 Rz 44), allerdings zugunsten der durch die nicht rechtzeitige

Konkurseröffnung geschädigten einzelnen Gläubiger und nicht der

Gesellschaft (Koppensteiner aaO Rz 44). Daraus abgeleitete

deliktische Schadenersatzansprüche der Gläubiger der Gesellschaft

gegen deren Organe (hier: Geschäftsführer) sind nicht Bestandteil des

Vermögens der Gesellschaft. Daher ist nach stRspr zur Geltendmachung

solcher Schadenersatzansprüche der Gläubiger gegen den

Geschäftsführer der fallid gewordenen Gesellschaft mbH deren

Masseverwalter nicht legitimiert (SZ 60/151 = EvBl 1988/34 = GesRZ

1988, 45; SZ 63/124 = GesRZ 1990, 162 = WBl 1990, 348 [Dellinger] mit

ausdrücklicher Ablehnung gegenteiliger deutscher und österr.

Lehrmeinungen ua, zuletzt ecolex 1998, 772). Die Rechtsmittelausführungen geben keinen Anlass, von dieser Auffassung abzuweichen, steht es doch jedem Gläubiger frei, insoweit gegen den Geschäftsführer vorzugehen oder nicht, sodass es entgegen den Rechtsmittelausführungen eines Verfolgungsrechts des Masseverwalters, den "Gesamtgläubigerschaden" vom Geschäftsführer einzufordern, nicht bedarf.

Die fahrlässige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit (§ 159 Abs 1 Z 1 StGB) setzt die Verletzung der Pflichten als Geschäftsführer voraus und bewirkt daher an sich auch die Haftung nach § 25 Abs 1 und 2 GmbHG (SZ 63/124 ua; RIS-Justiz RS0059600). Aber auch insoweit trug der Masseverwalter die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass das Tätigwerden oder die Unterlassungen des Geschäftsführers einen konkret zu bezeichnenden Schaden der Gesellschaft zur Folge hätten (Reich-Rohrwig, Das österr. GmbH-Recht2 Rz 2/417 mwN in FN 353). Dazu wurde indes nichts vorgetragen, sodass für die Tatsacheninstanzen auch keine Veranlassung bestehen konnte, entsprechende, nun vom Revisionswerber vermisste Feststellungen zu treffen.

Demnach ist das Rechtsmittel zurückzuweisen. Einer weiteren Begrüdung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO). Ob ein rund dreiwöchiges Zuwarten des handlungspflichtigen Beklagten im konkreten Fall bereits ein schuldhaftes Verhalten iSd § 25 GmbHG darstellt, muss hier nicht mehr geprüft werden.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen.

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