OGH 10ObS331/99w

OGH10ObS331/99w30.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Walter Kraft (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj. Denise K*****, geb. am 1.Oktober 1993, gemäß § 154a Abs 1 ABGB, vertreten durch die Mutter Christine K*****, diese vertreten durch Dr. Karl Wampl und Dr. Elisabeth Mühlberger, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Land Salzburg als Pflegegeldträger, 5010 Salzburg, Chiemseehof, vertreten durch Dr. Franz Gerald Hitzenbichler und Mag. Ludwig Vogl, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Juni 1999, GZ 12 Rs 70/99x-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Jänner 1999, GZ 11 Cgs 47/98p-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die in ihrem Ausspruch über die Prozesskosten unberührt bleiben, werden in der Hauptsache dahin abgeändert, dass sie lauten:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an Stelle des bisher gewährten Pflegegeldes der Stufe 2 ab 1. 9. 1996 ein Pflegegeld der Stufe 7 von S 21.074,-- monatlich, unter Anrechnung des halben Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder gemäß § 8 Abs 4 FamLAG 1967 von S 825,--, also ein solches von S 20.249,-- monatlich zu zahlen.

Das Mehrbegehren von S 825,-- monatlich wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 676,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid des Landes Salzburg vom 16. 3. 1998 wurde der mj. Klägerin an Stelle des bisherigen Pflegegeldes der Stufe 2 ab 1. 9. 1996 ein solches der Stufe 3 von S 5.690,-- monatlich gewährt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass der Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 4 FamLAG 1967 im Ausmaß vlon 50 %, das sind S 825,-- auf das Pflegegeld angerechnet wird.

Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage zur Gänze statt und erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1. 9. 1996 ein Pflegegeld der Stufe 7, also monatlich S 21.074,-- zu zahlen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne eines Zuspruches des Pflegegeldes nur im Umfang des (durch die Klage außer Kraft getretenen) Bescheides.

Die klagende Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nur im Ergebnis teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor. Diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner Begründung. Den Revisionsausführungen sei nur in Kürze folgendes entgegengehalten:

Die Frage, welche Beweise zur Erhebung einer strittigen Tatsache aufzunehmen sind, ist der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen zuzurechnen und im Revisionsverfahren nicht überprüfbar. Zur Beweiswürdigung gehört insbesondere auch die Frage, ob außer den bereits vorliegenden medizinischen Gutachten noch ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen oder ob auch noch ein (sachverständiger) Zeuge zu vernehmen gewesen wäre. Das Berufungsgericht hat sich mit der diesbezüglichen Mängelrüge der beklagten Partei auseinandergesetzt, so dass auch insoweit kein Mangel des Berufungsverfahrens gegeben ist. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, können nach ständiger Rechtsprechung nicht neuerlich mit Revision geltend gemacht werden (SSV-NF 7/74 mwN ua). Dem Obersten Gerichtshof ist es daher verwehrt, zu diesen Ausführungen des Revisionswerbers Stellung zu nehmen. Die Beweiswürdigung der Vorinstanzen kann vom Obersten Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, daher nicht überprüft werden.

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Zu der vom Revisionswerber auch unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erörterten Frage der Notwendigkeit, ein weiteres ärztliches Gutachten einzuholen, wurde bereits Stellung genommen.

Gesetzmäßig ausgeführt wird die Rechtsrüge nur insoweit, als die im angefochtenen Urteil angeblich vertretene Ansicht bekämpft wird, die Vorschriften der Salzburger Einstufungsverordnung für das Landespflegegeld (LGBl 1993/118 bzw ab 1. 1. 1999 LGBl 1999/58) seien auf arbeits- und sozialgerichtliche Verfahren nicht anzuwenden.

Eine solche Rechtsansicht hat das Berufungsgericht in dieser Allgemeinheit aber gar nicht geäußert. Es hat lediglich im Zusammenhang mit der der Erledigung der Mängelrüge darauf hingewiesen, dass die in § 9 (nunmehr seit 1. 1. 1999 § 8) der SbgEinstV genannten Angaben, die in einem Sachverständigengutachten enthalten sein müssten, sich auf das von der beklagten Partei einzuholende Amtsgutachten beziehen und für die Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren die Bestimmungen des ASGG und der ZPO gelten würden. Dieses im angefochtenen Urteil nur zur Begründung des Nichtvorliegens eines Verfahrensmangels gebrauchte Argument ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu prüfen, weil auch die Begründung des Berufungsgerichtes, warum es einen Verfahrensmangel nicht für gegeben hält, von hier nicht gegebenen Ausnahmen möglicherweise abgesehen, in der Revision nicht bekämpft werden kann. Dieses Argument stellt daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache dar (vgl Rechberger/Kodek, ZPO Rz 5 zu § 503 mwN), weil es bei der rechtlichen Beurteilung des Anspruches auf Pflegegeld nur darauf ankommt, ob die erforderlichen Feststellungen getroffen wurden, also keine sekundären Feststellungsmängel vorliegen. Die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen reichen aber völlig aus, um beurteilen zu können, dass der durchschnittliche monatliche Pflegebedarf des Kindes (§ 4 SbgPGG) jedenfalls mehr als 180 Stunden ausmacht.

Die gesetzmäßig, wenn auch mit unzutreffenden Argumenten ausgeführte Rechtsrüge der beklagten Partei zwingt jedoch zu einer allseitigen rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils ohne Beschränkung auf die geltend gemachten Gründe (SZ 52/192; SZ 53/75; SZ 54/133 uva). Ihr kommt im Ergebnis insoweit Berechtigung zu, als das Berufungsgericht offenbar übersehen hat, dass im § 6 SbgPGG die Anrechnung des Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder gemäß § 8 Abs 4 FamLAG zur Hälfte, also die Anrechnung von S 825,-- monatlich zwingend vorgeschrieben ist. Eine solche gesetzlich gebotene Anrechnung beeinflusst zwar weder die Einstufung des Betroffenen in eine bestimmte Pflegegeldstufe oder auch nur seinen Pflegebedarf, wohl aber die Höhe des auszuzahlenden Betrages und damit den materiellen Anspruch auf die Leistung (10 ObS 381/98x). Deshalb sind etwa Anspruchsberechtigte, Anspruchswerber, gesetzliche Vertreter und Sachwalter nach § 9 Abs 1 SbgPGG (ebenso wie nach § 10 BPGG) grundsätzlich verpflichtet, jede ihnen bekannte Veränderung in den Voraussetzungen für den Pflegegeldbezug, die den Verlust, eine Minderung, das Ruhen des Anspruchs oder eine Anrechnung auf das Pflegegeld begründet, innerhalb längstens vier Wochen dem Entscheidungsträger anzuzeigen. An dieser gesetzlich gebotenen Anrechnung hat die mit 1. 1. 1999 in Kraft getretene Novelle zum SbgPGG, SbgLGBl 1999/13, insbesondere die Novellierung des § 6, nichts geändert. Wie oben dargestellt, wurde diese Anrechnung auch in dem bekämpften, durch die vorliegende Klage zur Gänze außer Kraft getretenen Bescheid ausgesprochen. Die beklagte Partei könnte zwar - was hier nicht weiter zu untersuchen ist - möglicherweise durch einen neuen Bescheid eine solche Anrechnung aussprechen, jedoch ohne Eingriff in die Rechtskraft nur für die Zukunft (vgl 10 ObS 381/98x). Deshalb ist es angezeigt, die übrigens zwischen den Parteien nie strittig gewesene Anrechnung bereits bei Zuerkennung des Pflegegeldes auszusprechen.

Der Revision war demgemäß im aufgezeigten Umfang Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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